Diskussion um Zentralabitur: Kretschmann „skeptisch“ und Söder will „bayerisches Abiturniveau“ halten

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STUTTGART. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) steht Forderungen seiner Kultusministerin nach einem bundesweiten Zentralabitur nach eigenem Bekunden „sehr skeptisch“ gegenüber. Er sprach sich am Dienstag in Stuttgart aber dafür aus, gemeinsame Mindeststandards in der Bildungspolitik voranzutreiben. Dies sei Aufgabe der Kultusministerkonferenz. Zuvor hatte Bayern Regierungschef Markus Söder (CSU) Forderungen nach einem Zentralabitur eine klare Absage erteilt. „Ein Zentralabitur wird es auf keinen Fall mit Bayern und der CSU geben“, sagte er.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte in seiner Rede die Eltern mit deutlichen Worten zu mehr konstruktiver Zusammenarbeit mit Lehrern auf. Foto: Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Kretschmann spricht sich gegen ein bundesweit einheitliches Zentralabitur aus. Foto: Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Söder sprach sich gegenüber der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ ebenfalls gegen einen nationalen Bildungsrat aus, „der nur dazu da ist, quasi alles zu nivellieren, gleich zu machen, der bedeutet, dass Berliner Bildungspolitik quasi eine bayerische sein muss“. Er habe nichts dagegen, wenn andere Bundesländer das bayerische Abiturniveau anstrebten, „nur glaube ich, dass der Sprung sehr hoch ist“.

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte das Thema einheitliche Standards Anfang Juli aufgebracht (wir berichteten). Sie forderte, dass in Deutschland innerhalb von fünf bis zehn Jahren ein zentrales Abitur eingeführt wird. Am Ende müsse es nicht nur deutschlandweit dieselben Prüfungsaufgaben, sondern auch einheitliche Regeln dafür geben, welche Fächer ins Abitur eingebracht würden. Anja Karliczek (CDU) sagte daraufhin, Eisenmanns Vorstellungen gingen „in die richtige Richtung“.

Andreas Schleicher spricht sich für Zentral-Abi aus

OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher hingegen empfiehlt Deutschland ein Zentralabitur. „Ein Abitur auf Landesebene macht genauso wenig Sinn, wie dass jeder Provinzfürst seine eigene Währung druckt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Denn am Ende bewerben sich die Schüler um die gleichen Hochschulen und Ausbildungsplätze.“ Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) organisiert unter anderem die internationale Schul-Vergleichsstudie Pisa.

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Schleicher sagte, das Zentralabitur sei nicht nur eine Frage von Transparenz und Effizienz, sondern auch eine Frage der Fairness. „Denn unterschiedliche Standards führen bei vergleichbaren Schülerleistungen je nach Wohnsitz heute zu völlig unterschiedlichen Abiturnoten, die wiederum eng mit Zugangsberechtigungen und damit Lebenschancen verknüpft sind.“ Ein Zentralabitur verspreche auch eine verbesserte Qualität bei den Abschlussprüfungen, „denn die Länder können ihre Ressourcen dann gemeinsam für die Entwicklung eines guten Aufgabenpools nutzen“. „Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler wäre ein Zentralabitur sicher ein großer Gewinn“, meint Schleicher.

„Südschiene“ ist sich einig

Eine schnelle Lösung wird es bei dem Thema voraussichtlich nicht geben, denn seit Jahren scheiden sich daran schon die Geister – Bildung ist in Deutschland nun mal Ländersache. Wie Kretschmann ankündigte wird das Zentralabitur auch kein Thema sein, wenn die Kabinette von Baden-Württemberg und Bayern am kommenden Dienstag (23.7.) am Bodensee gemeinsam tagen. Auf der Tagesordnung stehen nach seinen Worten die Energiewende, die Verkehrspolitik und andere Themen, die die beiden südlichen Bundesländer gleichermaßen beträfen.

Mit ihrer Absage stellen sich die beiden Bundesländer, die auch als „Südschiene“ bezeichnet werden, gegen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Sie hatte zuletzt positiv auf die Forderung der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann nach einem Zentralabitur reagiert. „Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist wichtig. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit“, hatte Karliczek in einem Zeitungsinterview erklärt. dpa/Agentur für Bildungsjournalismus

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GriasDi
4 Jahre zuvor

Wer sagt überhaupt, dass das bayerische Niveau so hoch ist? Gibt es dazu Untersuchungen? Oder ist es nur ein gefühltes Niveau?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Die bayerischen Aufgaben machen mir einen anspruchsvolleren Eindruck als die aus NRW. Allerdings habe ich keinen Vergleich, was in Bayern vor G8 gefordert wurde.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Vor G8 wurde mehr gefordert. Entscheidend ist meiner Meinung nach nicht das Niveau des Abiturs, sondern die Studierfähigkeit der daraus resultierenen Abiturienten (vielleicht hängt das ja zusammen, vielleicht ja auch nicht). Das Land das hier die Nase vorne hat, sollte als Vorbild dienen.

Palim
4 Jahre zuvor

„Schleicher sagte, das Zentralabitur sei nicht nur eine Frage von Transparenz und Effizienz, sondern auch eine Frage der Fairness. „Denn unterschiedliche Standards führen bei vergleichbaren Schülerleistungen je nach Wohnsitz heute zu völlig unterschiedlichen Abiturnoten,…“

Klingt toll!
Dann werden innerhalb der nächsten 10 Jahre ja nicht nur die Abiturarbeiten gleich aussehen, sondern der Fairness halber werden
– alle BL gleich viel Unterricht erteilen, wohlgemerkt in allen Schulformen und Fächern bei gleich vielen Feier- und Ferientagen,
– in allen BL alle Lehrkräfte gleich viele Stunden erteilen und gleich viele außerunterrichtliche Aufgaben bewältigen und überall gilt die gleiche Arbeitszeit, die erhoben wird, die gleichen Entlastungen für zusätzliche Aufgaben in allen Schulformen … womöglich kommt es zu bundeslandübergreifenden Abordnungen, damit die Unterrichtsversorgung vergleichbar hoch ist,
– alle BL zur gleichen Zeit Ferien haben und die gleichen Einschulungsmodalitäten einsetzen, damit die Abituraufgaben in der gleichen Woche des gleichen Schuljahres geschrieben werden können, wahlweise rotieren alle Länder gleichermaßen, sodass alle die gleichen Vor- und Nachteile haben,
– alle Schulen (wohlgemerkt alle) zu gleichen Teilen mit Kinder mit besonderen Bedürfnissen besetzt werden oder ausgleichend zusätzliche Förderungen erhalten, die Schulen mit geringeren Quoten nicht benötigen, da sie sich dieser Aufgabe nicht stellen,
– alle BL zu gleichen Maßen zusätzliches Personal einsetzen, also gleich viele FöS-Lehrkräfte in den Regelschulen zur Prävention und Förderung, gleich viele Therapeuten, Sozialarbeiter, Schulpsychologen etc.

Und weil der Wettbewerb des Föderalismus ja das Optimale aus allem fördert, werden wir aus allen BL das Beste wählen, um es flächendeckend umzusetzen, wohlgemerkt nicht das Sparsamste!
Da kann sicher jedes BL irgendetwas vorweisen.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sie bieten gute Antworten auf schräge Fragen.