Muslime stoßen in Deutschland auf breite Vorbehalte – Experten sehen Chancen zur Begegnung vor allem in Kitas und Schulen

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GÜTERSLOH. Vorbehalte gegen „den Islam“ sind hartnäckig und weit verbreitet. Vor allem dort, wo fast keine Muslime leben. Auf Dauer könnte das die Demokratie gefährden, warnt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Was kann helfen? Nach Ansicht der Studienautoren vor allem eins: Austausch in Kita und Schule.

Eine knappe Mehrheit der Bürger in Deutschland ist für ein Verbot des Kopftuchs in der Schule (News4teachers berichtete). Foto: Shutterstock

Der Islam stößt in Deutschland auf breite Vorbehalte: Jeder zweite nimmt ihn als Bedrohung wahr. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung auf Basis des repräsentativen «Religionsmonitors» hervor. Diese Wahrnehmung sei seit einigen Jahren «relativ stabil verwurzelt». Auffällig: In Ostdeutschland, wo wenig Muslime leben, ist die Skepsis größer als im Westen. So wollen der Erhebung zufolge 30 Prozent im Osten und 16 Prozent im Westen keine Muslime als Nachbarn.

Mit Globalisierung und Zuwanderung habe auch die religiöse Pluralität zugenommen, heißt es in der Untersuchung. Diese Vielfalt bereichere die Gesellschaft, meint jeder zweite Befragte. Die Sicht auf Christentum, Buddhismus, Judentum und Hinduismus fällt hier mehrheitlich positiv aus. Aber: Beim Islam sagt nur ein Drittel, dass er bereichernd sei.

Die Zahl der Muslime in Deutschland wird auf knapp fünf Millionen geschätzt, mit etwa 1,5 Millionen leben unter den Bundesländern die meisten in Nordrhein-Westfalen. Bundesweit gehören 44,8 Millionen Menschen der katholischen oder evangelischen Kirche an (2017).

Jeder Achte gilt als regelrecht islamfeindlich

Vorbehalte gegen den Islam seien allerdings nicht mit Islamfeindlichkeit gleichzusetzen, erläutert Yasemin El-Menouar, Religionsexpertin der Stiftung in Gütersloh. Als islamfeindlich einzustufen seien 13 Prozent der Befragten, die sich aktuell dafür aussprechen, die Zuwanderung von Muslimen zu stoppen – 20 Prozent in Ost- und 11 Prozent in Westdeutschland. Immerhin hätten das aber 2017 noch 20 Prozent befürwortet. Islamfeindliche Gesinnte lehnen häufig auch andere Minderheiten ab, wie die Analyse zeigt.

Woher kommt die breite Skepsis gegenüber dem Islam? «Offenbar sehen viele Menschen den Islam weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie», meint El-Menouar. Zudem werde der Islam in der Öffentlichkeit meistens in negativem Zusammenhang thematisiert. Studienautor Gert Pickel sieht mehrere Gründe. Berichte über islamistischen Terror und Sorge vor Anschlägen machten einiges aus, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Auf viele wirke der Islam kulturell fremd.

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Das Gefühl der Bedrohung – im Osten wiederum etwas häufiger geäußert als im Westen – gehe quer durch alle Bevölkerungsschichten, schildert der Religionssoziologe. Solche abgrenzenden, ablehnenden Haltungen könnten gefährlich werden: «Wenn eine signifikante Gruppe innerhalb der Bevölkerung eine andere, kleinere Gruppe als Bedrohung ansieht, schadet das auf Dauer der Demokratie.» Rechtspopulisten lebten geradezu davon, den Islam als Gefahr darzustellen. Auch die AfD positioniere sich gegen den Islam, vertrete eine Ausgrenzung von Muslimen und eine Anti-Migrationspolitik.

Gutes Zusammenleben – können Kita und Schule dabei helfen?

Religiöse Toleranz sei für ein gutes Zusammenleben von Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte eine entscheidende Voraussetzung, betont die Studie. Rund 70 Prozent der Bevölkerung sind demnach als tolerant anzusehen, da sie anderen Religionen ebenfalls einen Wahrheitsgehalt zusprechen.

Islam-Verbände beklagen immer wieder Ausgrenzung, Benachteiligung, Beleidigung und auch Angriffe gegen Moscheen und Muslime. Das Sicherheitsgefühl in vielen Moscheegemeinden sei «empfindlich gestört», berichtete die Islam-Organisation Ditib gerade erst nach einer Bombendrohung am Dienstag in Köln gegen den bundesweit größten Moschee-Komplex.

Die Bertelsmann-Analyse richtet den Blick aber auch auf die Akzeptanz der demokratischen Werte und Prinzipien: Diese ist bei den Angehörigen der verschiedenen Religionen breit – unabhängig von Judentum, Christentum oder Islam. Die große Mehrheit von 89 Prozent der Bevölkerung – über alle Religionen hinweg – bewertet die Demokratie als eine gute Regierungsform.

Und wie lässt sich nun den hartnäckigen Islam-Vorbehalten entgegenwirken? Die Bertelsmann Stiftung rät zu frühem Austausch und Begegnung schon in Kita und Schule. Denn der «Religionsmonitor» belege auch, dass Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen haben, weniger skeptisch auch gegenüber dem Islam sind.

Politikwissenschaftler Pickel sagt: «Alles, was ein Zusammenkommen unterstützt, ist hilfreich.» Die Islamkonferenz reiche nicht. Es brauche viele Kontakte: «Im Ruhrgebiet passiert das durch die Zusammensetzung der Bevölkerung auf natürliche Weise, aber im Osten ist das schwierig, weil dort extrem wenig Muslime leben. Insgesamt wird das ein zäher Prozess.» Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

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5 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

«Offenbar sehen viele Menschen den Islam weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie»
-> Das trifft den Nagel auf dem Kopf.

„Vorbehalte gegen den Islam seien allerdings nicht mit Islamfeindlichkeit gleichzusetzen, erläutert Yasemin El-Menouar“
-> Das müssen die Kritiker der Islamkritiker beachten und berücksichtigen.

Jule Krause
4 Jahre zuvor

In keinem anderen Land und in keinem anderen Schulsystem wird solch eine Rücksicht auf die Eigenarten der Muslime bzw. des Islams genommen. Wenn muslimische SchülerInnen von einzelnen Lehrkäften respektlos behandelt werden, dann ist das nicht schön. Aber einem christlichen oder jüdischen Kind passiert soetwas sicher auch ab und zu. Außerdem habe ich beobachtet, dass viele Migranten ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken. Dieses würde aber bestimmt sehr zur Integration beitragen. Immer fordern und nie geben kann auch nicht richtig sein.

Carsten60
4 Jahre zuvor

In Deutschland kennt wohl jeder irgendwelche Katholiken (auch ohne es zu wissen; man fragt ja nicht: „sind Sie eigentlich katholisch?“).
Gleichwohl ist die katholische Kirche in jüngster Zeit massiv in die Kritik geraten, aus diversen Gründen. Die Kurie in Rom ist ziemlich arrogant, und die Bischöfe bemühen sich um Schadensbegrenzung. Aber ich habe nie gehört, dass das als Feindschaft oder Ausgrenzung gegen Katholiken interpretiert wird, denn fast jeder hat fast täglich Umgang mit Katholiken. Die Kritik trifft immer die Oberen, die Berufs-Katholiken, die leitenden Leute, die Katholiken an der Basis sieht man eher als Opfer. Und die Bertelsmann-Stiftung hat bislang diese Kritik (bis hin zu einer Ablehnung des Katholizismus als reaktionär) nicht als „Gefahr für die Demokratie“ gedeutet. Nebenbei: Welche Kompetenz hat eigentlich die Bertelsmann-Stiftung in Sachen Religion?

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

Wer sich in Deutschland als Salafist durch sein abweisendes Verhalten und das Tragen einer Nikab seiner Ehefrau auch noch äußerlich bewusst gegen unsere Gesellschaft abgrenzt, dazu auch noch an keiner privaten Feier, geschweige denn an irgend einem interkulturellen Fest teilnimmt, private Feiern deutscher, rumänischer, polnischer oder anderer Kollegen meidet, der sollte sich auch nicht wundern, wenn man ihn auch so abweisend und ablehnend wahrnimmt.
Kommen dann noch erschwerend Versuche hinzu, Araber einer anderen Religionsangehörigkeit, wie der koptischen Christen oder Jesiden zur radikal salafistisch sunnitischen Glaubensauslegung zu bekehren, weil „man als Araber ein Moslem zu sein hat“, dann wird die Toleranz schon arg strapaziert.
Der Islam hat aber viele andere Facetten, allerdings prägen leider radikalislamische Personenkreise stärker die öffentliche Meinung als gemäßigte Moslems. Und natürlich wird das Ansehen des Islam in der Öffentlichkeit negativ von derartigen radikalen Gruppen geprägt.

Anne
4 Jahre zuvor

Warum werden immer nur Islam-Vorbehalte thematisiert und verurteilt?
Von muslimischer Seite gibt es ebenso große Vorbehalte gegen die „Ungläubigen“. Gesellschaftlicher Frieden entsteht nicht dadurch, dass man auch hier wieder nur eine Seite an den Pranger stellt und die andere zu armen Opfern erklärt. Im Gegenteil, einseitige Betrachtungsweisen heizen nur gegenseitige Ablehnung an.
Auch Muslime sollten akzeptieren, dass sie andere Religionen tolerieren müssen und nicht zur Beschimpfung oder gar zum Kampf gegen „Ungläubige“ anstacheln dürfen. Auch für sie gilt die Anerkennung unserer grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit. Was sie an Freiheit für den Islam beanspruchen, müssen sie auch Christen, Juden, Buddhisten… oder Atheisten zugestehen. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gehört zu dem, was keine Religion in Abrede stellen darf.

Dass Kontakte und gegenseitiges Besser-Kennenlernen hilfreich sein können, ist eine uralte Binsenweisheit, die niemand bezweifelt. Dennoch ist es seit Jahrzehnten nicht gelungen, fundamentalistischen Kräften im Islam das Wasser abzugraben. Wie denn auch, wenn immer wieder Verstöße gegen das GG mit Religionsfreiheit gerechtfertigt und betreffende Personen als gesellschaftlich „benachteiligt“ und unter „bösen“ Vorbehalten leidend dargestellt werden?