dbb-Umfrage: Mehr Gewalt auch gegen Lehrer – VBE fordert härtere Strafen

1

BERLIN. Die Vorsitzende des Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, hat „mehr gesellschaftliche Wertschätzung für Lehrkräfte von Eltern, Politik und Medien“ gefordert. Anlass für ihren Appell: Eine aktuelle Umfrage des Beamtenbundes (dbb) zeigt, dass ein Großteil der Bevölkerung eine zunehmende körperliche und verbale Verrohung der Gesellschaft erlebt – auch gegenüber Lehrern. Der VBE fordert härtere Strafen.

Lehrer sind zunehmend Zielscheibe von Aggressionen. Foto: Shutterstock
Lehrer sind zunehmend Zielscheibe von Aggressionen. Foto: Shutterstock

Laut Umfrage des Instituts forsa im Auftrag des dbb geben 83 Prozent der Bundesbürger an, dass die Gesellschaft zunehmend verrohe, der Umgang der Menschen untereinander also rücksichtsloser und brutaler werde. Nur 14 Prozent der Bürger sind nicht dieser Ansicht. 26 Prozent aller Bundesbürger haben Übergriffe auf öffentlich Bedienstete wie das Behindern, Belästigen, Beschimpfen oder Angreifen während deren Tätigkeiten schon einmal beobachtet. Am häufigsten wurden Übergriffe auf Polizisten beobachtet: Fast drei Viertel (73 Prozent) derjenigen, die bereits einen Angriff auf öffentlich Bedienstete wahrgenommen haben, beobachteten dies bei Einsätzen der Polizei.

Angriffe auf Lehrer wurden von 36 Prozent derjenigen wahrgenommen, die schon einmal entsprechende Vorfälle beobachtet haben. Heißt also: Hochgerechnet hat fast jeder zehnte Bürger schon einmal beobachtet, wie Lehrer verbal oder körperlich angegriffen wurden. Die Umfrage ist Teil einer großen Umfrage zum Ansehen der öffentlich Bediensteten (News4teachers berichtete).

Schule als „geschützter Entwicklungsraum“

„Ein alltäglicher Kulturwandel ist notwendig“, so meint nun Philologen-Chefin Lin-Klitzing,  „mehr konkrete wertschätzende Worte zwischen Lehrkräften, Eltern und Schülern – denn diese setzen immer wieder einen neuen Anfang für den respektvollen Umgang miteinander und sind wirkungsvoller für das schulische Miteinander, als übereinander zu klagen.“ Angesichts von sozialen Netzwerken, die den Selbstwert von Schülern beeinflussten, brauche unsere Gesellschaft mehr denn je die Schule als „geschützten Entwicklungsraum“ und den Unterricht als „einen Ort der Ruhe, der Gründlichkeit, der Vertiefung und der geschützten und wertschätzenden persönlichen Interaktion zwischen Schülerinnen und Schülern sowie zwischen Lehrkräften und ihren Schülern“.

Anzeige

Dieser Aufgabe widmeten sich Lehrkräfte mit hoher Motivation und persönlichem Einsatz in ihrem Dienst für die Erziehung und Bildung ihrer Schülerinnen und Schüler – trotz hoher unterrichtlicher Belastungen, trotz teilweise schlechter digitaler, materialer und baulicher Schulausstattung, trotz Lehrkräftemangels. „Auch deshalb sollte unseren Lehrkräften gegenüber eine positive Haltung in ihrem alltäglichen Geschäft häufiger konkret zum Ausdruck gebracht werden!“, so meint die Philologen-Chefin.

Die aktuelle Umfrage, so meint VBE-Vorsitzender Udo Beckmann, bestätige frühere VBE-Umfragen unter Lehrkräften und Schulleitungen zum Thema Gewalt (News4teachers berichtete). „Damals konnten wir zeigen, dass jede fünfte Lehrkraft schon einmal Opfer psychischer und 6 Prozent der Lehrkräfte Opfer physischer Gewalt geworden sind“, erklärt er. Eine der sich daraus ergebenen Forderungen: massiv in die Bildungsinfrastruktur zu investieren, um Herausforderungen, wie die steigende Heterogenität der Lerngruppen, die Inklusion und der schlechte Gesamtzustand der Schulgebäude bewältigen zu können. Zudem sei es erforderlich, mehr Professionen in Schule zu bringen, damit Lehrkräfte unterstützt und entlastet werden und die Kinder und Jugendlichen optimal entsprechend ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten gefördert werden können. Deshalb setze sich der VBE für die Einsetzung multiprofessioneller Teams ein.

VBE: Angriffe gegen Lehrer müssen härter bestraft werden

„Außerdem bekräftigen wir unsere Forderung, dass Lehrkräfte besser gesetzlich geschützt bzw. Übergriffe auf sie härter bestraft werden müssen“, sagt Beckmann. Von der 2017 erfolgten Strafverschärfung bei Angriffen gegen Vollstreckungsbeamte seien Lehrer, entgegen anderslautender Empfehlungen, ausgenommen worden. Beckmann betonte damals: „Der Staat muss alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gleichermaßen schützen. Wer Angriffe je nach Beschäftigtengruppe bestraft, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Ranking der Wertschätzung einzuführen.“

Mit Blick auf die neuesten Ergebnisse sagt der VBE-Bundesvorsitzende: „Einmal mehr kann gezeigt werden, dass Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst – leider –  ein weit verbreitetes Problem ist. Der Gesetzgeber muss hierauf reagieren. Zudem bleiben wir natürlich bei unserer Forderung, dass jeder Übergriff zu dokumentieren ist und dass die Betroffenen im Falle eines Falles die volle Rückendeckung des Dienstherrn erhalten müssen.“ Agentur für Bildungsjournalismus

dbb-Umfrage zeigt: Bürger verlieren das Vertrauen in den Staat – auch Lehrer betrifft der Ansehensverlust

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Vor allem müssten vorhandene Möglichkeiten konsequent(er) angewendet werden.
Vor allem brauchen Lehrer wieder mehr Rückhalt bei Schulleitungen, Schulaufsichten, Eltern, Medien, Bildungsministerien.
Vor allem müssen Lehrer wieder mehr Respektperson sein wollen und entsprechend auftreten.

Wie sagt ein bekannter Schulrechtsexperte?

„Unterricht muss möglich sein – und das ist er nur, wenn Schüler anwesend, ruhig und aufmerksam sind.
[…]
Würde der Unterrichtsausfall wegen Unterrichtsstörungen durch Schüler erhoben, kämen erschreckende Ausfallzeiten zusammen, die dem Unterrichtsausfall wegen Lehrermangels Konkurrenz machen können und eine Diskussion einforderten, ob die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten, Störungen schnell und effektiv zu beenden, ausreichen.“

(Thomas Böhm: „Nein, du gehst jetzt nicht aufs Klo!“.- München 2018, S. 41 + 59)