AfD nervt mit „Meldeportalen“ gegen parteikritische Lehrer weiter – Ministerin Martin sieht „Frieden an den Schulen gefährdet“

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SCHWERIN. „Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Rechtsextremismus, oft ausgedehnt zum undemokratischen ‚Kampf gegen rechts‘, versuchen linke Vereine, Organisationen und Einzelpersonen gezielt, an Schulen Stimmung gegen die AfD und konservativ denkende Bürger zu schüren“ – behauptet die AfD. Belege ist sie dafür bislang schuldig geblieben. Gleichwohl sammelt sie unverdrossen weiter anonym erhobene Vorwürfe gegen parteikritische Lehrer, jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern.

«Neutralität heißt aber nicht, dass in der Schule nicht über Politik diskutiert werden darf»: Bettina Martin, Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Regierungsportal M-V

Die umstrittene Meldeplattform der AfD für Verletzungen der politischen Neutralität an Schulen gibt es seit Montag auch in Mecklenburg-Vorpommern. Schüler, Eltern und Lehrer könnten die AfD informieren, wenn sie das Gebot der Ausgewogenheit an ihrer Schule verletzt sehen, sagte der Landesvorsitzende Leif-Erik Holm in Schwerin. Hinweise würden vertraulich behandelt. AfD-Politiker suchten anschließend das Gespräch mit der Schule  – behauptete er (ungeachtet der Tatsache, dass keine Schulleitung mit Außenstehenden über Interna sprechen darf). Es werde keine Veröffentlichung von Vorfällen geben, versicherte Holm. Es handele sich nicht um einen Pranger.

Die Wogen schlugen sofort hoch: «Aus den Erfahrungen anderer Bundesländer wissen wir, dass ein solcher Lehrer-Pranger den Frieden an den Schulen erheblich gefährdet», erklärte Bildungsministerin Bettina Martin (SPD). Schüler und Eltern würden zum Denunziantentum gegen ihre Lehrer angestachelt. Dies sei schlecht für die Schulen, verunsichere die Lehrkräfte und sei eine schlechte Lehre für Kinder und Jugendliche. Es gebe in Mecklenburg-Vorpommern bewährte Beschwerdewege bei möglichen Verstößen gegen das Neutralitätsgebot in den Schulen. Auch die Linke warf der AfD vor, zu Denunziantentum aufzurufen.

Die Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Annett Lindner, sagte: «Die Meldeplattformen der AfD halten bundesweit die GEW, viele Ministerinnen und Minister und Medien für den Versuch, Lehrkräfte einzuschüchtern.»

Darf jemand den Bildungsausschuss leiten, der  „Hetzportale“ verteidigt?

Die SPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern forderte den Rücktritt des Vorsitzenden des Bildungsausschusses. Dieses Amt wird von dem AfD-Politiker Jörg Kröger ausgeübt. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Krüger, nannte das Meldeportal ein «Lehrer-Petz-Portal» und einen «Internetpranger», der allein dazu diene, missliebige Schulen und Lehrer zu denunzieren. «Das erinnert fatal an die Methoden von Nazis und Stasi.» In diesem Zusammenhang finde er es unerträglich, dass der Bildungsausschuss des Landtages von einem Mitglied der AfD-Fraktion geführt wird. «Jörg Kröger hatte bereits im vergangenen Jahr diese Hetzportale verteidigt. Ich fordere ihn dazu auf, von seinem Amt zurückzutreten», sagte Krüger. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Simone Oldenburg, schloss sich dieser Forderung an.

AfD-Meldeportale dieser Art gibt es seit einigen Monaten in mehreren Bundesländern, so in Hamburg, Bremen, Berlin und Brandenburg. Holm sagte, dort gingen immer wieder Hinweise ein. Zahlen nannte er nicht. Zu Fällen, in denen das Neutralitätsgebot der Schule verletzt worden sei, gehöre das Auftreten eines Lehrers in einem T-Shirt mit der Aufschrift «Fuck AfD». In Hamburg musste eine Schule einen Offenen Brief von Lehrern an die AfD von ihrer Internetseite nehmen, in dem diese das Melde-Portal kritisiert hatten.

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Lehrer sollen ihre Schüler zu mündigen Bürgern erziehen

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gebe es Fälle von Neutralitätsverletzungen, sagte der AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Grimm. Als Beispiel nannte er eine Ausstellung über die AfD an der Freien Schule Güstrow, die sich einseitig negativ allein mit dieser Partei auseinandergesetzt habe. Auch Auftritte der Satirefigur «Storch Heinar» an Schulen sieht die AfD kritisch. «Storch Heinar», der sich gegen Rechtsextremismus richtet, sei eine Schöpfung der Jusos, sagte Grimm. «Das ist parteipolitisch eindeutig besetzt.»

Schule hat politisch neutral zu sein, betonte Ministerin Martin. «Neutralität heißt aber nicht, dass in der Schule nicht über Politik diskutiert werden darf.» Lehrer haben nach ihren Worten die Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu mündigen Bürgern zu erziehen, die in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, soll auch in der Schule kontrovers erörtert werden. «Dazu gehört auch, öffentliche Äußerungen einzelner Personen oder Gruppierungen, die beispielsweise politisch oder religiös motivierte Hetze, Aufrufe zur Gewalt oder bewusste Falschmeldungen beinhalten, im Unterricht kritisch zu reflektieren.» Lehrer müssen dabei den Beutelsbacher Konsens beachten, der besagt, dass Schüler nicht indoktriniert werden dürfen.

Tausende von Beschwerden über Lehrerinnen und Lehrer – angeblich

Trotz der angeblich „Tausenden“ von Beschwerden über Lehrerinnen und Lehrer, die die AfD angeblich über ihre „Meldeportale“ erhalten haben will, hat sie bislang nur wenige Fälle öffentlich gemacht – etwa ein offenes Schreiben, mit dem sich ein Lehrerkollegium gegen die AfD-„Meldeportale“ zur Wehr setzte (News4teachers berichtete)  Verstöße gegen den Beutelsbacher Konsens waren nicht darunter.

Hintergrund: Der Beutelsbacher Konsens

Der „Beutelsbacher Konsens“ umfasst drei Prinzipien:

(1) Es ist nicht erlaubt, Schüler im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern (Überwältigungsverbot).

(2) Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen (Kontroversitätsgebot).

(3) Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Immer mehr Lehrer machen gegen die AfD-„Meldeportale“ mobil: „Wir stellen uns entschieden gegen Rassismus und Extremismus jeder Art“

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Steven
4 Jahre zuvor

Die ganze Idiotie zeigt sich doch darin, dass jedes Elternteil doch einfach zur Lehrkraft, dann zur Schulleitung und dann zur Landesschulbehörde gehen kann wenn es Probleme gibt. So ist es gedacht. Schon immer.
Die AFD ist hier überhaupt nicht offiziell zuständig aber die Mitglieder und Wähler sind wie ich es wahr nehme ja auch nicht sehr klug.
So wird suggeriert die AFD wäre eine Art rechtstaatlicher Robin Hood, ich könnte mich halbtot lachen wenn soviel Dummheit nicht eigentlich zum Heulen wäre.
Hochachtungsvoll