Lehrermangel: Schulamt „empfiehlt“, Wochenstunden für AGs zu streichen

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ERFURT. Der Lehrermangel treibt weiter Blüten in Deutschland. Auch Thüringen hat noch immer zu wenig Lehrer. Ein Vorstoß des Ostthüringer Schulamts sieht nun vor, den Mangel zu lindern. Der Thüringer Lehrerverband reagiert auf die Ideen schockiert.

Ist der Rotstift bei den Lehrerwochenstunden für zuiätzliche Aufgaben schon angesetzt? Foto: Maren Beßler / pixelio.de

In Thüringen ist eine Debatte darüber entbrannt, ob Lehrer möglicherweise kein Geld mehr für schulische Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts bekommen könnten. Anlass ist ein Schreiben des Ostthüringer Schulamts, das der Thüringer Lehrerverband (tlv) am Montag in Erfurt kritisierte. In dem Papier an alle Ostthüringer Schulen hatte das Schulamt am Freitag dazu angeregt, über eine Reduzierung der für diesen Bereich vorgesehenen Lehrerwochenstunden nachzudenken. Das würde nach Informationen des Lehrerverbandes bedeuten, dass Lehrer für das Leiten etwa von AGs, Chören, Sportförderunterricht oder PC-Betreuungen kein Geld mehr bekommen würden. Nach Angaben des Schulamts könnten die betroffenen Lehrer in der frei gewordenen Zeit an anderen, unterbesetzten Schulen unterrichten.

Aufgaben des Klassenlehrer sind nicht übertragbar

Der Leiter des Schulamts Ostthüringen, Berthold Rader, wies auf Anfrage darauf hin, dass es entsprechende Verordnungen nicht gebe. «Das Schreiben war lediglich ein Hinweispapier», betonte er. Es habe sich dabei explizit nicht um eine Anweisung gehandelt. Diese Entscheidung sei noch nicht gefällt.

Ein Wegfall der Stunden würde nicht bedeuten, dass es künftig keine AGs mehr an den Schulen gebe, erläuterte der Stellvertretende tlv-Landesvorsitzende Frank Fritze. Es sei beispielsweise möglich, die Leitung eines Chors an einen externen Lehrer aus der Musikschule zu übertragen. «Aber das gilt eben nicht für andere Bereiche, wie die PC-Betreuung oder die Aufgaben des Klassenlehrers», so Fritze.

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Hintergrund der Debatte ist der anhaltende Lehrermangel an Thüringer Schulen. Aktuelle Zahlen aus der Statistikstelle des Thüringer Bildungsministerium zeigen, dass die Zahl der Schüler an Thüringer Schulen von 2014/15 bis zum Schuljahr 2018/19 um 6000 nach oben, die Zahl der Lehrer aber um 200 nach unten gegangen ist.

tlv: Verbeamtung von Lehrern ist der richtige Weg

Der Bildungspolitiker der Thüringer Linken-Fraktion, Torsten Wolf, hingegen betonte, dass die Rot-Rot-Grüne Landesregierung «den von der CDU für die Jahre 2018 bis 2020 geplanten Lehrer-Personalabbau von 1734 Vollzeitstellen beendet hat». Jede frei werdende Lehrerstelle besetze man eins zu eins neu. Das Problem liege vielmehr darin, dass es kaum Bewerber mehr für Grund- und Regelschulen im ländlichen Raum gebe.

Der Lehrerverband bekräftigte am Montag auch seine Kritik am Schulgesetz. Versöhnliche Worte fand der tlv-Landesvorsitzende, Rolf Busch, aber ebenfalls: «Es ist nicht so, dass wir gar nichts erreicht haben (…) Es geht uns an vielen Stellen einfach zu langsam.» So sei es beispielsweise der richtige Weg, wieder vermehrt Lehrer zu verbeamten. dpa

Lehrer blicken mit Sorge auf das neue Schuljahr: Drohen wieder hoher Unterrichtsausfall und Abordnungschaos?

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3 Kommentare
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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Das habe ich ja immer gesagt, Geld ausschütten an der einen Stelle führt letztlich nur zu Sparmaßnahmen an der anderen Stelle. Mehr Gehalt (und Verbeamtung) führt dann zu höheren Klassenfrequenzen, eingeschränkten Teilzeitmöglichkeiten, höherem Stundensoll, Wegfall von Anrechnungsstunden jeglicher Art, Einsatz von „Billig-Lehrern“ (sog. externe Kräfte, die Aufgaben übernehmen) usw.

Dann verdienen wir zwar alle mehr, aber an unseren Problemen im Schulalltag ändert sich nichts, es wird sogar noch schlimmer. Bürokratie und Zusatzaufgaben nehmen nach meinem Eindruck nicht ab, das nimmt Jahr für Jahr zu.

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Zitat: „So sei es beispielsweise der richtige Weg, wieder vermehrt Lehrer zu verbeamten.“

Warum eigentlich? Wenn alle Bundesländer verbeamten, wo ist dann noch der Vorteil gegenüber den anderen?

In Ostdeutschland sind viele Lehrer geworden ohne die Verbeamtungsperspektive. Selbst in Westdeutschland werden viele nicht verbeamtet, weil sie z.B. schon zu alt dafür sind. Verbeamtung ist schön für die Nutznießer, aber nicht nötig, um den Lehrermangel zu beheben. Das ist eine Schimäre. Es bringt gar nichts und verlagert enorme Kosten auf die späteren Generationen. Sie schafft Lehrer 1. und 2. Klasse und führt dadurch zu neuem Unmut. Es schwächt die Lehrerschaft insgesamt, weil Beamte nicht streiken dürfen. Aber vielleicht ist ja auch genau das damit gemeint?!

Pälzer
4 Jahre zuvor

In Rheinland-Pfalz wird erwartet, dass jeder Lehrer im Mittel 0,5 AG-Stunde pro Jahr hält, ohne dass er dafür bezahlt wird („ZAG-Stunden“). Ausnahmen kann die Gesamtkonferenz beschließen.
-> (LehrArbZVO) §5
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&psml=bsrlpprod.psml&feed=bsrlp-lr&docid=jlr-LehrArbZVRPV5P5