Populismus gefährdet die Wissenschaft – mahnen Spitzen der deutschen Hochschulen

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LOS ANGELES. Populismus, Nationalismus und neue Formen aggressiver Zuspitzung gewinnen wachsenden Einfluss auf die politische Kultur – umso größer, dies betonten Spitzenvertreter deutscher und US-amerikanischer Hochschulen jetzt auf einer gemeinsamen Tagung im Thomas Mann House in Los Angeles, ist die Verantwortung der Wissenschaft, einen sachlichen Diskurs zu befördern. Allerdings – auch das wurde angesprochen – sind die Hochschulen mittlerweile selbst Zielscheiben von Angriffen.

Sieht „seinen“ Senat in Sachen Ablehnung neuer Berufsabschlussbezeichnungen hinter sich: HRK-Präsident Peter-André Alt. Foto: David Ausserhofer – Hochschulrektorenkonferenz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0) (Ausschnitt)
Sieht „seinen“ Senat in Sachen Ablehnung neuer Berufsabschlussbezeichnungen hinter sich: HRK-Präsident Peter-André Alt. Foto: David Ausserhofer – Hochschulrektorenkonferenz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0) (Ausschnitt)

Wesentliche Werte der liberalen Demokratie wie Meinungsfreiheit und Toleranz werden offensiv in Frage gestellt. Welche Konsequenzen aus dieser Radikalisierung für die Wissenschaft in Deutschland und den USA folgen, stand im Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Kooperation mit dem Thomas Mann House in Los Angeles. Titel der Konferenz: „‘An Appeal to Reason‘: Academia’s Response to Current Shifts in Political Culture“.

„Demokratische Grundlagen sind für Forschung und Lehre essentiell“

„Demokratische Gesellschaften basieren auf dem freien Austausch von Standpunkten, dem Wettbewerb nachprüfbarer Argumente und dem Ringen um rationale Lösungen. Diese Grundlagen sind auch für Forschung und Lehre an den Hochschulen essentiell“, betonte Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in seinem Vortrag. „Hochschulen tragen daher eine besondere Verantwortung für die Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Wandel der politischen Kultur. Sie müssen die aktuellen Prozesse wissenschaftlich analysieren. Und sie müssen sich in die gesellschaftlichen Debatten einbringen und ihre eigene Funktionstüchtigkeit als Orte des offenen Austauschs kritisch reflektieren und weiterentwickeln.“

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DFG-Vizepräsidentin Prof. Dr. Julika Griem machte deutlich, dass allerdings auch die Hochschulen selbst zunehmend unter Druck geraten: „Auch Institutionen der Forschungsförderung müssen sich Angriffen auf die Freiheit der Wissenschaft stellen und ihre Wertorientierungen und Verfahren stärken, aber auch überprüfen. Dabei gilt es einerseits, die Autonomie von Forschenden und Forschungseinrichtungen zu verteidigen“, erklärte sie.  „Andererseits muss Wissenschaft in einem gesellschaftlichen Rahmen begründet werden.“ Griem mahnte die Kolleginnen und Kollegen, sich dabei einzubringen. Wissenschaft „sollte jedoch nicht der Versuchung erliegen, sich auf die Macht von Fakten zurückziehen zu können. In pluralistischen Gesellschaften kann nicht darauf verzichtet werden, um Erkenntnis zu streiten und Wissen von Gewissheit zu trennen. Wir müssen gemeinsam um die normativen Grundlagen unserer Bildungs- und Forschungseinrichtungen ringen. Es wird nicht ausreichen, diese Auseinandersetzung in quantifizierte und automatisierte Verfahren zu verschieben.“

„Widerstand in den Universitätet gegen destruktive äußere Einflüsse“

Dass auch die Wissenschaft nicht vor Verirrungen gefeit ist, betonte Steven Lavine, Präsident Emeritus von CalArts und Vorsitzender des Advisory Board, Thomas Mann House. „Radikal politisierte und polarisierte Positionen erschweren die konstruktive öffentliche Diskussion, auch über die drängendsten Themen, zunehmend. Die Universität spielt daher eine wesentliche Rolle als Heimat sachkundiger Debatten und Erkenntnisarbeit sowie durch ihren Vorbildcharakter für die breite Öffentlichkeit, was den Wert dieser gemeinsamen Suche nach Antworten auf komplexe Fragen angeht. Die entscheidende Herausforderung für Universitäten besteht heute im Widerstand gegen destruktive äußere Einflüsse und den inneren Spannungen, die diesen Auftrag bedrohen. Wie leicht sich auch die besten Bildungseinrichtungen verirren können, haben US-Universitäten während der McCarthy-Ära und deutsche Universitäten während des Aufstiegs des Nationalsozialismus gezeigt.“ News4teachers

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Jule Krause
4 Jahre zuvor

Populus stammt aus dem Lateinischen und heißt: das Volk. Zum hundertsten Mal: Was kann an der Meinung des Volkes oder an einem Aussprechen der Meinung des Volkes falsch sein?!

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  Jule Krause

Was ist denn „die“ Meinung „des“ Volkes? In der Demokratie gibt es widerstreitende Interessen, und demokratische Verfahren sind dazu da, einen friedlichen und zivilen Ausgleich zu ermöglichen. Es gibt keine einheitliche „Meinung des Volkes“ (die gibt’s – angeblich – in Diktaturen, und Diktatoren vertreten die selbstverständlich immer).

Schauen Sie mal nach Großbritannien – dort sehen Sie, was an der „Meinung“ einer Bevölkerungsmehrheit falsch sein kann.

Meinung setzt Wissen voraus – zumindest wenn sie profund sein soll. „Das Volk“ über Themen abstimmen zu lassen, deren Konsequenzen viele Menschen nicht überblicken können, deren Rahmenbedingungen nicht klar sind und bei denen Fake News die Debatte bestimmen (und es keine neutrale Instanz gibt, die Lüge und Wahrheit trennt), führt zwangläufig ins Chaos.

Dass es Leute gibt, die genau das wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Papa 51
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

„Meinung setzt Wissen voraus – zumindest wenn sie profund sein soll.“
Schöne Behauptung, die aber nicht stimmt. Wer bildet sich denn nicht gern ein, er verfüge über mehr Wissen als andere und sei deswegen mit seinen Positionen und Stellungnahmen allein im Recht?
Dieses Rechthaben wird dann oftmals mit Herabwürdigungen anderer Positionen und der sie vertretenden Menschen verbunden, die angeblich keine Ahnung haben und nur dummen Behauptungen anhängen, während man selbst und die Seinen den großen (profunden) Durchblick haben.

Wenn jemand sagt, dass Meinung Wissen voraussetze, meint er damit garantiert nicht seine Meinungsgegner, sondern sich selbst und sein Denklager. In der Aussage steckt darum eine dicke Aufwertung des eigenen Denkens und Abwertung des anderen.

Person

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  Papa 51

Ein schöneres Plädoyer für die Dummheit kann man nicht halten, Papa51.

Sagen Sie das auch so den Lehrern Ihrer Kinder, wenn die Wissen vermitteln wollen?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

„Meinung setzt Wissen voraus“ — absolute Zustimmung.

Wissen ist aber Fakten und Zusammenhänge, nicht vorgekaute und als richtig zu akzeptierende Haltung. Die persönliche Haltung zu einem Thema soll sich dann aus Abwägung der Fakten und Zusammenhänge für jeden persönlich begründbar ergeben.

Papa 51
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Gut, dass Sie die zitierte Aussage klargestellen. Denn oft werden Meinungen vertreten, die keineswegs auf unbestreitbarem Wissen beruhen, auch wenn dies behauptet wird. Der Grund dürfte klar sein.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Jule Krause

@Jule Krause
Was also kann an populistischen Haltungen positiv sein, außer dass bei den Adressaten kurzfristig ein Gefühl einer überheblichen Überlegenheit aktiviert wird, was aber eher dem Ausdruck von Hass und Unversöhnlichkeit entspricht, als einem rationalem Umgang mit gesellschaftlichen Problemen, die eines konsensorientierten Handeln erfordern. Es geht dem Populisten lediglich darum, seine Interessen und sein Machtgefühl zu stärken, welches zudem sich nicht am Allgemeinwohl aller orientiert.

AvL
4 Jahre zuvor

Populismus ist eine auf die vorherrschende Stimmungslage ausgerichtete Themenwahl, um aus diesen Themen politisches Kapital für die eigenen Interessen zu schlagen. Die Rhetorik bedient sich meist einfacher stilistischer Mittel, die auf die vorherrschende Vorurteile in der Bevölkerung abzielen, Vorurteile befeuern und diese Vorurteile für eigene Interessen nutzt. Letztlich geht es ausschließlich darum, den eigenen Machterhalt zu sichern oder die politische Macht als solches zu erreichen.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Populisten nehmen für sich häufig in der Öffentlichkeit in Anspruch, die Interessen des eigenen Volkes zu vertreten und diese gegen die zur Zeit herrschenden politischen Eliten zu verteidigen. Dabei dienen sie sich dem einfachen Volk als deren Vertreter an.
Durch eine bewusste Polarisierung in der Sprache und des formalen Umgangs miteinander sowie durch die Überschreitung von Grenzen im menschlichen Umgang miteinander wird versucht, die Mehrheit gegen die führenden Eliten aufzuwiegeln, diese zu geißeln und somit wird der gesellschaftliche Konsens des fairen Miteinanders aufgehoben und durch ein negatives Aufheizen der Stimmungslage, das gesellschaftliche Miteinander bewusst in Kauf genommen und zerstört.
Grundlage des politischen Populismus sind, egal von welcher politischen Seite aus dieser bedient wird, dass eine Ideologie die Grundlage eigener moralischer Zielvorstellungen ist.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Populismus ist eine politische Haltung, die ihre Themenwahl auf die vorherrschende Stimmungslage ausrichtet, ….. sollte es heißen