Nach Fehlstart ins Schuljahr: Scheeres im Abgeordnetenhaus im Kreuzfeuer der Opposition

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BERLIN. Die Berliner Bildungssenatorin hat es im Parlament nicht leicht: Die Opposition traut der Senatorin nicht mehr zu, die Probleme an Berliner Schulen zu lösen. Da kommt auch schon die nächste Hiobsbotschaft.

„Die Senatorin hat bei diesen Themen für uns ihre Glaubwürdigkeit verloren“: Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres steht unter Druck. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Nach dem Wirbel um fehlende Schulplätze in Berlin hat die Opposition die erste Parlamentssitzung nach der Sommerpause zur Generalabrechnung mit der rot-rot-grünen Bildungspolitik genutzt. Die seit 2011 amtierende Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sei auf ganzer Linie gescheitert und im Amt nicht mehr tragbar, sagte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Nötig sei ein Neustart in der Bildungspolitik. «Ein Weiter-so darf es nicht mehr geben.»

Der FDP-Politiker Paul Fresdorf verwies darauf, dass das Bildungsressort in Berlin seit 23 Jahren von der SPD verantwortet werde – und damit auch Probleme wie fehlende Lehrer, eine hohe Zahl von Schulabbrechern, schlechte Ergebnisse von Schülern bei Vergleichstests und Unterrichtsausfall. Der AfD-Abgeordnete Stefan Franz Kerker sprach von einem «Schulnotstand» und einem «Gesamtversagen des rot-rot-grünen Senats in der Bildungspolitik».

Berlin rutscht im Bildungsmonitor auf den letzten Platz

Mitten in die Parlamentsdebatte platze dann die nächste bildungspolitische Hiobsbotschaft: Bei einem neuen Ländervergleich zur Bildungsqualität belegt Berlin den letzten Platz (News4teachers berichtete). Im vergangenen Jahr rangierte die Hauptstadt beim «INSM-Bildungsmonitor» unter den 16 Bundesländern noch auf Rang 13.

Auslöser für die Aktuelle Stunde im Parlament war der drohende Mangel an Schulplätzen in Berlin. Nachdem zunächst von bis zu 26.000 fehlenden Plätzen in zwei Jahren die Rede war, hatte Scheeres am Dienstag neue, «realistische» Prognosen vorgelegt. Demnach fehlen zum Schuljahr 2021/2022 bis zu 9500 Plätze, wenn Senat und Bezirke nicht gegensteuern. Um die Lücke zu schließen, soll das milliardenschwere Schulbauprogramm der rot-rot-grünen Koalition beschleunigt werden.

Im Abgeordnetenhaus versprach Scheeres, dass auch künftig ausreichend Schulplätze in der wachsenden Hauptstadt zur Verfügung stehen werden. «Eltern müssen sich in Berlin keine Sorgen machen», sagte sie. «Denn es wird auch 2021 so sein, dass alle Kinder einen Schulplatz erhalten.» Senat und Bezirke arbeiteten sehr hart daran. Das sei eine Herausforderung. Von einer Bildungskrise könne indes keine Rede sein.

Andere Vertreter der Koalition pflichteten Scheeres bei. Gleichzeitig unterstrichen sie, dass beim Schulbau mehr Tempo, neue kreative Ansätze und transparentere Verfahren nötig seien. SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic sagte, die von Rot-Rot-Grün gestartete Schulbauoffensive zeige erste Erfolge. 15.000 neue Schulplätze seien geschaffen worden, 18.000 weitere fest geplant.

Unterdessen sind in dem neuen Ranking des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der arbeitgebernahen «Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft» (INSM) zahlreiche Baustellen aufgelistet. In der beruflichen Bildung sind das etwa ein Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen oder die bundesweit höchste Azubi-Abbrecherquote von 39,3 Prozent. Im schulischen Bereich fiel den Experten negativ auf, dass in Berlin bei Vergleichsarbeiten ein relativ hoher Anteil der Schüler nicht die Mindeststandards erfüllt.

Bei der Integration von Ausländern bleibe ebenfalls viel zu tun: Von 4109 ausländischen Schulabgängern 2017 blieben 855 ohne Abschluss. Dies ergibt eine Schulabbrecherquote unter den ausländischen Jugendlichen von 20,8 Prozent (Bundesdurchschnitt: 18,1 Prozent).

Bei allen Problemen verweist die Studie aber darauf, dass Berlins Bildungssystem auch positive Seiten hat. Bei der Zahl der Unterrichtsstunden, dem Ausbau des Ganztages und der Lehrer-Schüler-Relation stehe die Hauptstadt gut da – beim Verhältnis Lehrer-Schüler an Gymnasien sogar am besten in Deutschland. Zudem trage die Hauptstadt in hohem Maße zur Ausbildung des Forschernachwuchses bei.

Berliner Grundschüler schneiden bei Vera regelmäßig schlecht ab

Scheeres steht wegen Qualitätsdefiziten an den Schulen schon länger in der Kritik. So schneiden Berliner Grundschüler der dritten Klasse bei bundesweiten Vergleichstests etwa in Deutsch oder Mathematik regelmäßig schlecht ab. Außerdem ist die Quote derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, in Berlin höher als anderswo. Je nach Erhebungsmethode lag sie 2017 bei 11,7 beziehungsweise 9,2 Prozent. Scheeres setzte dem ein «Qualitätspaket» entgegen, das unter anderem mehr Deutsch- und besseren Mathematikunterricht an Grundschulen beinhaltet.

Hinzu kommt der Lehrermangel, der indes auch andere Bundesländer beschäftigt. Fast zwei Drittel der 2.734 in diesem Schuljahr eingestellten Lehrkräfte sind Quer- oder Seiteneinsteiger ohne pädagogische Ausbildung. Berlin ist das einzige Bundesland, das Lehrer nicht verbeamtet. Daher wandern manche ab. Allerdings hat der Senat diverse andere Maßnahmen ergriffen, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen und mehr Pädagogen auszubilden. Dazu gehört eine bessere Bezahlung von Lehrern. dpa

Scheeres räumt ein: 9.500 Schulplätze fehlen 2021 – wenn nicht…

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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Es ist lächerlich aus meiner Sicht, aufgrund dieser Rangfolge (dieses Rankings, wie die Anglisten gerne sagen) der Berliner Bildungspolitik einen Strick zu drehen. Wo es mehr ältere (aber erfahrene) Lehrer gibt, schneidet man nach dieser Studie schlechter ab als dort, wo es mehr junge (aber unerfahrene) Lehrer gibt – wenn alle anderen Bedingungen gleich wären. Aber warum ist Erfahrung eigentlich ein Negativwert???

Selbstverständlich hat Berlin mit einem sehr hohen Anteil an Migranten, Brennpunktschulen, sozialen Gettos andere Bedingungen zu meistern als andere!

(Natürlich können trotzdem bildungspolitische Maßnahmen und Weichenstellungen falsch sein. Bekanntlich investiert Berlin ja lieber in Lehrergehälter als in Maßnahmen, die in den Schulen und bei den Schülern ankommen.)