Alle zwei Wochen in den Betrieb statt in die Schule: Neue „Praxislerntage“

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MAGDEBURG. Auf die Frage, was sie mal werden sollen, gucken Kinder und Jugendliche nicht selten ratlos und zucken mit den Schultern. Sachsen-Anhalt testet ein Schulfach, das die Wahl ein bisschen erleichtern soll.

Hat sich etwas einfallen lassen: Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner. Foto: Steffen Prößdorf / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Alle 14 Tage einen ganzen Tag in den Betrieb statt ins Klassenzimmer: In Sachsen-Anhalt testen Jugendliche an 20 Schulen, wie sich die sogenannten Praxislerntage umsetzen lassen. Damit soll die spätere Berufswahl leichter fallen, wie die Organisatoren am Mittwoch zum Auftakt in Magdeburg sagten.

Konkret geht es darum, dass Acht- und Neuntklässler über zwei Jahre hinweg alle zwei Wochen einen Tag in einem Unternehmen mitarbeiten statt in die Schule zu gehen. Alle sechs Monate sollen die Jugendlichen den Betrieb wechseln, um mehrere Berufe kennenzulernen. Wirtschaftsvertreter fordern schon lange mehr Berufsorientierung an den Schulen.

Zunächst sind 15 Sekundar- und vier Gemeinschafts- sowie eine Förderschule dabei. Im Spätsommer 2020 sollen neun weitere dazu kommen. Mit dabei ist zum Beispiel die Sekundarschule Elsteraue aus Reuden im Burgenlandkreis. Sie lässt ab Februar 45 Achtklässler zu den Praxislerntagen ausschwärmen. «Uns ist es wichtig, dass die Schüler nach ihrem Abschluss in der Region bleiben können und hier einen Job finden», begründete Schulleiterin Ines Kerta die Entscheidung, ihre Einrichtung für die erste Testphase anzumelden.

Die Schule sucht schon länger Unternehmen, die mitmachen. 40 Betriebe sind fest an Bord. «Von der Landwirtschaft über Autohäuser bis hin zur Mibrag ist alles dabei», sagte Kerta. Auch die Schülerinnen sind gespannt auf das neue Fach: «Wir hoffen, dass es Spaß macht», sagt eine. Es sei eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, welcher Beruf passen könnte und welcher nicht, findet eine andere.

Auf Unternehmensseite ist etwa die Deutsche Bank als Projektpartner dabei. Die Jugendlichen bekämen ein Trainingsbuch, das ihnen die Bankenwelt erkläre – und einen Ausbilder zur Seite, sagte der Bereichsleiter für das Privatkundengeschäft in Sachsen-Anhalt, Mike Röseler. «Dann machen sie die Tippeltappeltour, vom Service über Beratung und vielleicht mal Chef für einen Tag, warum nicht?»

Es gebe schon zahlreiche Zusagen aus dem Kreis der 6700 Ausbildungsbetriebe im Land, versicherte Stefanie Klemmt, die als Geschäftsführerin bei der Industrie- und Handelskammer in Magdeburg für die Berufsbildung zuständig ist. Obwohl das für die Betriebe zusätzlichen Aufwand bedeutet, weil die Jugendlichen angelernt und betreut werden müssen, ist die Bereitschaft hoch. Denn die Wirtschaft beklagt, dass viel zu viele Azubis ihre Lehre abbrechen. «Nicht selten, weil es nicht der richtige Beruf ist.» Die Kammern könnten bei der Vermittlung zwischen Schulen und Betrieb helfen, auch für Praktikumsplätze abseits der Praxislerntage, so Klemmt.

«Mir liegt das Projekt sehr am Herzen», sagte Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Er verlängerte die Testphase bereits zum Start von geplanten drei auf fünf Jahre. Sein Ministerium geht davon aus, dass noch deutlich mehr Schulen sich beteiligen werden. «Das beruht auf Freiwilligkeit und ist keine Zwangsbeglückung, auch wenn ich hoffe, dass wir es am Ende flächendeckend ausrollen können.» dpa

 

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flunra39
4 Jahre zuvor

Mit 30jähriger Verzögerung scheint sich die CDU nun wenigstens formal an die „Tage in der Produkton“ zu erinnern: Weiter so !