Der Dauerstreit um die Schulen könnte Schwesig ihr Amt als Ministerpräsidentin kosten

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SCHWERIN. Trotz zusätzlicher Millionen für die Bildung sieht das Bündnis für gute Schule in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin erhebliche Defizite im Bildungssystem des Landes. Neben einer oft mangelhaften Ausstattung der Schulen beklagten die dem Bündnis angehörenden Lehrer-, Schüler- und Elternverbände in Schwerin vor allem Lücken in den Lehrerkollegien. Der Dauerstreit um die Schulen setzt der rot-schwarzen Landesregierung zu: Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) um ihr Amt fürchten muss.

Ihr macht die Schulpolitik zu schaffen: Manuela Schwesig, Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern. Foto: SPD / Susie Knoll

Der Elternrats-Vorsitzende Kay Czerwinski warnte vor der Gefahr eines «systematischen Versagens der gesamten Bildung». Zum Schuljahresbeginn habe er wegen Unterrichtsausfällen erneut viele Briefe bekommen. «Die Erosion hat längst begonnen. Eltern sind besorgt und teilweise auch ohnmächtig», berichtete Czerwinski.

«Schulen brauchen Politik, die alle Ressourcen für die Zukunft mobilisiert und dabei mutig nach neuen Wegen sucht. Seiteneinsteiger können und dürfen nicht die alleinige Lösung sein, um dem Lehrermangel zu begegnen», sagte die Landesvorsitzende der Schulleitungsvereinigung, Heike Walter. Nach ihren Angaben verfügte ein Drittel der zum neuen Schuljahr eingestellten 651 Lehrer nicht über eine pädagogische Ausbildung.

«Der Bedarf an Lehrer ist groß. Deshalb brauchen wir auch Seiteneinsteiger. Wir müssen sie aber auch sachgerecht ausbilden», sagte Walter und forderte Zusatzstunden für erfahrene Pädagogen, die als Mentoren fungieren. Zudem erneuerte sie die Forderung nach einer Reform der Lehrerausbildung, um mehr Praxisbezug herzustellen, und nach mehr Ausbildungsplätzen an den beiden Universitäten im Land.

GEW: Bedarf an Lehrern ist größer als bislang angenommen

Nach Angaben des GEW-Landesvorsitzenden Maik Walm ist der Bedarf an Lehrern größer als bislang angenommen. Bis 2030 benötige das Land 8.700 neue Lehrer, als Ersatz für altersbedingt ausscheidende Pädagogen und als Reaktion auf wachsende Schülerzahlen. «Das sind 80 Prozent der jetzt arbeitenden Lehrerinnen und Lehrer», machte der Gewerkschafter die Dimension deutlich. Die permanente Überlastung habe dazu geführt, dass 93 Prozent der Lehrer vor dem Erreichen des regulären Rentenalters schon mit 63 Jahren aus dem Schuldienst ausschieden. «Das Land will die Bildungsausgaben zwar um 50 Millionen Euro im Jahr aufstocken. Das aber kann nur ein erster Schritt sein» sagte Walm. Die von der Lehrergewerkschaft GEW vorgeschlagenen Stellenausstattung würde mit einem Plus von 300 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen.

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Leo Radloff vom Landesschülerrat appellierte an Regierung und Landtag, mit der geplanten Änderung des Landesschulgesetzes spürbare Verbesserungen auf den Weg zu bringen und für mehr Personal zu sorgen. «Wenn der Physikunterricht einmal ausfällt, freut man sich als Schüler über Extrafreizeit. Fällt er aber ein halbes Jahr aus, geht der Spaß am Lernen verloren», sagte er. Die Politik dürfe das Problem nicht auf die leichte Schulter nehmen. «Es geht um die Zukunft der Schüler, ob sie gute Bildung erhalten und die Chance auf gute Abschlüsse», betonte der Schülervertreter.

Das aus Sorge um die Bildungsqualität im Land gegründete Bündnis hatte sich bereits im März mit einem eindringlichen Appell an Regierung und Landtag gewandt und Nachbesserungen am neuen Schulgesetz verlangt. Daraufhin hatte das Parlament die Gesetzesbehandlung um ein halbes Jahr verlängert und die abschließende Beratung und Verabschiedung auf den Herbst verschoben. Elternrats-Chef Czerwinski beklagte, dass das Bündnis für gute Schule von den Koalitionsfraktionen SPD und CDU nicht informiert worden sei, welche Änderungen am Gesetzentwurf noch vorgesehen sind.

Bildungsministerin geht auf Kritik ein – Inklusion wird zeitlich gestreckt

Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) bescheinigte dem Bündnis, mit ihren Forderungen in einem konstruktiven Dialog bereits für Änderungen am Gesetzentwurf gesorgt zu haben. «Diese werden nun im parlamentarischen Verfahren umgesetzt», sagte sie. Als Beispiel nannte sie die Ausdehnung der Zeitspanne für die Umsetzung der Inklusionsstrategie. «Die Streckung bis 2028 gibt uns mehr Zeit, die Inklusion in der Schule voranzubringen. Die Landesregierung hat darüber hinaus ein 200-Millionen-Euro-Schulpaket gepackt, das uns für die kommenden Jahre weitere wichtige Spielräume eröffnen wird, wie bei der besseren Vergütung der Grundschullehrer mit A13/E13 und bei der Lehrerbildung», sagte die Ministerin. Die Zusatzmittel sollen vier Jahre lang mit jeweils 50 Millionen Euro zum Einsatz kommen.

Die Vorsitzende der Linksfraktion, Simone Oldenburg, unterstütze die Forderungen des Bündnisses. «50 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr reichen eben vorn und hinten nicht, um die rote Laterne in allen Bereichen der Schul- und Berufsbildung abzugeben», sagte sie. Mit kleinteiligen Sonderprogrammen ließen sich Missstände, «die durch jahrelange Sparorgien und Versäumnisse entstanden sind», nicht beseitigen. Bildung sei eine Investition in die Zukunft und müsse bezahlt werden. Deshalb werde ihre Fraktion in den Etatberatungen auch Vorschläge für zusätzliche Investitionen einbringen. dpa

Schwesig nach Umfragen ohne Mehrheit

SCHWERIN. Die in Mecklenburg-Vorpommern regierende SPD hat laut einer Umfrage in der Gunst der Wähler deutlich verloren und muss um ihre Rolle als stärkste politische Kraft bangen. Wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, käme die Nordost-SPD von Partei- und Regierungschefin Manuela Schwesig auf nur noch 22 Prozent. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag des NDR und der «Ostsee-Zeitung» hervor. Die Landtagswahl 2016 hatten die Sozialdemokraten trotz Stimmverlusten mit 30,6 Prozent noch deutlich gewonnen. Koalitionspartner CDU könnte gegenüber der Wahl vor drei Jahren leicht um zwei Punkte zulegen und käme auf 21 Prozent. Die AfD verlöre knapp einen Punkt und erreichte 20 Prozent.

Größter Gewinner wären laut Umfrage die Grünen. Derzeit nicht im Landtag vertreten, kletterten sie im Vergleich zum Wahlergebnis von 2016 gleich um gut sieben Punkte auf 12 Prozent – und erreichten damit das gleiche Ergebnis wie die Linken, die erneut leicht verlören. Die FDP – derzeit ebenfalls nicht im Landtag vertreten – käme der Umfrage zufolge auf 5 Prozent und müsste damit um einen Einzug ins Parlament zittern. Forsa befragte laut NDR und «Ostsee-Zeitung» vom 18. bis 23. September landesweit 1002 Wahlberechtigte.

Schwesig hatte angesichts des aktuellen Zustands der Bundespartei wohl mit einem noch schlechteren Umfragewert gerechnet. «Es ist sehr erfreulich, dass wir uns vom schlechten Bundestrend absetzen und stärkste Kraft im Land sind. Das zeigt, dass die SPD hier in Mecklenburg-Vorpommern gute Arbeit leistet, zum Beispiel mit der Einführung der beitragsfreien Kita», sagte sie. Die Schulpolitik erwähnte sie nicht. dpa

Schwesig spendiert Grundschullehrern A13 – Weil nicht. In Niedersachsen gibt’s für sie nur 94 Euro monatlich mehr. Brutto

 

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2 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

Um die angestrebte Abiturquote zu erreichen, muss man sich zwangsläufig nach den Schwachen richten. Materialien für wirklich Gute gibt es mangels Nachfrage kaum.

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Zitat: „Die Landesregierung hat darüber hinaus ein 200-Millionen-Euro-Schulpaket gepackt, das uns für die kommenden Jahre weitere wichtige Spielräume eröffnen wird, wie bei der besseren Vergütung der Grundschullehrer mit A13/E13 und bei der Lehrerbildung», sagte die Ministerin. Die Zusatzmittel sollen vier Jahre lang mit jeweils 50 Millionen Euro zum Einsatz kommen.“

Wie soll der aktuelle Lehrermangel gemildert oder gar beseitigt werden, wenn die, die jetzt bereits Lehrer in MeVo sind, künftig mehr verdienen, was – wie man liest – 50 Millionen pro Jahr verschlingt?

A 13 in MeVo ist wie A 12 in BaWü. Dann müsste man in MeVo schon auf A 14 für alle gehen, um mithalten zu können!!! Warum sind die, die jetzt in MeVo Lehrer sind, eigentlich nicht längst alle abgewandert? Sie könnten wohl überall mehr verdienen.