Gutachter: Lehrerin mit Kopftuch stört den Schulfrieden – Verbot ist rechtens

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BERLIN. Am Berliner Neutralitätsgesetz mit dem Kopftuchverbot für Lehrer an den Schulen scheiden sich die Geister. Ein neues Gutachten ändert daran nichts.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach religiöse Symbole im öffentlichen Dienst gleich zu behandeln sind, ist das Kopftuch im Schuldienst der meisten Bundesländer erlaubt. Foto: Shutterstock

Das Berliner Neutralitätsgesetz mit dem Kopftuchverbot für Lehrer ist einem neuen Gutachten zufolge verfassungskonform. Das Gesetz untersagt Pädagogen an allgemeinbildenden Schulen auch das Tragen anderer religiöser Symbole wie Kreuz oder Kippa. Es hatte zuletzt immer wieder für kontroverse Debatten auch innerhalb der rot-rot-grünen Koalition gesorgt.

In einem am Donnerstag vorgestellten Gutachten kommt der Gießener Rechtsprofessor Wolfgang Bock nun zu dem Schluss, dass es weder gegen das Grundgesetz noch gegen EU-Recht oder Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstößt. Eine Änderung des Gesetzes sei daher weder geboten noch zu empfehlen. Allerdings löst das die Kontroverse innerhalb der Koalition um das Gesetz nicht auf.

„Dieses Gesetz schützt Schülerinnen und Schüler vor Diskriminierung“

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) betonte, das Gutachten bestätige ihre Rechtsauffassung. «Dieses Gesetz schützt Schülerinnen und Schüler vor Diskriminierung.»

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sieht das anders. «Noch so viele Gutachten ändern nichts an der Rechtslage», erklärte er. «Das Bundesverfassungsgericht hat glasklar entschieden, dass pauschale Kopftuchverbote verfassungswidrig sind. So hat es auch das Landesarbeitsgericht entschieden. Der Bildungsverwaltung wird dies bald auch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt werden.»

Zuletzt hatten mehrere Urteile von Arbeitsgerichten in Berlin Zweifel am Neutralitätsgesetz aufkommen lassen. Im November 2018 hatte das Landesarbeitsgericht einer Muslimin 5159 Euro Entschädigung zugesprochen, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst übernommen wurde.

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Das Gericht erklärte seinerzeit, das Neutralitätsgesetz sei verfassungskonform auslegbar. Im konkreten Einzelfall sei allerdings keine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität durch das Kopftuch erkennbar gewesen. Dies sei nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von 2015 aber Voraussetzung für ein allgemeines Verbot religiöser Symbole an Schulen (News4teachers berichtete).

Der Senat will das Ganze nun höchstrichterlich prüfen lassen und hatte Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichtes beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus. Vor der Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit ist laut Bildungsverwaltung momentan noch ein weiteres Verfahren wegen mutmaßlicher Diskriminierung einer muslimischen Lehrerin anhängig.

Gutachten: Kopftuch einer Lehrerin ist „Faktor für die Entstehung von Konflikten“

Rechtswissenschaftler Bock schreibt in seinem Gutachten, das Verbot «religiös ausdrucksstarker Kleidung» wie des islamischen Kopftuchs sei angesichts bestehender religiös-kultureller Konflikte an den Schulen, die auf der dort verbreiteten islamischen Religionskultur fußten, recht- und verhältnismäßig. Wenn eine Lehrerin ein islamisches Kopftuch trage, sei das vorhersehbar ein Faktor für die Beförderung und Entstehung solcher Konflikte und für eine Störung des Schulfriedens.

Die Grünen-Abgeordneten Bettina Jarasch und Sebastian Walter verwiesen darauf, dass es bereits andere Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Neutralitätsgesetzes mit unterschiedlichen Ergebnissen gebe. «Diese Frage lässt sich nicht final durch ein Gutachten entscheiden, sondern nur durch höchstrichterliche Klärung.»

Auch die Linke-Bildungspolitikerin Regina Kittler setzt auf das Bundesarbeitsgericht. «Ein Gutachten kann den Ausgang dieses Verfahrens nicht vorwegnehmen», sagte sie im Gespräch. In ihrer Partei und Fraktion gibt es Kittler zufolge unterschiedliche Auffassungen, ob das Neutralitätsgesetz beibehalten werden sollte. Sie persönlich sei dafür «aufgeschlossen», so die Linke-Abgeordnete.

Nach Einschätzung der kirchenpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Cornelia Seibeld, bringt das Gutachten hingegen Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Neutralitätsgesetzes. «Es war und ist richtig, dass die demonstrative zur Schaustellung des islamischen Kopftuches in öffentlichen Einrichtungen und im öffentlichen Dienst nicht geduldet werden kann.» FDP-Politiker Paul Fresdorf forderte: «Künftig dürften keine Vergleiche oder Schadensersatzzahlungen seitens des Berliner Senates in Sachen Neutralitätsgesetz geschlossen werden.» dpa

Regierungschef Müller hält an Kopftuchverbot für Lehrerinnen fest

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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Ein Kopftuch finde ich harmlos. Eine Gesichts-Total-Verhüllung finde ich inakzeptabel.

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Wie ich gerade „nebenan“ schrieb, gibt es ja das ungeschriebene Gesetz, Kopfbedeckungen im Unterricht abzunehmen – was übrigens für beide Geschlechter gilt. Vielleicht könnte das der Kompromiss sein (Gleichberechtigung).

Wenn wiederum Kopftücher als Ausdruck sexueller Unterdrückung/religiöser Manipulation für Kinder unter 14 verboten werden sollen, warum bleiben dann Beschneidungen bei Kindern unter 14 Jahren erlaubt? (Ich weiß, es gab schon einmal die Forderung nach einem solchen Verbot.)

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Die minderjährigen Kinder müssen zumindest glaubhaft der Beschneidung zustimmen können, zustimmen und in ausreichendem Umfang über den Eingriff aufgeklärt worden sein.
Ob diese Aufklärung in vollem Umfang und in jedem Fall erfolgt ist, kann man als indirekt Beteiligter an derartigen operativen Eingriffen nicht immer beurteilen, da man sich auch keiner stark emotional gefärbten Kritik und Angriffen ausgesetzt sehen will.
Diese Tabuzone in unserer aufgeklärten Welt grenzt derartige Nachfragen aus.
Käme man aber andererseits dem Wunsche der Eltern nicht nach, würden derartige Eingriffe eben unter sehr viel ungünstigeren Bedingungen für die Jungen in deren Ursprungsländern durchgeführt werden.
Niemand kann aber dazu gezwungen werden, sich an derartigen rituellen Handlungen zu beteiligen.