Schülerin mit Diabetes kollabiert auf Klassenfahrt – und stirbt. Staatsanwalt ermittelt gegen Lehrer wegen fahrlässiger Tötung

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MÖNCHENGLADBACH. Nach dem Tod einer 13-jährigen Schülerin auf einer Klassenfahrt in London ermittelt die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach gegen Lehrer wegen fahrlässiger Tötung. Mitschüler sollen bei dem Aufenthalt darauf hingewiesen haben, dass es dem zuckerkranken Mädchen nicht gut gehe. Die begleitenden Lehrer sollen sich zu spät um die Schülerin gekümmert haben.

Möglicherweise müssen sich die begleitenden Lehrer vor Gericht verantworten. Foto: pxhere

Der Anwalt, Klaus Voßmeyer, erstattete Anzeige aufgrund der Schilderungen von Mitschülerinnen, die der Vater festgehalten habe. Demnach hatte sich die 13-Jährige bereits am Ankunftstag nach dem Essen übergeben. «Die Bemühungen der Kinder, einen Lehrer ausfindig zu machen, schlugen am Donnerstag fehl», sagte Voßmeyer. Als sich das Mädchen ständig weiter übergab, halfen ihm die Kinder zur Toilette und stellten schließlich einen Eimer hin, als die Mitschülerin immer schwächer wurde, wie Voßmeyer sagte.

Am nächsten Morgen seien dann mehrere Kinder zu den Lehrern gegangen und hätten die Lage geschildert. Niemand habe nach dem Mädchen geschaut. «Die Kinder haben sich bemüht, selber damit fertig zu werden.» Sie sollten in Absprache mit einer Lehrerin auf die 13-Jährige aufpassen.

Zwei Tage lang soll kein Lehrer nach der Schülerin geschaut haben

Erst Samstagvormittag soll dann eine Lehrerin bei der kranken Schülerin erschienen sein – weil die Abreise bevorstand. Da sei das Mädchen so schwach gewesen, dass es sich nicht mehr selbst aufrichten konnte, sagte Voßmeyer. Erst dann sei ein Rettungswagen bestellt worden. Das Mädchen starb nach seinen Angaben am Sonntag um 14 Uhr im Krankenhaus.

Der Anwalt wirft den Lehrern „Nachlässigkeit, die großen Schaden angerichtet hat“, vor. In Unterlagen für die Klassenfahrt sei vermerkt gewesen, dass das Mädchen Diabetikerin Typ 1 war. «Inwieweit das zutrifft und wie sich der Sachverhalt tatsächlich gestaltet, ist Gegenstand der Ermittlungen», erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag.

Tragischer Fall eines kollabierenden Schülers im Sportunterricht

Der Fall erinnert an die tragische Geschichte eines Abiturienten im Sportunterricht an einem Gymnasium in Wiesbaden, die im Frühjahr vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt wurde. Der seinerzeit 18-Jährige war zusammengebrochen  – und erlitt schwerste Hirnschäden durch Sauerstoffmangel. Die Lehrerin hatte zwar den Notarzt alarmiert, doch keine Laienreanimation durchgeführt.

Hätte das Schicksal des Jungen verhindert werden können? Der Bundesgerichtshof (BGH) betonte in seinem Urteil im April die Pflicht eines Sportlehrers zur rechtzeitigen Erste Hilfe und hob ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf, das keine Schuld bei der Lehrkraft hatte erkennen können. Die höchsten deutschen Zivilrichter eröffneten dem heute schwerstbehinderten jungen Mann damit eine Chance auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Der Prozess wird in Frankfurt neu geführt.

Der VBE nahm das Urteil zum Anlass, von den Ländern „verbindliche Regelungen für die Wahrnehmung von Erste Hilfe-Kursen” durch Lehrerinnen und Lehrer zu fordern. Auffrischungskurse seien „kein Privatvergnügen“. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

BGH urteilt: Wenn ein Schüler kollabiert, hat ein (Sport-)Lehrer die Pflicht zur Ersten Hilfe – Notarzt rufen, reicht nicht!

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3 Kommentare
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FElixa
4 Jahre zuvor

Auf welcher Klassenfahrt hat man von Mittags bis zum nächsten Morgen keinen Kontakt zu Lehrern? Selbst wenn die Lehrer fahrlässig gehandelt haben und nachmittags niemand anwesend war, bleiben diese doch nicht über Nacht der Unterkunft fern? Inwiefern da die Aussagen von den Schülern korrekt ist, sei mal dahingestellt.

Es wäre interessant eine Aussage der Lehrer zu hören. Bisher scheinen ja nur Schüler ihre Aussagen gemacht zu haben. Vermutlich wird sich die Wahrheit da auch nie finden lassen, sollten die Lehrer nicht entsprechend Aussagen.

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

FElixas Zweifel finde ich berechtigt. Erinnert sei an die Grundschülerin, die ihre Lehrerin laut Medien „krankenhausreif“ geschlagen haben soll, sie aber in Wirklichkeit „nur“ in den Arm gebissen hatte, was dann halt im Krankenhaus begutachtet und versorgt wurde.

Etwas Grundsätzliches zu diesem Thema lese ich bei einem bekannten Schulrechtsexperten:

„Nicht schon dann, wenn sich eine Entscheidung im Nachhinein als falsch erweist, sondern nur, wenn bereits in der Entscheidungssituation erkennbar war, dass sie falsch war, können Eltern und Lehrer für eine Fehlentscheidung verantwortlich gemacht werden. Die berechtigte Frage der Eltern: „Wie hätten wir das wissen können?“ dürfen demnach mit derselben Begründung auch Lehrer stellen. … (LG Neubrandenburg …).

Hier ging es um den Vorwurf gegenüber einer Lehrerin, dass sie für eine Schülerin, die durch einen Stich ins Auge verletzt worden war und deswegen erblindete, nicht sofort den Krankenwagen rufen und sie nicht in eine Augenklinik bringen ließ. Die Eltern hatte die Lehrerin hingegen informiert.

(Thomas Böhm: „Diese Note akzeptieren wir nicht“ – München 2019, S. 160)

Lilly Berger
4 Jahre zuvor

Die Symptome einer lebensgefährlichen Zuckervergiftung ähneln einer harmlosen Gastritis (Erbrechen, Übelkeit). Deshalb nahmen die Lehrer die Schüler nicht ernst.
Als bei mir im Jahr 2000 Typ 1 Diabetes diagnostiziert wurde, glaubten meine Eltern auch zunächst an Gastritis und holten bei Erbrechen und Bauchschmerzen nicht gleich den Arzt. Erst nachdem ich Atembeschwerden bekam, wurde nach 3 Tagen der Notarzt gerufen und 500 Zucker gemessen. 3 Tage kämpften die kämpften die Ärzte auf der Intensivstation um mein Überleben, es stand auf Messers Schneide…