Was tun gegen Lehrermangel? Philologenverband: Viel – aber nicht „A13 für alle“

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BERLIN. Der Lehrermangel an den Grundschulen fällt deutlich größer aus als erwartet, wie eine gestern veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Und der Philologenverband erwartet von den Kultusministern der Länder nun „echte Ursachenanalysen und Lösungsvorschläge, die den Lehrkräftemangel tatsächlich beheben“. Propagiert werde derzeit jedoch eine „teure Symbolpolitik“, meint Verbandschefin Susanne Lin-Klitzing  – gemeint ist damit die Forderung von VBE und GEW, insbesondere Grundschullehrer mit Gymnasiallehrern finanziell gleichzustellen, um die Grundschulen für den Berufsnachwuchs attraktiver zu machen.

„Das Problem des „Schweinezyklus“ muss bei der Lehrkräfteeinstellung besser und langfristiger angegangen werden“: Prof. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Philologenverbands. Foto: DPHV

Die Bertelsmann Stiftung hatte gestern eine Prognose veröffentlicht, nach der bis zum Jahr 2025 bundesweit mindestens 26.300 Lehrer an Grundschulen fehlen. Die KMK war bislang von einem Fehlbedarf von rund 15.000 Lehrern ausgegangen. Um dem Lehrermangel kurzfristig begegnen zu können schlägt die Bertelsmann Stiftung die „Qualifizierung von Personen ohne Lehramtsbefähigung für die Grundschule“ vor. Das betreffe neben Gymnasiallehrkräften auch die sogenannten Quereinsteiger, also Personen mit Fachstudium, aber ohne Lehramtsabschluss. Diese gelte es, so Stiftungsvorstand Jörg Dräger, umfassend berufsbegleitend zu qualifizieren und mit Mentorenprogrammen erfolgreich in die Kollegien zu integrieren.

Auch sollten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um das Potenzial der bereits aktiv tätigen Grundschullehrkräfte auf freiwilliger Basis auszuschöpfen: Angehende Ruheständler könnten ermuntert werden, länger zu unterrichten. Unterstützungsmaßnahmen zur Vereinbarkeit von Lehrerjob und Familie sollten Lehrkräften in Teilzeit ermöglichen, ihr Unterrichtspensum zu erhöhen. Dräger fordert zudem: „Zukünftig sollten die Bedarfsprognosen jährlich aktualisiert werden, um schneller auf die demographische Entwicklung reagieren zu können.“ Nur so ließen sich Überraschungen vermeiden und mehr Zeit für politische Reaktionen gewinnen.

Zu geringe Eingangsbesoldung? Ist laut Philologen nicht die Ursache

Der Philologenverband unterstütze die Lösungsvorschläge der Bertelsmann Stiftung, so heißt es nun. Die Ursachen für den derzeitigen Lehrkräftemangel überwiegend an den Grundschulen sieht Verbandschefin Susanne Lin-Klitzing in früher viel zu wenigen Studienplätzen sowie in der Verlängerung der Studiendauer des Grundschullehramtes in den Ländern, die auf Bachelor/Master für das Lehramt umgestellt haben – und nicht in einer grundsätzlich zu geringen Eingangsbesoldung, wie sie betont.

„Zulagen für die jetzt betroffenen Kollegen und Kolleginnen, die aufgrund der kollegialen Mangelsituation hohen Belastungen ausgesetzt sind, sowie mehr und höhere Beförderungsstellen sind notwendig,“, meint Lin-Klitzing und hofft, dass dadurch bereits im Dienst befindliche und gut ausgebildete Lehrkräfte zusätzlich motiviert werden, Teilzeit aufzustocken oder auch Vollzeitstellen zu übernehmen. „Zusätzlich und zukünftig muss das Problem des „Schweinezyklus“ bei der Lehrkräfteeinstellung jedoch besser und langfristiger angegangen werden!“, fordert die Philologen-Vorsitzende. Über die Lösungsvorschläge der Bertelsmann-Studie hinaus schlägt sie deshalb folgende konkrete sieben Maßnahmen vor:

  1. „Umgehend ist die Zuverdienstgrenze für pensionierte Lehrkräfte auszusetzen, damit diese in genau dem hohem Stundenmaß eingesetzt werden können, wie es ihnen selbst möglich und der aktuell notwendigen Unterrichtsversorgung dienlich ist, ohne dass die Pensionäre deshalb finanzielle Einbußen erleiden. „
  2. „Die länderspezifisch unterschiedlich betroffenen Kultus- und Wissenschaftsministerinnen und -minister nutzen im direkten Kontakt mit den Universitäten die jetzige Akademikerfülle, um in den jeweiligen Studienabschlussjahrgängen für einen Wechsel in die betroffenen Lehramtsstudiengänge zu werben.“
  3. „Umgehend ist ein jährlicher Einstellungskorridor für die besten Referendarinnen und Referendare in jedem Fach in jeder Schulart einzurichten. Kultus- und Finanzminister stellen also in jeder Schulart qualitätsorientiert über den aktuellen Bedarf ein, um so bestehendem und zukünftigem Lehrkräftemangel begegnen zu können und Wechseloptionen auf Wunsch in andere Lehrämter zu ermöglichen. Eine 130-prozentige Unterrichtsversorgung ist planerisch umzusetzen, damit eine reale 100-prozentige Unterrichtsversorgung und phasenweises Teamteaching ermöglicht werden.“
  4. „Quer- und Seiteneinsteigende müssen sehr gut an den Universitäten nachqualifiziert werden, bevor sie in ein Referendariat gehen. Sachsen hat hierzu ein beispielhaftes Modell modularer Nachqualifikation entwickelt, das der Kultusministerkonferenz als Standard dienen sollte. Die KMK muss sich auf gemeinsame hohe Standards dieser Nachqualifikation einigen.“
  5. „Ein vereinfachtes Modell des Lehrkräfteaustauschs zwischen den Ländern ist endlich umzusetzen.“
  6. „Grundsätzlich ist eine jährlich aktualisierte, schulartspezifische Schüler- und Lehrkräftebedarfsprognose auf der Basis aktueller Meldungen des statistischen Bundesamts und der vorausgegangenen zeitlich parallelen Meldungen der statistischen Landesämter zu erstellen. Auf der Basis dieser Daten sind mindestens 10% mehr Studienplätze für die jeweiligen Lehrämter einzurichten. Es werden in jedem Land dementsprechend ausreichend Referendariatsplätze zur Verfügung gestellt und anschließend entsprechend hohe Einstellungen über Bedarf, wie unter 3. ausgeführt, vorgenommen.“
  7. „Für die jetzigen und zukünftigen Mangelfächer im Lehramt, insbesondere auch im naturwissenschaftlichen Bereich, werden attraktive Stipendien ausgelobt.“

Philologen fordern Reform der Kultusministerkonferenz

„Anlässlich dieser notwendigen, langfristig zu verfolgenden Neuerungen gegen die Einstellungspraxis im ‚Schweinezyklus‘ fordere ich die KMK erneut auf, sich zu reformieren: keine einjährige, sondern eine mindestens dreijährige Amtszeit einer erfahrenen Kultusministerin oder eines erfahrenen Kultusministers, nicht mehr im Neben- sondern im Hauptamt!“, so sagt Lin-Klitzing. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Eine Lehrerin kommentiert auf der Facebook-Seite von News4teachers:

Eine Lehramtsstudentin antwortet ihr auf der Facebook-Seite von News4teachers:

A13 für alle Lehrer? Philologen kündigen harten Widerstand an – sie beharren auf mehr Geld für Gymnasiallehrer

 

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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Die Forderungen der Philologen finde ich richtig und unterstützenswert. Gestern sagte im Fernsehen der gegenwärtige KMK-Präsident, der Lehrermangel läge nicht an den Gehältern, denn es mangle nicht an Interessenten für den Lehrerberuf, sie hätten alle Ausbildungsstellen besetzt. Es mangelt(e) einfach nur an Ausbildungsplätzen in der letzten Zeit. Da war viel eingespart worden. Dummerweise.

Ansonsten stimme ich Heike Heike zu, die bei Facebook schrieb (fast mein jahrelanges Reden):

„Ich bin diese Debatte über A13 oder nicht A13 so leid. Merkt denn niemand , dass diese Diskussion doch wohl eigentlich nur dazu dient, die Lehrerschaft untereinander zu spalten und von den eigentlichen Problemen abzulenken. Ich bin selbst Grund- und Hauptschullehrerin …..sicher wäre mehr Geld nicht schlecht, aber meint irgendwer ernsthaft, dass deswegen mehr Menschen Lehrer werden wollen? Was ich mir viel dringender wünsche, ist eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Ich mache meinen Job bisher noch gerne, aber wenn ich mit dem Wissen darüber nochmal vor der Wahl stünde, würde ich den Job nicht mehr wählen. Als Lehrer bist du an allem schuld, was schief läuft………….Schule muss dies, Schule muss das, Schule muss jenes……Eltern mischen sich immer mehr in teilweise unmöglicher Form in den Schulalltag ein…….als Lehrer musst du mittlerweile jeden „Furz“ dokumentieren………man ist mehr mit Papierkram , Konferenzen, Sitzungen, Elterngesprächen usw. usw. als mit seinen Schülern beschäftigt………und die Schüler selbst werden auch nicht einfacher…..dazu kommt noch die zusätzliche Belastung durch fehlende Lehrer und Vertretungskräfte, größere Klassen……usw…..diese Belastungen nehmen an allen Schulformen in unterschiedlicher Ausprägung zu…….warum schließen wir uns nicht solidarisch zusammen und fordern bessere Arbeitsbedingungen? „Die da oben“ haben doch gar kein Interesse daran, weil das viel teurer wäre, als einfach mal ( wenn es denn überhaupt so kommen sollte)den Grundschullehrern A13 zu geben.“