Die AfD sammelt persönliche Daten von Lehrern – keiner fühlt sich zuständig

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STUTTGART. Die AfD hat in Baden-Württemberg bundesweit ihr nunmehr siebtes „Meldeportal“ in Betrieb genommen. Die Seite, über die Schüler und Eltern – auch anonym – parteikritische Lehrer namentlich melden sollen, steht wegen möglicher Datenschutzverstöße in der Kritik. Überprüft wird das aber nicht. Denn dafür fühlt sich niemand zuständig.

Das Internet alleine macht auch nicht schlau. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de
Welche Daten sammelt die AfD über Lehrer? Das weiß niemand. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de

Das umstrittene AfD-Meldeportal «Faire Schule» kann vorerst nicht auf mögliche datenschutzrechtliche Verstöße hin untersucht werden. Weder Landtagsverwaltung noch Landesdatenschutzbeauftragter sind eigenen Angaben zufolge zuständig für die entsprechende Bewertung des von der AfD-Fraktion betriebenen Portals. Auf der Plattform können Schüler und Eltern seit vergangener Woche «Vorfälle» an Schulen melden. Parteien und Gewerkschaften hatten die AfD wegen des Portals scharf kritisiert. Außerdem wurden datenschutzrechtliche Bedenken laut.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hatte am Montag mitgeteilt, er sei nicht zuständig, da die AfD-Fraktion und nicht etwa die Partei das Portal betreibe. Die parlamentarische Arbeit ist gesetzlich besonders geschützt. Deshalb müsse sich das Parlament im Rahmen seiner eigenen Datenschutzordnung damit befassen (News4teachers berichtete).

Was geschieht mit den Lehrerdaten, die die AfD übermittelt bekommt?

Die Landtagsverwaltung teilte nun aber mit: «Die Datenverarbeitung durch das Onlineportal fällt nicht in den Anwendungsbereich der Datenschutzordnung des Landtags.» Denn diese gelte nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben des Landtags. Der Betrieb eines Online-Portals falle nicht darunter. Mangels anderweitiger Vorschriften sei der Landtag daher generell nicht zuständig.

Laut Landtagsverwaltung sind die Fraktionen selbst für den Schutz personenbezogener Daten verantwortlich. «In diesem Bereich gibt es kein geschriebenes Datenschutzrecht», hieß es. Die parlamentarische Tätigkeit des Landtags – einschließlich der Fraktionen – falle nicht unter das Recht der Europäischen Union, also auch nicht in den Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Der Datenschutz-Experte der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl, sagte: «Das klären wir. Das wird Thema der nächsten Präsidiumssitzung.» Brink sagte, Bürger, die sich durch die Plattform in ihren Rechten verletzt sehen, stünden nicht rechtlos da. Sie könnten ihr verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor Gerichten geltend machen. Es handle sich um eine «Regelungslücke», was die Überprüfung auf Datenschutz-Verstöße angeht.

«Im schwierigen Spannungsfeld zwischen Datenschutzgrundverordnung und der Ausübung der mandatsbedingten Tätigkeit versucht die AfD an die Grenzen des geltenden Rechts zu gehen», sagte der Sprecher der SPD-Fraktion für Datenschutz, Jonas Weber. «Meiner Auffassung nach geht die AfD aber über die Grenze des Rechts hinaus.» Ein rechtsfreier Raum bestehe jedoch nicht.

Laut dem Grünen-Politiker Sckerl weist die Plattform «schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel» auf. Datenschutzwidrig sei etwa der Umgang mit Altersgrenzen.

AfD: „Fachleute“ sorgen für  Datenschutz bei den Lehrer-„Meldeportalen“

Die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte kritisiert, personenbezogene Daten, aus denen eine politische Meinung hervorgeht, dürften laut Datenschutzgrundverordnung nur bei einem erheblichen öffentlichen Interesse erhoben werden. Auf der vergangene Woche freigeschalteten Seite können «Vorfälle» aus Rubriken wie «Gewalt an der Schule» und «Mobbing», aber auch «politische Beeinflussung» und «Neutralität» gemeldet werden. Der AfD-Bildungsexperte Rainer Balzer sagte, Fachleute hätten sich darum gekümmert, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Seit Herbst 2018 hat die AfD schon in mehreren Bundesländern solche Portale online gestellt. In Mecklenburg-Vorpommern hatte der dortige Landesdatenschutzbeauftragte im September ein entsprechendes Portal verboten. In dem Bundesland war das AfD-Portal von der Partei betrieben worden, nicht wie in Baden-Württemberg von der Fraktion. dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Verunsicherte Lehrer, verängstigte Schüler: Wie die AfD mit ihrem Psychoterror Angst und Schrecken in die Schulen trägt

 

 

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4 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

Fühlt sich niemand zuständig oder ist das alles nicht so dramatisch, wie es gemacht wird? Ich tendiere zu letzterem, weil man laut Homepage neben „politisch inkorrekten Lehrern“ auch „Unterrichtsausfall, defekte Toiletten, […] Gewalt auf dem Schulhof“ melden kann. Leider bzw. glücklicherweise kann man nicht die Nutzerzahlen und die Kategorien dieser Meldemöglichkeit einsehen.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

Ausgerechnet die Partei, deren feingeistig verträumter Volksempfänger Höcke und seines ihm treu ergebenen rechten Flügels auf Grund seiner Ziele vom Verfassungsschutz zu Recht beobachtet wird, dessen politische Ziele gegen die freiheitlichen Grundrechte der Bürger gerichtet sind, die unser demokratische Gemeinwesen hin zu einem autoritären Staatsgebilde umwandeln sollen, diese Partei richtet also weiterhin Portale der Denunziation gegen demokratisch gesinnte und kritisch reflektierende Lehrer ein, die sich unserem demokratischen und freiheitlichen Staatswesen verpflichtet fühlen.

Pälzer
4 Jahre zuvor

Erst die Berichterstattung macht diese dubiosen „Portale“ bekannt.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Wie sonst als über die Medien wird Wissen denn sonst noch weiterverbreitet.
Sollte die Berichterstattung über diese Denunziationsportale aus den oben angeführten Gründen unterbleiben, damit die AfD weiterhin ungestört Daten über kritisch reflektierende Lehrer und Schüler sammeln kann ?