Politische Bildung: Das Internet rangiert als Informationsquelle für Jugendliche weit vor der Schule – trotz der Allgegenwart von Fake News

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DÜSSELDORF. Die große Mehrheit junger Menschen in Deutschland hält sich regelmäßig über das politische Geschehen auf dem Laufenden und sucht sich in dem breiten Angebot an digitalen wie analogen Informationskanälen gezielt Nachrichtenquellen. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) informiert sich täglich oder sogar mehrmals täglich über politische Themen. Die Schule ist dabei allerdings nur für ein Drittel der Jugendlichen relevant. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Befragung 14- bis 24-Jähriger in Deutschland über das Informationsverhalten zu politischen Themen im Auftrag der Vodafone Stiftung.

Viele Jugendliche engagieren sich aktuell im Rahmen von Fridays for Future. Foto: Shutterstock

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass sich die große Mehrheit der 14- bis 24-Jährigen in Deutschland aufgeklärt und differenziert durch die vielen verfügbaren Informationsquellen zu politischen Nachrichten bewegen.

So hält sich die große Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland regelmäßig über das politische Geschehen auf dem Laufenden. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) informiert sich täglich oder sogar mehrmals täglich über politische Themen. Fast drei Viertel (72 Prozent) der Befragten informieren sich mindestens einmal die Woche darüber: Der Mehrheit junger Menschen, die das politische Geschehen regelmäßig verfolgen, steht eine bedeutende Minderheit gegenüber, die nur sehr wenig Anteil daran nimmt. Mehr als jede/-r Achte (15 Prozent) informiert sich seltener als einmal im Monat über politische Themen. Unter den jungen Menschen mit einem niedrigen formalen Bildungshintergrund informiert sich sogar fast jede/-r Vierte (24 Prozent) derart selten über Politik, während es unter den Befragten mit einem formal hohen Bildungshintergrund immerhin noch 7 Prozent sind.

Mehr als die Hälfte der befragten 14- bis 24-Jährigen interessierten sich stark oder sehr stark für vier im Frühjahr 2019 breit diskutierte gesellschaftspolitische Themen. Das größte Interesse galt dabei den Wahlen zum Europäischen Parlament (58 Prozent), die unmittelbar vor der Befragung stattfanden. Mehr als jeder Zweite äußerte großes Interesse am anspruchsvollen Thema der Reform des Urheberrechts durch die EU (53 Prozent) sowie an der „Fridays for Future“-Bewegung (51 Prozent). Einen leicht geringeren Stellenwert nimmt lediglich das Thema Brexit ein, an dem nur 40 Prozent der jungen Menschen ein starkes oder sehr starkes Interesse bekunden.

Demokratiebildung: Kostenloser Online-Kurs für Lehrer

„Schule ist ein zentraler Ort, an dem junge Menschen Demokratie und Engagement lernen, erfahren und gestalten können.“ Foto: Shutterstock

Die Demokratiebildung in der Schule hat im Zuge der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen an Bedeutung gewonnen. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich als Part der Gesellschaft zu begreifen, der diese aktiv verändern kann. Doch wie können Lehrkräfte dies erreichen? Unterstützung bietet der kostenlose Online-Kurs „Citizenship Education – Demokratiebildung in Schulen“, den die Bertelsmann Stiftung zusammen mit dem Institut für Didaktik der Demokratie an der Leibniz Universität Hannover entwickelt hat.

Hier gibt es weitere Informationen.

Die überwiegende Mehrheit (69 Prozent) gibt persönliche Gespräche mit Freunden oder Familie als Informationsquelle zu politischen Themen an. Fast ebenso viele nutzen Nachrichtenseiten im Internet oder Nachrichten-Apps (67 Prozent). An dritter und vierter Stelle stehen Fernsehen (58 Prozent) und Radio (42 Prozent). Die Schule kommt mit 36 Prozent erst auf Platz 6 – hinter Google (37 Prozent). Bei den sozialen Medien führt YouTube die Informationsquellen zu politischen Themen (32 Prozent) vor Facebook, Instagram und Twitter an. Auf welchen Kanälen sich junge Menschen bewegen, hängt dabei aber maßgeblich von der Aktivierung durch das konkrete Thema ab. So dominierten bei der Debatte um das Urheberrecht, welches im Besonderen durch das Engagement junger Menschen geprägt war, soziale Medien als Informationsquelle (52 Prozent). Zum Thema Brexit geben dagegen 70 Prozent klassische Medien (Fernsehen, Radio und Zeitungen) und nur 22 Prozent soziale Medien (YouTube, Facebook, Instagram, Twitter) als Informationsquelle an.

Junge Menschen informieren sich zwar häufig über soziale Medien zu politischen Themen, bringen ihnen aber nur wenig Vertrauen entgegen. Nur 22 Prozent derer, die Twitter nutzen, um sich über politische Themen zu informieren, stufen den Kurznachrichtendienst auch als besonders vertrauenswürdige Quelle eine. Für YouTube (18 Prozent), Instagram (10 Prozent) und Facebook (8 Prozent) sind die Vertrauenswerte sogar noch niedriger. Klassische Medien und Nachrichtenseiten genießen dagegen mit Werten von über 50 Prozent sehr viel mehr Vertrauen unter ihren Nutzerinnen und Nutzern:

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Falschnachrichten sind für junge Menschen ein alltägliches Phänomen in der Online-Medienlandschaft. Rund zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) geben an, mindestens einmal in der Woche mit Falschmeldungen in Kontakt zu kommen. Knapp jede/r Achte (12 Prozent) stößt sogar mehrmals täglich auf Falschnachrichten. Immerhin 60 Prozent der Befragten suchen immer oder meistens nach Alternativquellen, wenn sie am Wahrheitsgehalt einer Nachricht zweifeln. Wer sich häufiger politisch informiert, nutzt dabei auch häufiger Alternativquellen. Von denen, die sich seltener als einmal in der Woche über politische Themen informieren, suchen nur 37 Prozent immer oder meistens nach Alternativquellen.

Mehr als 40 Prozent der jungen Menschen fühlen sich allerdings unsicher oder sogar sehr unsicher, Falschmeldungen als solche erkennen zu können. Jugendliche geben eher Unsicherheit beim Erkennen von Falschnachrichten an (46 Prozent) als junge Erwachsene (37 Prozent) und junge Frauen (50 Prozent) eher als junge Männer (34 Prozent). Je höher der formale Bildungshintergrund, desto eher fühlen sich junge Menschen sicher oder sehr sicher darin, Falschmeldungen zu erkennen.

Schüler äußern Unmut über Politiker, die soziale Medien als Kanäle nutzen

Für die Studie wurde auch nach konkreten Falschnachrichten zu vier aktuellen gesellschaftspolitischen Themen gefragt – darunter die „Fridays for Future“-Bewegung, die EU-Wahl, die Reform des EU-Urheberrechts und der Brexit. In den mehr als 900 Freitextantworten verbinden junge Menschen Falschnachrichten weniger mit manipulativen Social Media-Postings oder Internetseiten, sondern äußern vor allem Unmut gegenüber Informationen, die Politikerinnen und Politiker direkt an die Öffentlichkeit geben. Insbesondere zu den Themen „Fridays for Future“ und der Reform des Urheberrechts beklagen die Befragten die Verharmlosung oder Leugnung gravierender gesellschaftlicher Herausforderungen, wie dem Klimawandel, und die Delegitimierung junger Expertise und jugendlichen Engagements. Drei Viertel der Freitextantworten im Themenbereich „Fridays for Future“ und knapp die Hälfte aller Antworten zum Urheberrecht gehen in diese Richtung.

„Die Mehrheit junger Menschen in Deutschland bewegt sich durchaus souverän und reflektiert durch den politischen Nachrichtendschungel. Das macht Mut.“, erklärt Inger Paus, Vorsitzende der Geschäftsführung der Vodafone Stiftung. „Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass wir Gefahr laufen, einen signifikanten Anteil junger Menschen in der digitalen Nachrichtenwelt zu verlieren. Ohne vertiefte Angebote von Medienkompetenz in der Schule, die alle Schülerinnen und Schüler erreichen, sowie den direkten Dialog der Politik auf Augenhöhe mit jungen Menschen, verschenken wir das Potenzial einer jungen Generation und verschließen Ihnen die Chancen für demokratische Teilhabe. Die digitale Spaltung der Jugend, die stark vom Bildungsgrad abhängt, droht die Gräben in unserer Gesellschaft weiter zu vertiefen.“ News4teachers

Jugend 2019: optimistisch, tolerant, umweltbewusst – und in großen Teilen populistisch. VBE: Demokratiebildung stärken!

 

 

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Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

Im Anbetracht der laut Polizeistatistik seit der Wiedervereinigung betroffenen 10.000 Gewaltopfer und der 170 Todesopfer rechtsradikaler Gewalt, ist es dringend erforderlich, die politische Bildung im Schulunterricht zu betreiben.
Im Tagesspiegel stand heute ein erschütternder Bericht über den italienischen Maurer Orazio Giamblanco, der 1996 von einem rechtsradikalen Skinhead in Brandenburg mit einem Baseballschläger durch einen schweren Schlag gegen seinen Kopf schwerste Folgeschäden mit einer spastischen Parese davon trug und jetzt als Schwerbehinderter in Bielefeld lebt.
Einer der hier häufig schreibenden Kommentatoren stellte diese Naziszene schon einmal bei Demonstrationen als passiv Beteiligte dar, die nur herumstehen und sich zurückhalten.
Der Täter hat sich inzwischen von der Naziszene entfernt, sympathisiert aber weiter mit einer radikalen, im Bundestag vertretenen Partei.

xxx
4 Jahre zuvor

Man kann ja den Schulunterricht auch vom Lehrplan her so gestalten, dass die Schüler in die Lage versetzt werden, sich kritisch mit (Internet-) Quellen jeder Art auseinandersetzen zu können. Harte Fakten, ernsthafter Mathematik-, Physik-, Chemie- und Politikunterricht sind dafür erforderlich. Leider gibt es das lehrplanbedingt kaum noch.

Robin
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In unserer Schule gibt es ein mehr oder weniger ,,politisches Fach“ Namens Gemeinschaftskunde. Welches (bei mir zumindest) die Folge hat, das ich mich weniger über Politik interessiere. Es ist genauso aufgebaut wie alle anderen fächer: Sachen aufschreiben, Vorträge vorbereiten und Hausaufgaben in denen man sich über Politik informieren muss. Mittlerweile habe ich gar keine Lust mehr mich zu informieren, da ich es nicht mehr aus Interesse, sondern aus Zwang tue. ,,Unsere Leistungen müssen ja benotet werden!“. Es ist keine Aufklärung mehr sondern wieder nur ein ,,testen“. Und dann fragen sie sich, warum die ach so politische Jugend so desinteressiert ist.
Es ist bloß meine Meinung, also bitte kein Hass auf mich.
Lg

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Robin

Es ist gut, dass sie ihre innerschulische Situation eines wenig abwechslungsreichen,wenig interaktiven und wenig begeisterungsfähigen Unterrichts darstellen, der wohl kaum Möglichkeiten nutzt, die Unterrichtsinhalte aktiv im Klassenverband unter einer heranführenden Didaktik an die Inhalte des Lehrers stattzufinden scheint.
Sicherlich gehören auch selbst erarbeitete Referate unter deren Vortrag zum Unterrichtsrepertoire, aber die direkte Interaktion mit der Klasse und dem Lehrer wirkt gleichwohl belebender und dient der Abwechselung zum selbst gesteuerten Lernen.