Über den Tellerrand geschaut: “Summit for Education“ – Welt-Bildungsgipfel in Doha

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In einer Welt, in der technologische Veränderungen rasant vonstattengehen und die Kürzel KI und AI täglich in den Medien auftauchen, macht es durchaus Sinn, sich darauf zu besinnen, was uns als Menschen einzigartig macht. Nun ging in Katar der World Innovation Summit for Education, kurz WISE, zu Ende und stellte unter anderem genau diese Frage. Unter dem Motto „Learn and unlearn – What it means to be Human” tauschten mehr als 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 100 Ländern Ideen und Erfahrungen rund um Themen wie Lebenslanges Lernen und Ganzheitliche Bildung aus. Ein Kernelement: Wie können wir das Potenzial neuer Technologien sinnvoll für Unterricht und Lehre nutzen?

Die Vorsitzende der Qatar Foundation Sheikha Moza bint Nasser, hier beim Summit 2015 mit Michelle Obama, steht für die Modernisierung des Wüstenstaats – insbesondere im Bildungsbereich. Foto: WISE/Qatar Foundation

Bereits im zehnten Jahr fand vom 19.-21. November 2019 der Bildungsgipfel in Katars Hauptstadt Doha statt. Seit 2014 gibt der Veranstalter, die Qatar Foundation unter dem Vorsitz von Sheikha Moza bint Nasser, auch jungen innovativen EdTech-Projekten eine besondere Plattform und die Möglichkeit, sich weltweit zu vernetzen. Der sogenannte „WISE Accelerator“ soll quasi als „Beschleuniger“ für vielversprechende Initiativen fungieren, die Technologie und Bildung zusammenbringen. Die Gründer sollen Zugang zur globalen Bildungs-Community bekommen, die WISE im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Mentoren und Trainer sollen dabei helfen, Wachstum und Wirkung der Projekte zu optimieren. Und es geht auch darum, Unterstützer, Spender oder Investoren zu finden. Die Voraussetzung ist allerdings, ganz im Sinne der globalen Bildungsgemeinschaft, dass die Geschäftsmodelle skalierbar und anpassungsfähig sind. Soll heißen: Sie müssen international verwendbar und erweiterbar sein.

Dieses Jahr hat eine Jury acht Projekte aus Argentinien, Äthiopien, Großbritannien, Frankreich, den USA und dem Libanon für unterschiedliche Bildungsbereiche – von der Kita bis zur Berufsbildung – ausgewählt. Wir können gespannt sein, ob sich einige davon oder ähnliche Modelle auch in Deutschland durchsetzen werden.

„Alexa, ask my class to calm down!“

Zum Beispiel „AskMyClass“: Die sprach-basierte Plattform soll es Lehrkräften im Grundschulbereich erleichtern, emotionales und soziales Lernen in den Unterricht zu integrieren. Co-Gründerin Aparna Ramanathan arbeitete elf Jahre als Ärztin in Australien mit dem Schwerpunkt mentale Gesundheit, bevor sie in den USA die AskMyClass-App entwickelte. Keine Bildschirme, freie Hände, kostengünstig und sofort zugänglich, beschreibt Ramanathan die Vorteile von Voice-Technologie auf ihrer Website. Hunderte einsatzbereiter Spiele und Übungen  – von Entspannungs- und Hörübungen bis hin zum Einsatz von Musik zum Aufräumen –  können über die Sprachassistentin Alexa abgerufen werden. Ganz gleich wo sich der Lehrer oder die Lehrerin im Raum befindet. Das heißt, eine Lehrkraft kann der Klasse zum Beispiel eine Aufgabe mithilfe der digitalen Assistentin geben und sich zeitgleich einem Schüler zuwenden, der persönliche Hilfestellung benötigt. Darüber hinaus können Lehrkräfte auch eigene Inhalte produzieren und jederzeit auf Sprachbefehl einsetzen. Der digitale Begleiter scheint übrigens eine gewisse Autorität auf Kinder auszuüben. So zitiert das Online-Magazin International Studies News zum Beispiel eine Grundschullehrerin mit den Worten: „Was wirklich komisch ist: Sie hören Alexa viel fröhlicher zu als sie uns zuhören.“ Ob ein solches Tool auch für unsere Klassenzimmer geeignet wäre, ist momentan aus Datenschutzgründen allerdings mehr als fraglich, auch wenn die App mit Alternativen zu Alexa funktioniert. Amazons Dienst war in den Fokus öffentlicher Debatte gerückt, als bekannt wurde, dass das Unternehmen teilweise Gespräche aufnimmt und zur Verbesserung des Produkts auswertet.

EdTech für kollegiale Kooperation

Mit über 2.000 teilnehmenden Schulen und über 70.000 registrierten Lehrern besteht das 2014 gegründete Start-Up Teacherly bereits erfolgreich am EdTech-Markt. Teacherly ist eine Plattform, die Lehrkräften Zeit und Arbeit ersparen möchte, indem sie Synergien schafft. Gründer Atif Mahmood war selbst Lehrer in Großbritannien und beobachtete, dass viele Kollegen den Beruf wechselten: Zu viele Arbeitsstunden gingen für das Vorbereiten von Unterrichtsstunden verloren, Arbeitsteilung funktionierte nur schleppend via E-Mail. Seine EdTech-Lösung setzt daher auf die Zusammenarbeit und kollegiale Beratung, insbesondere wenn es um den Einsatz neuer Technologien im Unterricht geht. Lehrkräfte, die beispielsweise das gleiche Fach unterrichten, werden so ortsunabhängig zu Teams, teilen Material, Wissen und Best Practices. Mahmoods Ziel: Eine globale Gemeinschaft von Lehrern und Lehrerinnen, die sich gegenseitig entlasten. Allein im Vereinten Königreich würden vier von zehn jungen Lehrern den Beruf aufgeben, erklärte der Gründer gegenüber dem Online-Magazin Business Cloud. Durch Roboter und Künstliche Intelligenz seien diese Lehrer nicht zu ersetzen.

Wiloki und Wumbox: Adaptiv in Echtzeit

Zwei weitere vorgestellte und von WISE unterstützte EdTech-Innovationen sind „Wiloki“ aus Frankreich und die argentinische „Wumbox“. Bei Wiloki geht es um adaptives Lernen. Die Online-Lernplattform unterstützt individuelles Lernen für Schüler und Schülerinnen aller Altersstufen außerhalb der Schule und will teure Nachhilfe ersetzen. Über 300.000 Nutzer können die Gründer und Geschwister Manon, Hugo und Thibaut Oskian bereits verzeichnen. Tausende Videos, Kurse, Übungen und Tests stehen Lernern und Eltern größtenteils kostenlos zur Verfügung. Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass das Materialangebot passgenau auf das Lernniveau des Schülers oder der Schülerin zugeschnitten ist. Darüber hinaus setzt Wiloki auf Gamification als Schlüssel zu motiviertem, individuellem Lernen. Ähnlich funktioniert auch die Lernplattform Wumbox des argentinischen Start-Ups OX. Allerdings ist sie für den Einsatz in der Schule bestimmt. Sie soll Lehrkräfte dabei unterstützen, Kindern im Altern von vier bis etwa zwölf Jahren individuelle Lernangebote zur Verfügung zu stellen. In Echtzeit misst die Plattform die Interaktion der jungen Nutzer und passt die Lerninhalte entsprechend an.

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Viele weitere EdTech Projekte des diesjährigen oder der vergangenen WISE Accelerator Programms finden Sie unter https://www.wise-qatar.org/wise-works/wise-accelerator/

News4teachers

Weitere Infos zu WISE:

https://www.wise-qatar.org

https://www.facebook.com/wiseqatar/

@WISE_tweets

 

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Carsten60
4 Jahre zuvor

Man sollte lieber mal erklären, warum das steinreiche Katar (mit einem deutlich höheren BIP je Einwohner als Deutschland) bei PISA 2015 so grottenschlecht abgeschnitten hat (ca. 400 Punkte in den drei Disziplinen, noch hinter Albanien und auf Augenhöhe mit Mexiko und Georgien).

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Diese absolutistisch von der Familie Al-Thani beherrschte Monarchie, investiert eben sehr wenig in die Bildung seiner neuen aus Indien, Pakistan und Nepal stammenden Einwohner, um eben seinen absolutistischen Machtanspruch zu erhalten, denn die angestammte Bevölkerung bildet eben die Minderheit !
Da hat doch die AfD ihre wahre Freude daran alle Vorurteile gegen Migranten bestätigt zu sehen, zumal diese von ihrem Gottesgnadentum vereinnahmten Herrscher, sich nach allen Regeln der Unterdrückung verhalten.
Weder erntet man von den dort im Norden wachsenden Dornenbüschen Trauben, noch von den Wüstenhyazinthen Früchte.
Und so bilden Salzsümpfe die südliche Grenze zum angrenzenden Saudi Arabien.
Diese erfolgsverwöhnten Monarchen holten sich im Glanz ihrer Selbstüberschätzung ganze Handball- und Fußballmannschaften sowie andere Sportler aus Europa und von anderen Erdteilen ins Land, um nach Außen ihr Prestige anzuheben und erkaufte Anerkennung zu erhalten.
Außerdem hält dieses monarchistische Regime sich diese weitgehend rechtlosen pakistanische und andere Arbeiter im Land, denen die Pässe abgenommen wurden, damit diese nicht vor Ablauf ihrer Zeitarbeitsverträge, sich vorzeitig in ihre Heimatländer absetzen können.
Es läuft dort eben alles ähnlich wie zu Kaiser Wilhelm II. Gottesgnadentum ab , nach dem Motto teile und herrsche, mit entrechteten Arbeitern, keiner Opposition und vor allem keine offene Kritik am System.
Und so lange das Öl sprudelt und die Erdgasfelder fördern, solange wird sich niemand Gedanken über ein Übermorgen machen.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Ich verstehe diesen Kommentar nicht. Inhaltlich mag er stimmen, wenngleich Sie das Frauenbild und die Religion ausgespart haben, jedoch hat er nichts mit Carsten60 oder dem Artikel zu tun. Man könnte meinen, dass er in erster Linie mal wieder eine gewisse Partei thematisieren sollte.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ein kleiner Tipp zum besseren Textverständnis für den auf profane Textinhalte geschulten Leser, um dem Problem der Erfassung kryptisch erscheinender Texte zu begegnen.

Weder dient das einlesende Erfassen simpler Textbausteine der besseren Erfassung diffiziler sprachlicher Inhalte, die mit ihren sprachlichen Hürden und unwegsamen Sprachebenen ein schwer lösbares Problem darstellen, noch bedeutet das deklinierende Einüben der Strukturen einer Sprache eine Erweiterung des Erfassen unbekannter sprachlicher Untiefen und Unebenheiten.

Eher schon der frei Geist, der sich in seiner menschlichen Verkörperung in Ihm wiederfindet, erscheint mir als eines der Mittel, sich scheinbar verschlossenen Textinhalten innerlich zu öffnen und diese Inhalte sinnentnehmend erfassend zu begreifen.

Kognitives Verständnis schwer zugänglicher Texte wird durch regelmäßiges und einübendes Lesen weniger leicht verständlicher Lektüre mit inhaltlich bildendem Charakter in seiner Entwicklung befördert, wobei in verständlicher Form niedergeschrieben und durch geschickte Interpunktion miteinander verknüpft, voneinander abgegrenzte, aber zusammenhängende Inhalte, durch eben diese Interpunktion besser verständlich werden, um die Inhalte in ihrer Verbindung besser verstehen zu erlernen.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Natürlich müssen jetzt Kaiser Wilhelm und die AfD da hineingezogen werden, nur der Polemik wegen. Hier wird das alles etwas anders geschildert:
https://www.humanium.org/de/katar/
http://de.world-schools.com/besten-internationalen-schulen-in-katar/
Es sind eben auch archaische Traditionen, die z.B. dazu führen, dass 2/3 der Mädchen nur die Primarschule besuchen, obwohl sie eigentlich weiter zur Schule gehen dürften. Aber ob die Regierung das anordnet? Und PISA testet ohnehin nur 15-Jährige. Warum hat Herr Schleicher hier keinen Nachholbedarf angemahnt? Und warum wird oben im Artikel so getan, als gäbe es keine Probleme? Vielmehr wird von einer „Modernisierung des Wüstenstaates, besonders im Bildungsbereich“ gesprochen. Und Michelle Obama ist auch dabei.
Dass das eine Diktatur ohne Opposition und ohne Kritik am System ist, ist allein kein Argument: China hat sehr gut abgeschnitten bei PISA.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Man erhält zuweilen auf in den Raum geworfene Fragen nicht immer eine erwartet genehme Antwort, sondern zuweilen die unangenehme Wahrheit gesagt.
Denn die beschriebenen Monarchien und das angestrebte totalitäre Staatssysteme laufen eben auf so ziemlich das Gleiche hinaus.

Auch in Preußen und im selbst ernannten Gottesgnadentum der Hohenzollern wurden die neu eingegliederten ärmeren katholischen und jüdischen Neubürger in Polen, ähnlich den Zuwanderern in Katar aus Indien, Pakistan und Nepal, wirtschaftlich ausgenutzt.
Jüdisch-polnische Bürger wurden zudem noch mit verunglimpfenden Nachnahmen versehen, so man dem deutschen Schriftsteller und Assessor E.T.A.Hoffmann Glauben schenken darf.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Sind denn in ihren Augen die neu zugewanderten Bürger Katars mit indischen, nepalesischen und pakistanischen Wurzeln, keine Mitbürger oder sind diese weiter nur rechtlose Arbeitssklaven in einem Steuerparadies für Millionäre, auch aus Europa.
Gleichzeitig ist diese absolutistische Monarchie dem Vorwurf seiner Nachbarstaaten ausgesetzt, die finanzielle Unterstützung von weltweit operierenden radikal-salafistischen Terrorgruppen zu betreiben.
Kann man das Bildungssystem derartiger Staaten mit unserem Schulsystem vergleichen und welche gesellschaftlichen Gruppen sind denn von vornherein bei den vergleichenden Untersuchungen ausgeschlossen ? Das gilt auch für Staaten wie China.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

„Kann man das Bildungssystem derartiger Staaten mit unserem Schulsystem vergleichen …“
Das müssten Sie die PISA-Leute fragen, nicht mich. Jordanien schneidet übrigens bei PISA auch sehr schlecht ab, hat aber weniger Korruption und ein moderneres Bildungssystem.
Ignaz W.: Was Sie zu Katar schreiben mag ja stimmen, aber der Artikel oben huldigt ausdrücklich und kritiklos dieser „Sheikha“ (neben M. Obama abgebildet), die selbstverständlich auch Teil des korrupten Herrscherhauses ist (eine von drei Ehefrauen des ehem. Emirs), und ihrer „Qatar Foundation“, die u.a. von der RAND Corporation unterstützt wird. Warum also schimpfen Sie nicht auf die Naivität dieses Artikels zu sog. „High Tech Innovationen im Bildungsbereich“ ? Mein Eingangsbeitrag war als Kontrast dazu gemeint, nicht als Rechtfertigung von irgendetwas.