Vorsitzender des Landeselternrats legt Amt nieder – wegen Hass und Hetze im Netz

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HANNOVER. Der oberste Elternvertreter für Niedersachsens Schulen wirft hin. Grund ist die immer stärker um sich greifende Verrohung des Tons im Internet. Der Kultusminister bedauert den Schritt – zeigt aber auch Verständnis. Der Philologenverband sieht auch die Schulen in der Pflicht, der Verrohung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftig und stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. Illustration: Simon Strandgaard / flickr (CC BY 2.0)
Persönliche Anfeindungen machen immer mehr Menschen zu schaffen, die sich in der Gesellschaft engagieren. Illustration: Simon Strandgaard / flickr (CC BY 2.0)

Wegen der zunehmenden Anfeindungen und Hassbotschaften im Internet hat der Chef des Landeselternrats, Mike Finke, sein Amt niedergelegt. Bei Verleumdungen, Hass und Hetze sei inzwischen «ein hinnehmbares Maß» überschritten, erklärte er im Elternrats-Newsletter «Dialog». «Auch der Landeselternrat ist von dieser Veränderung in der Gesellschaft nicht verschont geblieben», schrieb Finke. Er habe die Arbeit in der Organisation gern gemacht – «aber bekanntlich hat alles Grenzen». Mit Blick auf Online-Beschimpfungen meinte er: «Letzteres bin ich nicht mehr bereit hinzunehmen.» Zuvor hatte der «Rundblick» über das Thema berichtet.

Wenn Menschen verunglimpft werden, hat das im Netz weitreichende Folgen

Finke (42) war rund zwei Jahre lang Vorsitzender der niedersächsischen Elternorganisation. Hassbotschaften im Netz seien «Gift für unsere Gesellschaft», erklärte er zu seinem Abschied. «Gesellschaft hat sich auch ohne soziale Medien sicher schon in der Weise geäußert, dass Menschen verunglimpft wurden, dies aber nicht in der Form von Öffentlichkeit. Unter Nutzung von sozialen Medien aber hat diese Unart viel weitreichendere Folgen.»

Im August hatte Finke angesichts des Lehrkräftemangels an die Pädagogen appelliert, ihren Beruf positiver zu sehen – dies hatte auch Kontroversen ausgelöst. «Das ist auch selbst gemachtes Leid: Das ständige Klagen über zu viel Arbeit für zu wenig Geld schreckt Abiturienten ab, sich für den Beruf zu entscheiden», sagte er der dpa. Im Vergleich zu anderen Landesbediensteten wie etwa Polizisten, die bei Einsätzen Gefahren auf sich nähmen, seien Lehrer gut gestellt. Er forderte eine Imagekampagne für den Beruf.

Kultusminister Tonne: Bereitschaft zum Ehrenamt wird schwinden, wenn nicht…

Kultusminister Grant Hendrik Tonne bedauerte die Entscheidung Finkes. Dieser habe sich «stets für die Belange der Erziehungsberechtigten eingesetzt und den Eltern eine Stimme in schulpolitischen Fragen» gegeben, erklärte der SPD-Politiker. «Für mich persönlich und für mein Haus war er immer ein verlässlicher Ansprechpartner. Sein Rücktritt ist persönlich und fachlich ein Verlust.»

Tonne warnte ebenfalls vor den Folgen von Hate Speech. «Insbesondere die Hemmungslosigkeit verbaler Attacken über das Internet ist ein Schaden für die Demokratie und für das Zusammenleben», ergänzte er. «Wir müssen aufpassen, dass wir hier als Gesellschaft eine Umkehr schaffen – sonst werden sich immer weniger Menschen ehrenamtlich engagieren, und auch für die Übernahme hauptamtlicher Verantwortung wird die Bereitschaft schwinden.»

„Vor dem Hintergrund seiner Beweggründe für diesen Schritt gilt es, dass wir alle gemeinsam unsere Bemühungen gegen Hass und Gewalt gegenüber Amtsträgern in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien verstärken“, erklärte Horst Audritz, Lendesvorsitzender des Philologenverbands. Ein offener Meinungsaustausch durch inhaltlich sachliche Auseinandersetzungen gehöre zu den Grundfesten einer demokratischen Gesellschaft. Audritz: „Es ist ausdrücklich die Verantwortung jedes Einzelnen und der Schulen, einer steigenden Verrohung der Gesellschaft entschieden entgegenzutreten. Dies war seit jeher Auftrag der Werteerziehung in der Schule. Ihr Auftrag bleibt – wie bedauerlicherweise eine Vielzahl dieser Geschehnisse gegen haupt- und ehrenamtlich Tätige zeigen – aktueller denn je.“ dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

“Ihr Untermenschen”: Die politische Hetze schwappt in die Schulen – Lehrer warnen vor hasserfüllter Sprache

 

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D. Orie
4 Jahre zuvor

Das ist sehr, sehr traurig und ist Anlass zur Sorge!

Palim
4 Jahre zuvor

Auch mir war der zitierte Satz sauer aufgestoßen, offenbar anderen auch,
allerdings kann man sich über die sonstigen Äußerungen des Herrn Finke über das Internet ein Bild machen und einen solchen Satz in diesen Zusammenhang stellen.

Am aktuellen Newsletter des LER kann man erkennen, dass nicht nur mit Hass und Hetze reagiert wurde, was zu verurteilen ist und der Sache nicht dient, sondern offenbar viele Lehrkräfte reagiert haben und dargelegt haben, warum ihrer Meinung nach die Arbeitsbedingungen wirklich schlecht sind.
Dass die Unterrichtsversorgung desaströs ist wird nicht bestritten,
dass viele Lehrkräfte von anderem berichten, findet dort nun auch Platz.
Ursachenforschung ist, wenn sie ehrlich betrieben wird, sicher richtig.
Eine Imagekampagne allein wird es nicht richten.

Wenn ich lese: „Das Land wird daher versuchen, geeignete Maßnahmen anzusetzen, um
die Situation an den Haupt- und Realschulen sowie Oberschulen zu
verbessern,“ … verstehe ich, dass Herr Tonne hoch des Lobes ist, werden doch genau seine Worte zitiert. Denn auch Herr Tonne vergisst bei seinen Aufzählungen generell Grundschulen und Förderschulen. Warum eigentlich?