Neue PISA-Studie: Es geht wieder abwärts – Karliczek: „Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein“

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BERLIN. Man kann die neueste PISA-Studie so oder so lesen. Immerhin, die Leistungen der Schüler in Deutschland sind weiterhin überdurchschnittlich – das klingt erst mal gut. Der Maßstab ist allerdings die Gesamtheit der OECD-Staaten, zu denen auch Entwicklungsländer wie die Dominikanische Republik oder die Philippinen gehören. Der Abstand zur internationalen Spitzengruppe ist groß. Und: Die Schüler in Deutschland haben sich in allen drei Kategorien verschlechtert.

Die Leistungskurve weist nach unten. Foto: Shutterstock

Nach mehrjährigem Aufwärtstrend bis 2013 erlebt Deutschland nun den zweiten PISA-Knick in Folge. Die deutschen Schüler haben sich in allen drei Bereichen der internationalen Vergleichsstudie – Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften – leicht verschlechtert. Sie erzielten jeweils etwas weniger Punkte als bei der vorherigen Untersuchung, die 2016 veröffentlicht wurde. Auch damals waren die Werte in zwei Bereichen schon gesunken.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wies bei der Vorlage der Zahlen am Dienstag in Berlin aber auch darauf hin, dass die deutschen Schüler leistungsmäßig weiterhin über dem OECD-Durchschnitt und damit auf einem guten Niveau lägen. In Mathematik und Naturwissenschaften sei Deutschland sogar deutlich besser als der Durchschnitt der OECD-Länder. Der Abstand zur Spitzengruppe in Europa und Asien mit Singapur, Hongkong, Japan, Estland, Kanada oder Finnland bleibt dennoch groß.

Bundesbildungsministerin: „Andere Staaten ziehen an uns vorbei“

Nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek kann Deutschland mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein. «Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein», sagte die CDU-Politikerin laut einer gemeinsamen Mitteilung ihres Ministeriums und der Kultusministerkonferenz vom Dienstag. Karliczek hob hervor, dass Deutschland ein gutes Schulsystem habe und auch in dieser PISA-Studie leicht über dem OECD-Durchschnitt liege. «Damit können wir aber nicht zufrieden sein. Andere Staaten ziehen an uns vorbei.»

«Einer der Faktoren hinter dem Leistungsrückgang können die seit der Flüchtlingskrise gestiegenen Ansprüche an das Bildungssystem sein», hieß es von der OECD. Der Anteil von Schülern «mit eigener Migrationserfahrung» sei seit der letzten PISA-Erhebung deutlich gestiegen, und deren Integration in das Bildungssystem sei eine große Herausforderung.

Die Integration der Flüchtlingskinder erklärt den Rückgang nur zum Teil

Allerdings, so heißt es im begleitenden Bericht, reicht diese Begründung nicht aus, um den Leistungsrückgang im vollen Umfang zu erklären. Von insgesamt 11 Punkten Differenz zu 2015 bei der Lesekompetenz schreiben die Bildungsforscher nur 5 den „Veränderungen des  demografischen Profils der Schüler  in diesem Zeitraum“ zu. Darüber hinaus heißt es: „Die demografischen Veränderungen können jedoch nur einen geringen Teil der umfassenderen negativen Trends erklären, die seit 2012 in Mathematik und Naturwissenschaften zu beobachten sind.“ Anders ausgedrückt: Auch ohne die Flüchtlingskinder hätten sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland verschlechtert.

Quelle: OECD, PISA-2018-Datenban

 

Die Pisa-Studie ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Dieses Mal nahmen rund 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern teil, in Deutschland knapp 5500. Es war die mittlerweile siebte Runde. Seit dem Jahr 2000 werden für den Vergleichstest alle drei Jahre weltweit Hunderttausende Schüler im Alter von 15 Jahren in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften getestet.

Schwerpunktmäßig wird jeweils ein Bereich stärker abgefragt. Diesmal ging es vor allem um die Lesekompetenz. Die Tests finden inzwischen vor allem am Computer statt. Die Schüler müssen sich durch verschiedene Aufgaben klicken.

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Jeder fünfte 15-jährige Schüler liest nur auf Grundschulniveau

Die Zahlen im Einzelnen: Im Bereich Lesen erreichten die deutschen Schüler einen Punktwert von 498 (2016: 509), in Mathematik 500 (2016: 506) und in Naturwissenschaften 503 (2016: 509). Zum Vergleich: Die Spitzenländer kamen auf Werte zwischen 550 und 590, Länder am Ende der Skala wie die Dominikanische Republik oder die Philippinen auf Werte zwischen 325 und 340.

Vergleicht man die Ergebnisse der aktuellen Studie mit dem Schwerpunkt Lesen mit der letzten Schwerpunktstudie Lesen, die 2010 veröffentlicht wurde, erreichen die 15-Jährigen in Deutschland heute ähnliche Ergebnisse.

In Deutschland – so wie auch in allen anderen OECD-Staaten – schnitten die Mädchen bei der Lesekompetenz deutlich besser ab als die Jungen. In Mathe sind die Jungen vorne. Bei den Naturwissenschaften sehen die Autoren in Deutschland keine Unterschiede. Als bedenklich eingestuft wird, dass jeder fünfte 15-Jährige beim Lesen nur ein sehr geringes Leistungsniveau erreicht. Das heißt, er oder sie kann mit ganz einfachen Leseanforderungen nicht umgehen. Auch in Mathe und Naturwissenschaften liegt der Anteil der leistungsschwachen Schüler bei rund 20 Prozent.

Dass jeder fünfte 15-Jährige nicht einmal auf Grundschulniveau lesen könne, sei „besonders bedenklich“, sagte Bundesbildungsministerin Karliczek. Bund und Länder seien gemeinsam gefordert, das Bildungssystem weiter zu verbessern, «jeder in seinem Verantwortungsbereich». So werde der Bund Programme zur frühkindlichen Leseförderung «noch konsequenter weiterverfolgen».

Schulerfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab – noch immer

Die Autoren kritisierten bei der Vorlage der Ergebnisse ein altbekanntes Problem in Deutschland: Der Schulerfolg hänge in der Bundesrepublik weiterhin stärker von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler ab als im Durchschnitt der OECD-Länder. Privilegierte Schüler hätten einen deutlichen Leistungsvorsprung zu denen, die «sozioökonomisch benachteiligt» seien. Der Befund ist so alt wie die PISA-Studie selbst. Schon bei der allerersten, 2001 veröffentlicht, präsentierte sich Deutschland als „Weltmeister“ in Sachen Bildungsungerechtigkeit.

Neben den Tests, die die Schüler absolvieren mussten, wurde auch das Thema «Lesefreude» abgefragt. Im Zehnjahresvergleich wird dabei sichtbar, dass das Interesse der Jugendlichen am Lesen abnimmt. Jeder zweite befragte 15-Jährige in Deutschland sagte: Ich «lese nur, wenn ich lesen muss» oder «um Informationen zu bekommen, die ich brauche». Lesen als liebstes Hobby gab nur jeder Vierte an. Mehr Schüler (34 Prozent) sagten dagegen, für sie sei Lesen Zeitverschwendung. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Interview mit Schleicher: “Wir sollten die guten Ideen aus den Klassenzimmern ins System holen – das ist das Entscheidende“

 

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Carsten60
4 Jahre zuvor

In einem ZEIT-Interview
https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-12/pisa-studie-schulleistungen-oecd-risikoschueler-schulsystem/komplettansicht
schlägt Prof. Köller etwas vor, was in USA praktiziert wird: „Mit vier Jahren werden alle Kinder getestet und die Kinder, die Sprachdefizite aufweisen, müssen verpflichtend mit viereinhalb Jahren auf eine Vorschule. Dort werden sie dann systematisch fit für die Grundschule gemacht.“ Überraschenderweise liegen lt. PISA 2018 die USA beim Lesen jetzt vor Deutschland (bei Mathematik sind sie aber schwach).
Herr Möller: Also kann man sehr wohl VOR der Einschulung schon was für die Entkoppelung von Herkunft und Bildung tun. Sie hatten behauptet, NUR die Schule könne das. Das dürfte besser wirken als eine Änderung bei der Sekundarstufe (also ab 10 Jahren).

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Tatsächlich wird diese Testung seit Jahren gemacht, wenn Kinder im Alter von 4 oder 5 Jahren zu Delfin4 (NRW), Fit in Deutsch (Nds) oder anderen Tests verbindlich eingeladen werden.
In manchen Ländern wird zudem in einigen KiTa mit den 4jährigen ein Screening (DESK) vorgenommen.
Die Konsequenz ist die verbindliche Teilnahme an Sprachförderungskursen, in Nds. bestand darüber sogar Schulpflicht.
Allerdings hat Niedersachsen diese vorletztes Jahr eingestellt. Die Verantwortlichkeit wurde aus den Schulen genommen, weil die Lehrkräfte in den Grundschulen benötigt wurden. Die Landkreise waren überrascht und mussten über Nacht ein Sprachförderprogramm in den KiTa erdenken und umsetzen, das nun, nach ca. 1 1/2 Jahren, gerade anläuft. Also hatten 2 Jahrgänge keine Sprachförderung.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

@Carsten60: Natürlich „kann man sehr wohl VOR der Einschulung schon was für die Entkoppelung von Herkunft und Bildung tun“. Das geschieht ja auch in vielen KITAS, sollte aber gezielter und systematischer erfolgen.
Den Vorschlag von Köller unterstütze ich daher voll.

Damit ist das Problem aber nach dem Schuleintritt nicht erledigt (wenn es so einfach wäre). Dann kann nur und muss die Schule weiter Kompensationsarbeit leisten. Sie stehen aber auf dem Standpunkt, dass es dann schon zu spät ist, was wohl so viel heißen soll: Es ist keine Aufgabe der Schule mehr.
Gezielte Sprachförderung muss bis zum Ende der Pflichtschulzeit stattfinden.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Herr Möller: Hier noch ein paar Zitate von Köller und Reiss aus dem obigen Link in der ZEIT:
„Das ist aber kein rein deutsches Problem, auch unsere Nachbarn, die Schweiz, die Benelux-Staaten und sogar das ehemalige Vorzeigeland Finnland sind unter Druck geraten.“
„Die größte Gruppe [der Risikoschüler] sind die Kinder von Migranten, die ihre Schullaufbahn in Deutschland absolviert haben, die sogenannte zweite Generation. Zuwandererfamilien haben mehr Kinder als deutschstämmige Familien. Deshalb wächst der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund. Sie sind nicht schlechter geworden, aber sie sind einfach mehr geworden.“
„Hinzu kommt, dass der Anteil der Zuwandererfamilien, die zu Hause Deutsch sprechen, kleiner geworden ist. Auch das wirkt sich negativ auf die Leistungen aus.“
„Und noch etwas ist zu bedenken: Deutschland hat im europäischen Vergleich eher sozioökonomisch schwache Zuwanderer. Auch das drückt auf die Schülerleistungen.“

Dahinter stecken empirisch festgestellte Tatsachen (z.B. die Familiensprache, der sozioökonomische Status, Zahl derer mit Migrationshintergrund: 36 %), verkündet von den PISA-Oberen, die man durch keine Schulreform der Welt ändern könnte. Man kann nur versuchen, deren Auswirkungen zu begrenzen. So postuliert auch Köller bessere Deutschkenntnisse, aber das wird schon seit Jahrzehnten postuliert (und dafür bräuchten wir keinen hochrangigen Bildungsforscher, das wäre wohl jedem eingefallen).
Weil wir aber jetzt wissen, dass in unserem geschmähten Schulsystem die Nicht-Migranten (einschließlich Unterschichten, Hartz-IV-Empfänger, Alleinerziehende) mit 524 Punkten in Europa zur Spitze zählen, wäre eine nachhaltige schulische Verbesserung auf breiter Ebene wohl sehr erstaunlich. In Frankreich gelingt das jedenfalls nicht, und das ist der Nachbar, mit dem wir uns am ehesten vergleichen sollten (auch wegen der deutsch-französischen Freundschaft). Und in Österreich sieht es auch nicht besser aus. Man müsste vielleicht ein paar gut gemeinte Illusionen über das Machbare aufgeben. Nicht alles ist machbar, nur weil es wünschenswert wäre.

Anna
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Dann schauen Sie sich doch mal eine real existierende Schule an und stellen sich dann die Frage: Wäre hier nicht mehr machbar – wenn das Gebäude nicht marode wäre, wenn es ein starkes multiprofessionelles Team gäbe, das sich um einzelne Kinder kümmern kann, wenn die Lehrerinnen und Lehrer genügend zeitliche Ressourcen hätten, um sprachliche Mängel mit einzelnen Schülerinnen und Schülern individuell aufzuarbeiten, wenn der Ganztag nicht nur eine billige Betreuungslösung für berufstätige Eltern wäre, wenn wir das Geld, das wir jährlich dafür ausgeben, die Folgen gescheiterter Bildungskarrieren sozial aufzufangen, mal im Vorhinein in erfolgreiche Bildungskarrieren investieren würden?

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Stimme Ihnen voll zu, Anna

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Wir leben aber nicht in Wünschdirwashausen. Die Entwicklung in die von Ihnen genannte Richtung ist seit Jahrzehnten Gang und Gäbe, also alles andere als überraschend.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Und warum soll das nicht machbar sein?
Wir haben es bisher ja gar nicht ernsthaft genug versucht. Das Resultat des Nichttuns in Deutschland: 20% erreichen nur das Grundschulniveau, davon stammen die meisten aus sozial schwachen Schichten (sowohl Migranten als auch Nicht-Migranten).
Ich wiederhole mich gerne: Das Problem des deutschen Schulsystems sind nicht die Migranten, sondern die mangelnde Förderung von Kindern aus unteren Sozialschichten, die zum großen Teil wenig Unterstützung aus ihren Elternhäusern bekommen (können).
Mit der Übertonung von Problemen bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund ist auf der Faktenebene kein Blumentopf zu gewinnen. Da helfen auch nicht die Zitate von Köller.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

„… kein Blumentopf zu gewinnen. Da helfen auch nicht die Zitate von Köller.“
Empirische Untersuchungen haben aber nicht das Ziel, Blumentöpfe zu gewinnen. Sie wollen und sollen nur ganz nüchtern die Realität beschreiben. Die obigen Zitate von Köller gehören dahin: sie wollen nur die Realität benennen, und die ist gelegentlich unbequem für die Politik.

Herr Möller offenbart hier (vermutlich ungewollt) etwas, das einen wachsenden MIssstand in der Bildungspolitik (natürlich nicht den einzigen) bildet: Das Verhältnis zur empirischen Bildungswissenschaft. Einerseits will man PISA, IGLU, VerA und die anderen Tests haben, man füttert die Bildungswissenschaft mit vielen BMBF-Millionen und auch aus den Ländern, Köller wird MItglied von immer mehr Kommissionen, die Empfehlungen abgeben sollen (etwa so, wie früher ein Hofnarr). Andererseits aber richtet man sich nicht nach diesen Empfehlungen, wenn sie nicht ins politische Konzept passen. Das letzte Wort haben eben leider (!) nicht die Wissenschaftler, sondern Parteipolitiker, und die fühlen sich mehr ihren Parteitagsbeschlüssen, ihrem Parteiprogramm und ggfs. Koalitionsverträgen verpflichtet. Und da pickt man sich dann gezielt Einzeldaten von PISA heraus. So wurde nach PISA 2000 das relativ gute Abschneiden von Bayern in der Politik regelrecht niedergebrüllt, man starrte auf andere Daten.
Man sagt schon, die Bildungswissenschaft diene inzwischen der „Akzeptanzbeschaffung“ für politische Maßnahmen, etwa G8, der Einführung von Ganztagsschulen usw. Es erscheint mittlerweile undenkbar, dass ein Bundesland mit G8 eine Studie in Auftrag gibt, in der am Ende steht, G8 ist Mist. Nein, so etwas wird sorgfältig vermieden, denn die Politik könnte jederzeit die Bildungswissenschaft finanziell austrocknen. Und niemals fragen die Parteipolitiker die Bildungsexperten VORHER, wie das wohl werden würde, sondern immer erst hinterher.
Mit dem Herunterbeten nach Art von „die mangelnde Förderung von Kindern aus unteren Sozialschichten ist das Hauptproblem“ wird ja auch nichts besser. Die 20 % funktionalen Analphabeten gab’s vor Jahren bei einer Untersuchung mal in ganz Westeuropa. In der Liste der Lesekompetenz nach Kompetenzstufe I ist auch bei PISA 2018 Deutschland im Vergleich nicht sooo besonders schlecht (siehe Abbildung 3.2 im Langbericht): B, NL, L, F, A. CH, I haben am unteren Ende schwächere Werte, d.h. noch schlechtere Leser. Australien und Neuseeland (mit gänzlich anderer Bevölkerungsstruktur!) sind nur geringfügig besser, sogar Kanada hat 13,8 % statt 20,7 % in D. Das ganze Dramatisieren bringt auch nichts. Aber man könnte dennoch mal das machen, was die Bildungexperten vorschlagen, statt das, was die Parteipolitiker aus politischen Gründen wollen. Der Parteien-Föderalismus hat uns nur ein Chaos gebracht und einen Stillstand dazu.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

@ Carsten60:
Sie interpretieren mich (bewusst?) falsch. Ich bestreite die Befunde überhaupt nicht und nehme sie natürlich ernst, weil sie die Realität beschreiben. Das ist doch der alleinige Sinn von empirischer Forschung.
Meine Aussage ist, dass die schwachen Werte der Migranten nicht isoliert aus dem Blickwinkel des Migrationsstatus sondern aus dem der hohen Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu sehen sind. Das sagen doch die differenzierten Analysen, die ich oben angeführt habe und die Sie anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Die Kernaussage ist doch: Bei diesen leistungsschwachen Schülern (egal ob mit oder ohne Zuwanderungshintergrund) versagt das Schulsystem in Deutschland (20% der 15-jährigen) total, ja wie auch in anderen Ländern.
Noch deutlicher: es ist nicht der Migrationsstatus sondern die soziale Herkunft, die für den Bildungserfolg bzw. Mißerfolg entscheidend ist. Kein Problem der ethnischen Herkunft!!!

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Herr Möller: Ich hatte Sie schon richtig verstanden: für Sie zählt hauptsächlich diese berüchtigte „Kopplung“. Die 524 Punkte der Nicht-Migranten (einschließlich Hauptschüler, Unterschichten usw.), die in keinem europäischen Land signifikant übertroffen werden, zählen für Sie nicht.

Ich hatte aber was ganz anderes geschrieben, nämlich zur Rosinenpickerei von Parteien und Verbänden (von Ihnen auch?), die ihr Süppchen jeweils auf dem PISA-Feuer (und anderem aus der Bildungswissenschaft) kochen und ihre schon vorher beschlossenen Ziele anpreisen. Ein schönes Beispiel ist dieses hier:
https://www.gew-hamburg.de/themen/schule/pisa-ergebnisse
Da meint man unter der PISA-Überschrift allen Ernstes, Deutschland müsse ein inklusives Schulsystem einführen, denn „Länder wie Kanada, die ein Gesamtschulsystem haben, zeigten, …: Diesen Staaten gelinge es besser als Deutschland, Benachteiligungen abzubauen und junge Menschen mit Migrationshintergrund zu integrieren (sic!).“
Erstens hat Kanada laut PISA 2018 auch 13,8 % Risikoschüler beim Lesen (warum eigentlich, wo man doch ein Gesamtschulsystem hat?), und dann lässt man ja nur Ausländer mit einer gewissen (Sprach-)Bildung ins Land (Asyl ausgenommen), die sich natürlich besser integrieren. DARAN liegt es, dass deren Kinder in der Schule besser sind. In D wäre das wohl auch so. Aber deutsche Politiker (welche waren das?) haben es vorgezogen, ohne Not 50 Jahre lang millionenfach bildungsferne Unterschichten ohne Deutschkenntnisse aus dem Ausland zu holen, sogar echte Analphabeten mit mittelalterlichen Vorstellungen zu diesem und jenem. Deren Kinder und Enkel haben nun Schulprobleme. Dass das an den Ethnien per se liegt, hat hier niemand behauptet. Es liegt einfach daran, dass so viele Leute in Unterschichten gleichzeitig einen Migrationshintergrund haben. Und Köller sagt, die haben auch noch mehr Kinder als die Einheimischen, also verschärfen sich in der Statistik die Probleme.
Er sagte an anderer Stelle, dass PISA KEINEN Hinweis auf eine anstehende Änderung des SchulSYSTEMS gebe. Die GEW betet das aber weiter herunter, und zwar mit dem sehr fragwürdigen Kanada-Argument. Ich halte das für einen MISSBRAUCH von PISA. Wie schon gesgt: Die Bildungswissenschaft wird zur „Akzeptanzbeschaffung“ politischer Ziele und Maßnahmen benutzt und ausgenutzt.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Meine Kollegen mit einem arabischen Migrationshintergrund sind allgemeingebildete Mitmenschen mit höheren Bildungsabschlüssen.
Dazu zählen Gesundheitspflegende, Ärzte, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Logopäden, Rettungsassistenten, operationstechnisches Personal, medizinisch-technische Assistenten und radiologisch-technische Assistenten, ohne die unser Gesundheitswesen am Ende wäre.
Wir finden schon heute kein zahlenmäßig ausreichendes Personal mehr, um unsere Stellen in ausrechendem Maße zu besetzen !

GriasDi
4 Jahre zuvor

Spätestens jetzt sollte man mal all die Bildungsreformen der letzten Jahre kritisch hinterfragen. Haben sie das gebracht, was beabsichtigt war?
Pisa sagt nein.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

@ GriasDi:
Oder haben wir notwendige Reformen vielleicht nicht gemacht?
Finde Ihre Frage berechtigt. Klärung kann nur eine vorurteilsfreie Analyse bringen.
Hierbei darf aber nicht ausgespart werden, wie die Reformen mit den beabsichtigten Zielen, tatsächlich in der Realität stattgefunden haben („Anspruch und Wirklichkeit“).
Zahlreiche Rezeptionsstudien bezüglich der Schul- und Unterrichtsentwicklung hinterlassen da viele Fragezeichen.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Es kann sein, dass wir notwendige Reformen nicht gemacht haben. Allerdings wurde in den letzten 15 Jahren sehr viel reformiert. Scheinbar in die falsche Richtung.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Wenn sich die Schüler verschlechtert haben, muss es ja vorher besser gewesen sein. Also waren die bisherigen Reformen falsch.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Hilfreich bei der Analyse wäre wieder einmal eine Aufschlüsselung nach Bundesländern. Diese wird aber mittlerweile leider verweigert.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

In dem Fall haben die Reformer ihre Hausaufgaben nicht gemacht, weil sie die potentielle Wirkung der Ansätze eher in blühenden Paradiesen als in der harten Realität einer Brennpunktschule getestet haben. Wahrscheinlich hätte das zu viel Arbeit gemacht oder die Forschungsgelder hätte es sonst nicht gegeben.

Siegfried Marquardt
4 Jahre zuvor

PISA-Test 2018 – China liegt ganz weit vorn!
Neben Estland (525 Durchschnittspunkte), Finnland (516 Punkt) liegt China mit 579 Punkte im Durchschnitt beim PISA-Vergleich 2018 der OECD von 600.000 Neuntklässler aus 79 Ländern weit vorn in der Lese- und Rechtschreibkompetenz, in Mathe und in den Naturwissenschaftlichen Fächern! China überholt die Welt nicht nur ökonomisch, sondern nunmehr auch in Bildungsfragen beeindruckend! Die deutschen 14- bis 15-jährigen Mädchen und Jungen liegen leicht über dem Durchschnitt in den drei Kategorien Lese-Rechtschreib-Kompetenz (498 Punkte- Mittelwert 487 für Deutschland, 500 Punkte OECD-Mittel), Mathe (500 Punkte – Mittelwert 489 Punkte) und Naturwissenschaften (503 Punkte- Mittelwert 489) – sie haben sich aber im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren von der kognitiven Leistungsfähigkeit her insgesamt vergleichsweise leicht verschlechtert (die Differenz beträgt immerhin 11 bzw. 14 Punkte). Bemerkenswert und gleichzeitig sehr traurig ist die Tatsache, dass ca. 20 Prozent der Neuntklässler nicht korrekt Lesen und das Gelesene nicht verstehen können (und wohl auch nicht richtig Schreiben können). Dies hat eindeutig etwas mit dem Deutschen Bildungssystem (in den Grundschulen) zu tun (methodisch-didaktische Defizite, Schreiben nach dem Gehör, synthetische Methode des Lesen-Lernens, Übungsdefizite,…) und kann nicht mit dem funktionellen Analphabetismus erklärt werden, wie die Bildungsministerin Karliczek am 03.12.2019 in den Nachrichten von welt.de sinngemäß erklärte, weil die Quote hier bei ungefähr 7,5 Prozent liegt (Rest 12,5 Prozent)! Das Bildungsniveau einzelner Schüler hängt eindeutig mit sozioökonomischen Faktoren zusammen – hier liegen die Differenzen bei bis zu 113 Punkten (fördernde sozioökonomische Bedingungen vs. beeinträchtigende sozioökonomische Verhältnisse). Und dies ist einfach erschreckend und hängt absolut nicht mit der Intelligenz der Jugendlichen zusammen, sondern mit den fördernden, positiven Angeboten und Anreizen im Elternhaus zusammen! (Angebote an Büchern, Lernmaterial, Computer, psychosozialen Bedingungen,…). Nach wie vor bildet das Fach Mathematik einen starken Problemschwerpunkt. Es ist absolut unverständlich, dass die Deutschen Politiker nichts aus empirischen Erfahrungen und aus der Vergangenheit lernten: Finnland liegt in Serie beim OCED-Pisa-Verbleich seit Jahren ganz weit vorne. Und Finnland hat sich das Bildungssystem der DDR zu Eigen gemacht. Übrigens: Ende der Siebziger/ Anfang der Achtziger Jahre wurde durch ein internationales Team von Psychologen Kinder und Jugendliche u.a. auch aus der Bundesrepublik und der DDR einer Untersuchung zur Intelligenzentwicklung unterzogen (Anwendung des Leistungsprüfsystem von Horn, Progressive Matrizen,) . Dabei zeigte sich, dass die Kinder und Jugendlichen der DDR 10-IQ- Punkte besser abschnitten. Dies hing natürlich nicht mit einer besseren Entwicklung der Intelligenz zusammen, sondern mit dem Polytechnischen Bildungssystem der DDR! (das übrigens ursprünglich aus der Schweiz bzw. aus Frankreich stammte).
Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

Carsten60 (6. Dezember 2019 At 17:46)
Mir geht es in der Tat um die nicht akzeptable hohe Kopplung zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg in Deutschland und dem hohen Anteil an „Risikoschülern“.

In meinen letzten beiden Beiträgen ging es mir aber darum anhand von PISA 2018 Analysen aufzuzeigen, dass die schwachen Lernerfolge der Schüler mit Zuwanderungshintergrund fast vollständig auf deren soziale Herkunft zurückzuführen sind und nicht auf ihren Status „Migrationshintergrund“.

Nun habe ich aus Ihrer letzten Reaktion aber verstanden, worum es Ihnen wohl vorrangig geht:
Sie führen die deutschen PISA-Ergebnisse darauf zurück, dass unfähige „deutsche Politiker (welche waren das?) es vorgezogen haben, ohne Not (sic!) 50 Jahre lang millionenfach bildungsferne Unterschichten ohne Deutschkenntnisse aus dem Ausland zu holen, sogar echte Analphabeten mit mittelalterlichen Vorstellungen zu diesem und jenem. Deren Kinder und Enkel haben nun Schulprobleme.“

Deutlicher kann man seine Geringschätzung gegenüber Zuwanderern (u.a. „angeworbene Gastarbeiter“), die auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wurden und zur Entwicklung unseres Wohlstands in Deutschland einen erheblichen Beitrag geleistet haben, ausdrücken.

Und für Sie scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass deren Kinder und Enkelkinder nicht bildungsfähig sind. Kein Wort von Ihnen dazu, dass unsere Gesellschaft und unser Schulsystem bezüglich Integration und Förderung hier versagt haben.

Das nenne ich rassistische und fremdenfeindliche Denke.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Zu den Gastarbeitern irren Sie. Schon 1973 gab es einen ANWERBESTOPP, weil sich eine beginnende Arbeitslosigkeit abzeichnete. Aber die allermeisten Migranten sind erst DANACH nach Deutschland gekommen, hier kann man es erahnen (zu Einbürgerungen steht dort leider wenig; die muss man sich dazu denken):
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61622/auslaendische-bevoelkerung
Die allerersten Gastarbeiter durften übrigens nur 1-2 Jahre bleiben, dann mussten sie zurück. Daher war die Bezeichnung auch angemessen, wenngleich nicht schmeichelhaft. In Kanada mit seinem Wunder-Schulsystem gibt’s noch heute solche befristeten Gastarbeiter, siehe Wikipedia. Ist Kanada rassistisch, weil man dort eine gänzlich andere Einwanderungspolitik betrieben hat?

„Für Sie scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass deren Kinder und Enkelkinder nicht bildungsfähig sind.“
Das nenne ich primitive Schwarz-Weiß-Malerei. Zwischen „sehr gut bildungsfähig“ und „gar nicht bildungsfähig“ gibt es unendlich viele Zwischenstufen. Die „Varianzaufklärung“ bei PISA 2018 von 17 % in D (12 % im OECD-Durchschnitt; diese Zahlen schwanken aber alle 3 Jahre stark) besagt doch nur, dass eben 17 % der Leistungsunterschiede bei den Testpersonen durch die soziale Herkunft erklärt werden können. Was ist mit den anderen 83 % ? Was verbirgt sich denn dahinter ? Da es die Gene gemäß festem Glauben GEW-naher Leute nicht sein können/dürfen und die Religion auch nicht (die ist ja durch das GG geschützt), die ethnische Herkunft schon gar nicht (das wäre rassistisch), was denn sonst ?? Warum regt man sich über die schlappen 5 Prozentpunkte Differenz zum OECD-Durchschnitt so auf? Ich nehme an: Um rhetorischen Rückenwind für politische Forderungen zu erzeugen und ein bisschen Stimmung zu machen.

„Das nenne ich rassistische und fremdenfeindliche Denke.“
Aber als ich Ihnen mal Naivität vorgehalten habe, meinten Sie, meine Beiträge seien „auf Krawall gebürstet“. Nur gut, dass Ihr Diskussionsstil vorbildlich ist. Ich dachte, hier werden Argumente ausgetauscht und nicht die abwertende moralische Beurteilung der „Denke“ des jeweils anderen. Sonst teile ich hier auch mal mit, was ich von der „Denke“ anderer halte.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Sie scheinen keine Lust zu haben, mal sachlich zu diskutieren, woher eigentlich die anderen 83 % Einflüsse bei den Kompetenzunterschieden kommen, wenn man 17 % (doch gewiss die kleinere Zahl im Vergleich zu 83 %) auf die soziale Herkunft zurückführen kann. Die Gene dürfen es doch nicht sein, oder ?
Und warum hat auch Kanada immerhin 13,8 % Risikoschüler (nur Kompetenzstufe I bei PISA 2018), wo man doch das hochgelobte Gesamtschulsystem hat, dem angeblich all das „gelingt“, was in Deutschland eben nicht „gelingt“ ? Die GEW bezieht sich gern auf Kanada, verschweigt aber diese Zahl von Risikoschülern konsequent.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

@Carsten60
Herr Möller argumentiert sachlich und orientiert sich in seiner Argumentation an allgemein zugänglichen empirischen Untersuchungsergebnissen, die er über Jahrzehnte ausgewertet und kritisch zu beurteilen gelernt hat, ohne dass ihm eine subjektive Einflussnahme auf die Beurteilung der Ergebnisse seinerseits nachzusagen wäre.
Es entspricht einer bösartigen Unterstellung ihm eine unsachliche Argumentationsweise zu attestieren !
Im Falle des Bildungserfolgs von Heranwachsenden, muss man leider konstatieren, dass dieser sich in starker Abhängigkeit von der sozialen Herkunft quer durch alle Ethnien befindet, was alle Studien als ein solches Ergebnis bestätigen.
Es stimmt zwar, dass Kinder mit einem Migrationshintergrund schlechter abschneiden, allerdings machen sich andere Faktoren, wie eine fehlende bis verminderte häusliche Unterstützung, ein geringer ausgeprägtes Bewusstsein der Eltern für die Bildung der eigenen Kinder, fehlende eigene Bildungsvoraussetzungen der Eltern, um diese weiterzuvermitteln, sowie die fehlenden oder geringeren finanzielle Mittel der Eltern deutlich bemerkbarer als bei der angestammten reicheren deutschen Bevölkerung.
Es sind aber auch immer die selben Einflussfaktoren, wie bei allen Kindern aus einem sozialschwachen Milieu, egal ob deutsch, russisch, arabisch oder sonst wie !
Daraus abzuleiten, arabische und türkische Migranten seien auf Grund ihrer genetischen Voraussetzungen dümmer oder dass diese auf Grund ihres sozio-kulturellen Hintergrundes schlechter abschneiden, entspricht dem Scheinlösung des Problems indirekt wirkenden Kofaktoren in Folge der Migration, als Ursache zu benennen.
Sie könnten genauso gut einen Bezug zur Hautfarbe, der Kräuselung der Haare und der Haarfarbe im Sinne von je dunkler und je gekräuselter, um so schlechter die genetischen Voraussetzungen für den Lernerfolg konstatieren.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

@ Carsten60 (16.12. 22:15)
Ja, in der Tat habe ich wenig Lust mit jemandem zu diskutieren, der die erhebliche Bildungsungerechtigkeit in Deutschland – trotz erdrückender Faktenlage – leugnet. Ich will Ihnen aber dennoch antworten:
Die Varianzaufklärung R hoch 2 (R2) bei PISA gibt die Stärke (Güte) des Zusammenhanges zwischen dem sozioökonomischem beruflichem Status (HISEI) und der Lesekompetenz bei einer linearen Regression an. R2 ist der prozentuale Anteil der Streuung der Testwerte um den Mittelwert, der durch das lineare Regressionsmodell erklärt wird.
In Deutschland können allein durch den HISEI 13,4% der Streuung der Testwerte erklärt werden. Dieser Wert liegt signifikant oberhalb des OECD-Wertes (10,1%). Der Wert in Deutschland gehört zu den höchsten, lediglich 7 OECD-Länder weisen einen höheren Wert auf. In insgesamt zwölf Staaten ist der Anteil der Unterschiede in der Lesekompetenz, der durch den sozioökonomischen und -kulturellen Status erklärt wird, signifikant kleiner als im OECD-Mittel. Dazu zählen unter anderem Kanada (5,8%), Finnland (7%), Norwegen (7,1%), Estland (7,2) und Dänemark (7,5%). In Japan beträgt die Varianzaufklärung nur 3,8%.
Gerade die Länder mit niedriger Varianzaufklärung zeigen, dass noch viel Luft in Deutschland nach oben ist in Richtung mehr Bildungsgerechtigkeit.
Natürlich erklärt der HISEI nicht allein die Streuung der Testwerte. Andere Einflussfaktoren seien hier exemplarisch genannt: Was haben die Schüler im Unterricht vorher gelernt (Vorwissen), was konnten (durften) sie lernen (differenzielle Entwicklungsmilieus der verschiedenen Schulformen), wie unterscheidet sich der Unterricht in verschiedenen Klassen (Wie gut war der Unterricht?), welche Begabung und welches Interesse haben die einzelnen Schüler in dem getesteten Fach, wie motiviert und konzentriert waren sie bei dem Test, welche Schulform und Klassenstufe haben sie besucht, …?
Vielleicht überzeugt Sie ja der Unterschied in den Testleistungen der sozial privilegierten im Vergleich zu den sozial Benachteiligten:
Die Abhängigkeit der Lesekompetenz vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern wächst in Deutschland. Die privilegiertesten 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben beim Lesen 2018 einen Leistungsvorsprung von 113 Punkten gegenüber den am stärksten benachteiligten 25 Prozent. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 89 Punkten. Im Jahr 2009 (Hauptdomäne Lesen) war dieser Abstand mit 104 Punkten deutlich geringer. Unter den begünstigten Kindern zählen 2018 28 Prozent zu leistungsstarken Schülerinnen und Schülern in Lesen, unter den benachteiligten Jugendlichen gilt dies nur für 3 Prozent. Auch in Mathematik und in den Naturwissenschaften waren die Leistungsunterschiede je nach sozialem Hintergrund in Deutschland 2018 größer als im OECD-Durchschnitt.

Und natürlich gibt es auch in anderen Ländern Schüler, die höchstens die Kompetenzstufe I erreicht haben. In Kanada sind es 13,8% – also jeder Siebte. In Deutschland ist es aber jeder Fünfte. In Estland nur jeder Zehnte. Das ist doch wohl ein Unterschied, der auch hier zeigt, dass noch viel Luft nach oben ist in Deutschland.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Ich leugne keine Zahlen, die bei Tests festgestellt wurden, ich argumentiere doch selbst damit. Ich leugne auch keine Ungerechtigkeit, aber die Gesellschaft ist auch außerhalb von Schule ungerecht, sogar viel (!) mehr. Davon ist aber erstaunlich wenig die Rede.
Ich fragte nur: Woher kommt denn jene Leistungsstreuung, die man nicht der sozialen Herkunft zuordnen kann? Die ist doch viel signifikanter! Und dazu gibt es gerade keine Zahlen, sondern auch von Ihnen nur allgemeines und unverbindliches Gerede; plötzlich reden auch Sie von Begabung, während uns Ilka Hoffmann (GEW) einreden will, die sei auch nur so ein „Konstrukt zur Legitimierung sozialer Ungleichheit“ (so ihr Titel in: Soziale Herkunft und Bildungserfolg, B.Jungkamp und M. John-Ohnesorg, Hrsg.). Kann es sein, dass bei PISA sowas gar nicht erfasst wird, außer der Unterschied zwischen Gymnasiasten und Nicht-Gymnasiasten mit über 100 Punkten Unterschied? Warum stürzt man sich denn so penetrant und ermüdend nur auf die soziale Herkunft, wenn doch ca. 90 % der Leistungsstreuung andere Ursachen haben? Sie argumentieren immer wie eine Ein-Themen-Partei: Es zählt nur das, was Sie sich als soziale Gerechtigkeit vorstellen (und was nicht weiter hinterfragt wird), sonst nichts.

Warum also gibt es keine Zahlen zur Korrelation von Begabung (und Intelligenz?) und Testwerten? Der DGB-Chef wünscht sich hier mit Zustimmung der GEW, dass alles nur von „Begabung und Können“ abhängen soll, also müsste mal präzisiert werden, was das genau bedeuten soll:
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/dgb-chef-soziale-spaltung-in-der-schule-nicht-ueberwunden-1/
Und wenn in Kanada jeder siebte ein Risikoschüler ist, und das trotz der handverlesenen Einwanderer, wieso spricht das für das kanadische Schulsystem? Kommen die kanadischen Risikoschüler vielleicht auch aus unteren sozialen Schichten, so wie bei uns? Warum wird das nur bei uns beanstandet? In Deutschland sind doch lt. Aussage von Herrn Köller (im ZEIT-Interview) die meisten Risikoschüler Einwanderer in der 2. Generation. Also müssten auch Sie sich mal bequemen, die unterschiedliche Einwanderungspolitik der beiden Länder als entscheidenen Faktor mit in Betracht zu ziehen. Es macht keinen Sinn, solche Fakten einfach auszublenden. In Estland gibt es seit langem eine russischsprachige Minderheit, aber offenbar kaum Zuwanderer aus dem Mittelmeerraum oder weiter südlich. Polen ist lt. Wikipedia ethnisch „extrem homogen“ und hat (vielleicht deshalb?) bei PISA auch gut abgeschnitten. Ausgerechnet Frankreich (die stolze Bildungsnation) dagegen schneidet schlecht ab. Warum? Vielleicht hilft ein preisgekrönter Kinofilm mit einem Französisch-Lehrer als Hauptdarsteller, der sich selbst spielt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Klasse
Den sollten sich am besten alle höheren Schulbürokraten mal als Pflichtübung ansehen, dann würden vielleicht manche Gerechtigkeits-Illusionen vom Winde verweht.

„Luft nach oben“
Das gilt besonders auch für die schulischen Leistungen in NRW und Bremen sowie anderen, jahrzehntelang SPD-geführten Bundesländern im IQB-Ländervergleich. Aber Sie starren halt nur auf die „soziale Gerechtigkeit“, so als sei das der Nabel der Welt.

Siegfried Marquardt
3 Jahre zuvor

Es ist absolut nicht nachzuvollziehen, dass nach über zwanzig Jahren mit der durchgehenden Digitalisierung der Schulen nunmehr begonnen werden soll. Und daraus macht die Bildungsministerin, Anja Karliczek (CDU) auch quasi noch eine Erfolgstory, indem sie formulierte, dass der Schulgipfel, wo u.a. auch das Projekt der durchgehenden Digitalisierung der Schulen behandelt wurde, „wegweisend“ gewesen sei. Es muss schon man die Frage erlaubt sein, in welcher Welt die Bildungsministerin lebt und welche Kompetenzen diese Frau in Bildungsfragen eigentlich besitzt (diese Frage müssen sich übrigens auch die Kultusminister der Länder und die Mitarbeiter der Bildungsministerien stellen). Hätte sie nur einmal ein Lehrbuch der Mathematik der oberen Klassenstufen aufgeschlagen, dann hätte sie eine CD entdeckt, die bereits seit fünfzehn Jahren pro Lehrbuch vertrieben wird. Dies impliziert, dass in einigen Schulen (Klassen) diese CD, die zum Lesen einen Computer erfordert, für die Fundierung des Lehrstoffes überhaupt nicht zum Einsatz gelangte, und damit der vermittelte Lehrstoff logischer Weise große Lücken aufgewiesen haben muss. Generationen von Schülern wurden so um profundes Wissen im Fach Mathematik geprellt. Dass die kleinen Länder wie Dänemark und Finnland, wo bereits seit Jahren die Digitalisierung durchgehend forciert wurde Deutschland was vormachen, ist einfach skandalös. Und die Bereitstellung von finanziellen Mitteln Höhe von 6,5 Milliarden Euro zur Digitalisierung der Schulen reichen vorne und hinten nicht. Bei ca. 32.000 allgemeinbildenden Schulen wären dies pro Schule rund 206.000 Euro. Für den Administrator ständen pro Jahr bereits ca. 60.000 zu Buche. Für einen hochqualitativen Server mit adäquater Speicherkapazität (aktueller Hardware und CPU-Prozessor,…) wären etwa 10.000 Euro zu veranschlagen. Da 8,3 Millionen Schüler die ca. 32.000 allgemeinbildenden Schulen besuchen, müssten pro Schule im Durchschnitt ungefähr 260 Laptops geordert werden. Bei einer guten, mittleren Preisklasse von 1000 Euro pro Laptop wären hier 260.000 Euro zu investieren (bei einer geringen Preisklasse 130.000). Bei 25 Klassen pro Schule im Durchschnitt wären mindestens 25 Drucker erforderlich, wobei man hier gut 10.000 Euro einplanen muss. Dabei ist nicht einmal die Summe für die Installation der Computerkonfigurationen und der Kompetenzzentren zur Qualifizierung der Lehrer mitkalkuliert worden. Ja und dann sind die Server auch noch ans Internet anzuschließen – hier werden nicht unwesentliche finanzielle und materielle Mittel erforderlich! Und letztlich noch die Kardinalfrage: Bis wann soll das Megaprojekt realisiert worden sein? Der Berliner Senat will dies in 15 Jahren geschafft haben, wie man kürzlich unken hörte. Dann wird Deutschland zum technologischen Entwicklungsland degeneriert sein.
Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen
P.S.: Der Bildungsgipfel hatte doch etwas Gutes an sich: Jetzt wissen wir, wie Klassenräume richtig zu durchlüften sind und wie man den Krankenstand der Schüler erhöht.