Studie: Sexuelle Übergriffe unter Schülerinnen und Schülern gehören zum Alltag

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HANNOVER. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen – von Beleidigungen, über Antatschen bis hin zur Vergewaltigung – ist alltäglich. Knapp die Hälfte der jungen Menschen ist damit konfrontiert, wie eine neue Studie ermittelt. Risiko-Ort Nummer eins: die Schule. Helfen kann nur der Austausch mit Jugendlichen sowie mehr Sensibilität für dieses Thema.

Viele Jugendliche kennen die Grenzen nicht. Illustration: Shutterstock

Cybermobbing und sexuelle Übergriffe unter Gleichaltrigen sind für viele Jugendliche alltäglich. «Die Formen der sexuellen Gewalt unter Jugendlichen gehen in dieselbe Richtung wie bei Erwachsenen: Beleidigungen, Diskriminierungen, Antatschen, versuchte Nötigung oder Vergewaltigung», sagt Andrea Buskotte von der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen am Donnerstag in Hannover.

Die Landesstelle beschäftigte sich auf ihrer Jahrestagung mit den Themen. Dabei ging es auch um Risikofaktoren sowie Ansatzpunkte für Vorbeugung und Hilfe für Betroffene. Mittlerweile werde mehr zu diesem Thema geforscht. «Wir wissen, dass knapp die Hälfte der Jugendlichen Erfahrungen mit sexueller Gewalt hat», sagte Buskotte.

„Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen in allen sozialen Schichten“

«Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen, die von Erwachsenen nicht bemerkt wird, hat es schon immer gegeben», sagt Buskotte. Es sei früher dazu nur nicht geforscht worden. Dies geschehe erst seit 10 bis 15 Jahren. Weil es dementsprechend keine Vergleichszahlen gibt, sei es schwierig, einen Anstieg solcher Übergriffe zu bilanzieren. «Fest steht, dass sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen in allen sozialen Schichten vorkommt. Und dass viele junge Menschen große Probleme damit haben», sagte Buskotte. Diese Art von Übergriffen mache Stress, verunsichere und könne Anlass für Mobbing sein.

Ein Problem: Die Kommunikation von Jugendlichen in den sozialen Netzwerken sei schwer zu greifen und liege außerhalb des Radars von Lehrern oder Eltern. Erotische Fotos oder Botschaften würden etwa verschickt, die dann der Ex-Partner frei benutzen könne.

Unter Fünft- und Sechstklässlern wächst sich das Problem aus

Ab dem elften und zwölften Lebensjahr steigen demnach die Erfahrungen mit sexueller Gewalt sprunghaft an. Dabei seien die fünf häufigsten Risiko-Orte die Schule, das Internet, der öffentliche Raum, Partys in einer anderen Wohnung oder Zuhause, hieß es auf der Tagung. Nach Angaben von Betroffenen geht die sexuelle Gewalt zu knapp 75 Prozent von 12- bis 18-Jährigen aus. Weil diese Erfahrungen so alltäglich seien, glaubten viele Jugendliche, dass diese normal seien.

Auch in Paarbeziehungen bei Jugendlichen spielen Gewalt und sexuelle Übergriffe eine Rolle, sagt Tanja Rusack, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Stiftung Universität Hildesheim. Viele würden sich aus Scham oder Unsicherheit niemandem anvertrauen.

Wichtig sei deshalb, dass Jugendliche ein Gefühl dafür bekommen, was erlaubt ist. Pädagogen müssten dafür sorgen, dass sie wissen, welche Rechte sie haben. In der Schule könnten zum Beispiel als Instrumente der Sexualkunde-Unterricht oder Gespräche zum Thema Gewalt unter Menschen dienen. Auch in der Jugendhilfe gebe es Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen.

Auch eine neue Online-Beratungsplattform der Landesmedienanstalt verspricht Hilfe. Am Donnerstag sollte es dazu erstmals einen Live-Chat auf der Seite juuuport.de geben, der psychologisch unterstützt wird.

Auch Cybermobbing unter Schülern nimmt zu – Mädchen als Opfer

Eine Expertin des Landeskriminalamtes hatte im September bei einer Tagung in Hannover darauf verwiesen, dass niedersächsische Schüler immer häufiger von Cybermobbing betroffen seien. Mädchen seien häufiger Opfer als Jungen. Konkrete Zahlen für Cybermobbing konnte das LKA nicht nennen, denn Mobbing ist im Strafgesetzbuch nicht als eigener Straftatbestand erfasst und taucht deshalb auch nicht in den Kriminalstatistiken auf. Es gebe viele Straftaten, die Mobbing seien, hieß es – etwa Stalking, Bedrohung oder üble Nachrede. dpa

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Pälzer
4 Jahre zuvor

„Weil diese Erfahrungen so alltäglich seien, glaubten viele Jugendliche, dass diese normal seien.“ Welche Bedeutung hat dabei die Berichterstattung, welche haben „Serien“?