Die nächste Bildungskatastrophe: Der Erziehermangel wächst sich drastisch aus

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NÜRNBERG. Das Problem ist nicht neu, aber es wächst: Krippen, Kitas und Grundschulen fehlt es an Erziehern. Experten fordern massive Veränderungen beim Berufsbild und in der Ausbildung.

Steigende Ansprüche, jüngere Kinder, heterogene Gruppen: Die Arbeit in der Kita wird immer anspruchsvolller. Foto: Shutterstock

Der Bedarf an Erziehern und Erzieherinnen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zufolge stark gewachsen. Derzeit seien in Deutschland rund 700.000 Erzieher sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl um ein Drittel gestiegen. «Der Erzieherberuf hat stark an Bedeutung gewonnen», sagte IAB-Forscherin Anja Warning. Der Bedarf werde sich in den kommenden Jahren noch erhöhen.

Bis 2030 fehlen bis zu 200.000 Erzieher bundesweit – niedrig geschätzt

Datenmaterial zeige, dass es bereits überdurchschnittlich starke Probleme gebe, Menschen für den Beruf zu gewinnen. In anderen Bereichen gebe es durchschnittlich elf Bewerbungen, bei Erziehern nur fünf. Arbeitgeber suchten im Durchschnitt mehr als 100 Tage, bevor sie eine offene Stelle besetzen könnten. In anderen Berufen dauere die Suche im Schnitt weniger als 90 Tage.

Die IAB-Studie macht keine eigenen Prognosen, wie viele Erziehe künftig fehlen. Das Institut Prognos hatte errechnet, dass bis 2030 bis zu 200.000 Erzieher bundesweit fehlen werden. Dabei gingen die Forscher von einem leicht verbesserten Betreuungsschlüssel aus, den Experten aber noch längst nicht als optimal erachten.

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Das Ländermonitoring frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass die Betreuungsschlüssel derzeit demnach sich zwar leicht verbessern, aber längst nicht kindgerecht sind.

Relativ hohes Alter der Beschäftigten in den Kitas

«Arbeitgeber haben bei Erzieherstellen große Schwierigkeiten, Personal zu finden», sagte IAB-Forscherin Warning. Sie zog Parallelen zu Berufen im Pflegebereich. Allerdings: Die Nachfrage nach Erziehern werde noch größer. Der weitere Ausbau der Kinderbetreuung, Ganztagsbetreuung in Grundschulen und das schon jetzt im Schnitt relativ hohe Alter der Beschäftigten würden den Bedarf in naher Zukunft weiter steigern.

Es müsse dringend die Attraktivität des Berufes gesteigert werden, heißt es in der IAB-Studie. Die Vergütung des bisher unbezahlten Schulanteils in der Ausbildung wäre eine Möglichkeit. Außerdem müssten die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht und die Möglichkeiten für Quereinsteiger verbessert werden.

Der Personalmangel bedeute Stress für die Berufstätigen, etwa wenn Stellen trotz einer gleichbleibenden Zahl von Kindern nicht besetzt werden können. Darunter leide die Qualität der Arbeit und die Attraktivität des Berufs gleichermaßen. dpa

Ab 2025 Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule – ohne Personal?

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8 Kommentare
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Pälzer
4 Jahre zuvor

Der nächste Rechtsanspruch kommt bestimmt. Wehe den Landräten und Bürgermeistern!

Pälzer
4 Jahre zuvor

«Arbeitgeber haben bei Erzieherstellen große Schwierigkeiten, Personal zu finden»
Was hat der Kindergarten noch mit den Schulen, Krankenhäusern und Ingenieurbüros gemeinsam?

Mustell
4 Jahre zuvor

Ich habe meine Karriere als Erzieher nach 14 Berufsjahren beendet. Die Arbeitsbedingungen sind eine einzige Katastrophe und führen 100% zum Burnout! Ich kann nur von diesem Job abraten. Es müssen derart drastische und massive Veränderungen stattfinden, dass es schwer vorstellbar ist, daß dieser Beruf jemals attraktiv sein wird.

Lena
3 Jahre zuvor

Ich finde den Job voll attraktiv, aber als Querenstieger keine Chance. Ich probiere seit 3 Jahren. Obwohl ich alle Voraussetzungen dafür habe. Finde voll schade. Wer will, bekommt nicht.

Nasevoll
3 Jahre zuvor

Ich musste aufgrund von Burnout den Beruf aufgeben, hatte alles gegeben, körperlich und psychisch. In jungen Jahren betreute ich 30 Kinder alleine, später gab es diese Situationen immer wieder, es ist nur noch ein Verwahren, und trotz privater Zeit, um Themen, Dokumentationen und Elterngespräche vorbereiten zu können, da es bei der Arbeit meist nicht möglich war, und wofür man kein Geld bekam, war die Enttäuschung groß und der Stress ebenso, wenn man das Gefühl mehr und mehr spürte, dass die Arbeit nichts wert war, nicht umgesetzt werden konnte, dass man eigentlich den Bauarbeiter von der Straße hätte reinrufen können, damit der einfach den Job übernimmt sowie manche Hilfskraft, die sich mehr erlauben durfte, als erlaubt war. Einfach nur schrecklich irgendwann!

Greta -Wundahl
3 Jahre zuvor

In der Zeit ,als ich im Waldorf-Mann Kindergarten gearbeitet habe , hatte ich eine Vielzahl von Ausländischen Hospitanten ,die ebenfalls in Kindergärten gearbeitet haben . Die Möglichkeit hatte ich leider nicht , da das deutsche System es nicht zugelassen hat . Meine Besucher waren von der Arbeit sehr angetan , aber völlig entsetzt über die Arbeitsbedingungen von Erziehern in Deutschland . Gerade in Skandinavien sind Erzieher gleichgestellt mit Lehrern , bekommen also das gleiche Gehalt und Ferien , haben regelmäßige Supervisionen und können auf sie zugeschnittene Gesundheitsprogramme wahrnehmen . Die regelmäßigen Fortbildungen und Kuren sind gesichert . Davon können wir nur träumen und unsere Arbeitssituation ist zum Heulen !!!!

Pit
3 Jahre zuvor

Bestimmt hilft wieder ein tolles Gesetz (oder auch nur die Idee dazu, die Idee kostet garantiert nichts, verhilft dann aber auch wieder zum „In die Kamera lächeln).

Das „Guter Kreißsaal Gesetz“,
das „Gute gesunde Kita Gesetz“,
das „Gute gesunde Schule Gesetz“,
das „Jetzt Schnauze halten und arbeiten bis du nicht mehr kannst Gesetz“,
das „Gute Seniorenverwahrungs- und häng hier im Heim nicht mehr lange rum denn du kannst nichts mehr erwirtschaften und kostest nur noch Gesetz“.

Zwischendrin ein paar Nebelkerzen nach Wahl.

Anne
3 Jahre zuvor
Antwortet  Pit

Letzteres könnte man auch kurz als „schwedisches Gesetz“ bezeichnen…