So müsste die Grundschule eigentlich sein: Ein pädagogisches Zentrum – mit multiprofessionellem Kollegium und kleinen Klassen

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DÜSSELDORF. Der VBE Nordrhein-Westfalen hat eine Debatte über die Zukunft der Grundschule angestoßen. Klar sei: „Die Grundschule ist die einzige Schule für alle Kinder. Sie spiegelt die Heterogenität in den Klassen, inklusiver und integrativer Unterricht gehören zum Alltag. In der Grundschule wird die Basis der Bildung aller Kinder gelegt. Deshalb muss die Grundschule deutlich mehr in den Blick der Politik genommen werden“, so heißt es in einem Grundsatzpapier. Aber: Welche Rolle kommt der Grundschule in einer digitalisierten Welt zu? Und wie kann es Lehrkräften gelingen, den wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden? Der VBE hat dazu erste Vorschläge parat.

Ein multiprofessionelles Team aus Lehrern, Sozialpädagogen, Schulpsychologen und weiteren qualifizierten Mitarbeitern wünscht sich der VBE für die Grundschule. Foto: Shutterstock

Aus Sicht des VBE bedarf es einer grundsätzlichen Diskussion darüber, wie die (Grund-)Schule künftig arbeiten soll – und mit welchen Zielen. Sowohl der Bildungsbegriff und, damit einhergehend, der Leistungsbegriff müssten im Zeitalter von Google und Co. neu definiert werden. Dabei stellten sich drei Kernfragen: „Welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigen Kinder und Jugendliche für eine partizipative Teilhabe an unserer Gesellschaft unter demokratischen Gesichtspunkten?“ „Welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigen Kinder und Jugendliche für eine sich wandelnde Berufswelt?“ „Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf das System Schule und die in ihm verankerten Personen?“

Die Grundschulen stehen vor gewaltigen Herausforderungen – wie der Inklusion

Die Ausgangslage sei schwierig. Die Arbeit in den Grundschulen werde zunehmend belastender. Die Kollegien seien massiv vom Lehrkräftemangel betroffen. „Im System sind immer weniger grundständig ausgebildete Lehrkräfte, die immer mehr Aufgaben übernehmen müssen“, so schreibt VBE-Landeschef Stefan Behlau.

Dazu kämen die Herausforderungen durch die Inklusion. „Obwohl der Anteil der Kinder im gemeinsamen Lernen, also Kinder mit und ohne Behinderung, an den Grundschulen am höchsten ist, wurden die Grundschulen bisher bei der Neuausrichtung der Inklusion noch nicht mitgedacht.“ Ausgeschriebene Stellen für Sonderpädagogen könnten nur selten überhaupt besetzt werden. „Dennoch sollen die Lehrkräfte in den Grundschulen die Vorarbeit dazu leisten, dass inklusives Lernen an den weiterführenden Schulen effektiv und sinnvoll durchgeführt werden kann“, so heißt es anklagend in dem Papier.

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Perspektivisch sei es sinnvoll und wünschenswert, Grundschulen zu „Quartiersschulen“ zu entwickeln – zi pädagogischen Zentren also, in denen Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien angesiedelt werden. Dies sei jedoch an folgende Voraussetzungen gekoppelt:

  • Die Schulleitung benötigt eine entsprechende Erhöhung ihrer Leitungszeit, um die zusätzlichen Aufgaben bearbeiten zu können.
  • Ebenso kann eine Quartiersschule nur mit dem entsprechenden Einsatz des Kollegiums erfolgreich sein. Auch dieses benötigt für den erweiterten Aufgabenbereich zusätzliche zeitliche Ressourcen.
  • In den meisten Schulgebäuden sind sämtliche vorhandenen Räumlichkeiten belegt. Demzufolge sind bauliche Maßnahmen notwendig, um eine Quartiersschule zu ermöglichen.
  • Darüber hinaus werden zusätzliche sächliche Ressourcen gebraucht.

„Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass diese Forderung mit der aktuellen Ausstattung der Schulen in der Regel nicht möglich ist“, so betont Behlau. Die Umwandlung zu Quartiersschulen komme realistischerweise – auch falls massiv investiert werden sollte – in absehbarer Zeit nur für einzelne Schulstandorte infrage.

Am Anfang steht die Bekämpfung des Lehrermangels

Dazu sei ein qualitativ hochwertiger Ganztag wünschenswert. Während in NRW der offene Ganztag – mit Unterricht am Vormittag und unverbindlichen Betreuungsangeboten am Nachmittag – die Regel ist, fordert der VBE perspektivisch die Option, dass Grundschulen freiwillig entscheiden können, in einen gebundenen Ganztag zu gehen, der eine Förderung über den ganzen Tag erlaubt. Allerdings: „Damit Kinder im offenen Ganztag nicht hauptsächlich betreut werden, werden Beschäftigte mit pädagogischen Qualifikationen gebraucht. Dieser Personenkreis ist nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen im Ganztag und wertschätzenden Verträgen für die zu leistende Arbeit zu gewinnen. Der Ganztag benötigt aber ebenso ausreichend Räumlichkeiten und eine gute sächliche Ausstattung, damit er gelingen kann.“

Überhaupt: Die Qualität der Grundschulen hängt laut VBE entscheidend davon ab, den grassierenden Mangel an Grundschulpädagogen in den Griff zu bekommen. „Grundschulen benötigen eine bessere und systematische Unterstützung. Nur so ist es möglich, dass in den Grundschulen eine auf die Zukunft gerichtete Schul- und Unterrichtsentwicklung gestaltet werden kann“, so unterstreicht Behlau. Hierzu gehörten neben „einer gerechten und wertschätzenden Bezahlung mit der Eingangsbesoldung A13/EG13 für alle Lehrkräfte und die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams“. Agentur für Bildungsjournalismus

Geforderte Entlastungen

Der VBE fordert Entlastungen von Grundschullehrkräften, um die Zukunftsfähigkeit der Grundschulen zu gewährleisten. Entlastungsmöglichkeiten sieht der VBE in folgenden Bereichen:

  • Angleichung der Anrechnungsstunden an die der weiterführenden Schulen,
  • feste Beratungszeiten als Teil der Unterrichtsverpflichtung,
  • Absenkung der Unterrichtsverpflichtung auf 25,5 Stunden (parallel zu den Schulen des gemeinsamen Lernens),
  • Festlegung der Klassengrößen auf 24 Kinder pro Klasse, wobei Kinder mit sonder-pädagogischem Förderbedarf doppelt gezählt werden,
  • zeitgemäße Ausstattung mit digitalen Endgeräten,
  • Einrichtung von Lehrerarbeitsplätzen.

Wann, wenn nicht jetzt? Gebt Lehrern endlich die Unterstützung, die sie brauchen!

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8 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor

Interessant, wie die Autoren bei der Schülerschaft abgesehen von der ebenfalls weitgehend durch eine rosarote Brille betrachteten Inklusion von einer sehr heilen Welt ausgehen. Spieltheoretisch betrachtet gibt es aber heutzutage leider eine immer größer werdende Klientel, die keinen Vorteil von einer Konsensgesellschaft und an der Einhaltung von „westlichen“ Normen hat.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Sie und Ihre AfD-Kumpels zum Beispiel nicht.

Anna
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Es gibt hin und wieder Kommentare von Lehrkräften auf dieser Seite, bei denen mir schlecht wird.

Es gibt eine “größer werdende Klientel, die keinen Vorteil von einer Konsensgesellschaft und an der Einhaltung von ‘westlichen’ Normen hat”?

Heißt also: Es gibt Schüler (natürlich Migrantenkinder), bei denen von Anfang an keine Aussicht auf Bildungserfolg besteht – weil die ja kein Interesse an “westlichen Normen” haben. Für die muss man sich also auch nicht anstrengen.

Das ist Rassismus pur. Was passiert wohl mit einem Schüler mit Migrationshintergrund, der einem solchen Lehrer in die Hände fällt?

Zum Beitrag selbst: Endlich setzt mal ein LehrerInnenverband eine positive Zielvorstellung, wie Schule aussehen müsste, der traurigen Realität gegenüber. Nur so – mit einer klaren Vision – kommen Lehrkräfte mal aus der Defensive heraus, sich ständig gegenüber den Zumutungen der Bildungspolitik verteidigen zu müssen. Das setzt die Politik nämlich unter Druck, erklären zu müssen, warum das nicht gehen soll. Gut so.

Und: Ohne Multiprofessionalität wird es in Zukunft an Schulen nicht funktionieren.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bernd, wenn Sie unter „westliche Normen“ Ihre Haltung verstehen, haben Sie recht. Diese ruiniert aber aktuell die „westliche Welt“. Wenn Sie unter „westliche Norm“, die Ihnen Ihre Lebensumstände beschert hat, dann ist zugegebenermaßen die konservativere Haltung näher dran, weil die gerade das erhalten möchte und die Probleme klar benennt. Konkrete, sinnvolle Lösungen fehlen zwar, aber die „Kuschelpädagogik“ der Grünen funktioniert auch nicht.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Seit wann ist Rassismus, Kulturpessimismus und Sozialnerdigkeit „konservativ“. Konservativ kommt von „conservare“ – erhalten -, und was, bitteschön, möchten Sie denn vom heutigen Deutschland erhalten?

Sie würdigen Migranten herab, schimpfen auf die liberale Gesellschaft, auf Wissenschaft, Politik, Journalismus und Frauen, haben mit den Kirchen nichts am Hut, halten einen menschlichen und zugewandten Umgang mit Kindern für „Kuschelpädagogik“. Sie haben nach Ihren Posts hier nichts mit dem zu tun, was dieses freie, demokratische und christlich geprägte Land ausmacht und zeigen sich so integriert wie ein islamistischer Mufti.

Und gerade Sie werfen anderen vor, Sie seien in die „westliche Welt“ nicht integriert? Grotesk

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

XXX
Ihren Positionen sind weder Wertkonservativ, noch zielen diese auf eine Integration von Menschen mit einem Migrationshintergrund hin, geschweige denn, dass diese einem Bildungserfolg dieser Gruppen dienlich sind.
Sie lehnen eine gezielte Förderung dieser Personengruppen ab und so wird vorauseilend eines ihrer Ziele erreicht, diesen Gruppen von vornherein keine oder nur geringe Chancen auf einen Bildungserfolg zu ermöglichen.

dickebank
4 Jahre zuvor

@ xxx – warum es in der VBe-Initiative geht, ist Ihnen als NRWler doch vermutlich bewusst. Der VBE fordert doch lediglich das auf Ebene der vorschulischen Erziehung bereits bestehende System der „Familienzentren“ auf die Grundschulen zu übertragen und diese als „Quatiersschulen“ weiter zu entwickeln.

Dass diese Quatiersschulen genauso woe die Familienzentren in erster Linie in Quartieren gebraucht werden, die sozio-ökonomisch nicht zu den besser gestellten, bürgerlichen Quartieren gehören, ist selbstredend. Dass diese Quartiere von Personen bevölkert werden, die kaum Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt haben, muss ebenfalls nicht weiter ausgeführt werden. In den Quartieren der unteren Mittelschicht (Arbeitervierteln) sind diese Einrichtungen zwar wünschenswert, um beratend zu unterstützen, aber nict zwingend notwendig. Hier reicht zumeist schon die bereits existierende Schulsozialarbeit und die Studien- und Berufsberatung aus. – Wobei; mehr ist immer schön.

Die Quartierschulen sind aus meiner Sicht sozialpädagogische Ankerzentren in Brennpunktvierteln. Die multiprofessionellen Teams der angedachten Quartierschulen sollten versuchen, den zuständigen Kontaktbeamten der Polizei und die Jugendgerichtshilfe – auch wenn die Strafmündigkeit erst ab 14 einsetzt – mit ins Boot zu holen.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Wieso riecht das alles nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Günstlinge? Die Betreiber der Ankerzentren sind ja arbeitslos, wenn es diese offiziell aufzulösenden sozialen Brennpunkte nicht mehr gibt.