Einen Platz an der Wunschschule einklagen? Die Chancen stehen schlecht – sagen Anwälte

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DÜSSELDORF. Dass ihr Kind eine bestimmte weiterführende Schule besucht, ist für viele Eltern ein sehr großes Anliegen. Allerdings ist es oftmals nicht möglich, dass jedes Kind einen Platz an der Wunschschule bekommt. „Deshalb erhalten wir jedes Jahr Anfragen von Eltern, die juristische Unterstützung beim Widerspruch gegen die Ablehnung der Schule wünschen“, so berichten die Anwälte der aufs Bildungsrecht spezialisierten Kanzlei Schäfer & Berkels in Düsseldorf. Sofern das Auswahlverfahren durch die Schule rechtmäßig ist, seien jedoch die Erfolgsaussichten, auf rechtlichem Weg einen Platz an der Wunschschule einzufordern, äußerst gering.

Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sind in den Schulgesetzen der Länder geregelt. Foto: Shutterstock
Vor Gericht zu ziehen, macht – wenn ein Platz an der Wunschschule abgelehnt wurde – meist nur wenig Sinn. Foto: Shutterstock

Verfassungsbeschwerde durch Schülerin wegen Ablehnung von der Wunschschule

Nach dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz (SchulG NW, § 46, Abs. 2) kann die Aufnahme in eine Schule abgelehnt werden, wenn ihre Aufnahmekapazität erschöpft ist oder die Zahl der Anmeldungen die Mindestgröße unterschreitet. Für die Entscheidung über die Aufnahme in der Schule zieht die Schulleitung wahlweise eines oder mehrere der folgenden Kriterien heran. Die Aufnahmekriterien sind in NRW abschließend in § 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I (APO-SI) für die weiterführende Schule geregelt: Geschwisterkinder, ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache, Schulwege, Besuch einer Schule in der Nähe der zuletzt besuchten Grundschule sowie Losverfahren, darüber hinaus in Gesamtschulen und in Sekundarschulen: Berücksichtigung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit (Leistungsheterogenität).

Schülerin berief sich auf ihre Grundrechte

An Schulen mit einem Angebot zum gemeinsamen Lernen gibt es für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf ein eigenständiges Aufnahmeverfahren für diese Plätze. Liegt ein besonderer Härtefall vor, so ist die Schülerin oder der Schüler vorrangig aufzunehmen. Ob eine besondere Härte vorliegt, ist immer eine im Einzelfall zu beurteilende Frage und gesetzlich nicht eindeutig definiert.

Gegen einen Ablehnungsbescheid der Schule können Schüler, vertreten durch die Erziehungsberechtigten, Widerspruch einlegen oder im weiteren Schritt auch Klage erheben. Sofern das Auswahlverfahren durch die Schule rechtmäßig durchgeführt wurde, werden allerdings in der Rechtsprechung Klagen erfahrungsgemäß abgewiesen, wie auch in dem folgenden Fall (Verfassungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12.11.2019, Az.: 47/19.VB-3):

Aufgrund der hohen Zahl der Anmeldungen erhielt eine Schülerin im April 2019 eine Absage von ihrer Wunschschule, bekam aber einen Platz an ihrer Zweitwunschschule angeboten. Gegen die Ablehnung legte sie Widerspruch ein. Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob sie Klage und stellte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht. (Dieser ermöglicht es einem Antragsteller, seine Rechte in einem beschleunigten Verfahren – so genanntes Eilverfahren – vorläufig zu sichern. Das eigentliche Verfahren läuft parallel weiter; es kann mehrere Jahre dauern bis eine Entscheidung vorliegt.) Nachdem der Antrag vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde, legte sich Beschwerde und schließlich Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen ein.

Die Schülerin begründete ihre Beschwerde mit dem Verstoß gegen die Grundrechte wie die Glaubensfreiheit, Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, Recht auf Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz sowie dem Sozialstaatsprinzip durch Ablehnung ihres Schulzulassungsanspruchs. Es könne nicht von ihr verlangt werden, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, da ihr dadurch schwere und nicht mehr ausgleichbare Nachteile entstünden. Die Vergabe der Schulplätze sei entgegen der Auffassung der Gerichte rechts- und verfassungswidrig gewesen. Des Weiteren beantragte die Schülerin, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, sie vorläufig zum Schuljahr 2019/2020 in die 5. Klasse ihrer Wunschschule aufzunehmen.

Besonders intensiver Grundrechteeingriff? Nicht zu erkennen

Der Verfassungsgerichtshof kam zu der Entscheidung, dass die Beschwerde teilweise unzulässig sei und wies sie im Übrigen als unbegründet zurück.

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Als Begründung führte das Verfassungsgericht unter anderem an, dass die Auslegung und Anwendung des Prozessrechts grundsätzlich die Aufgabe der zuständigen Fachgerichte sei. Das Eingreifen des Verfassungsgerichts komme erst dann in Betracht, wenn die fachgerichtliche Entscheidung Fehler bei der grundsätzlichen Beachtung von Grundrechten erkennen ließe.

Nach Auffassung des Gerichts könne der Beschwerde der Klägerin vollständig im Hauptsachverfahren abgeholfen werden. Dass die Beschwerdeführerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihre Schullaufbahn bereits abgeschlossen haben könnte, sei angesichts einer verbleibenden Schulzeit von acht Jahren nicht zu erkennen.

Es sei auch nicht erkennbar, dass der Schülerin dadurch ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde. Schwere und unabwendbare Nachteile setzen einen besonders intensiven Grundrechtseingriff voraus, der auch bei späterem Erfolg eines Rechtsmittels nicht mehr beseitigt werden könnte, also irreparabel ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 2018 – 2 BvR 174/18 -, juris, Rn. 16). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht die von ihr an erster Stelle gewünschte Schule, sondern ihre als Zweitwunsch angegebene Schule besuchen müsste, begründe für sich allein keinen schweren Nachteil. Die Beschwerdeführerin sei in der Lage, ihre Schulausbildung fortzusetzen, so dass ihr – entgegen ihrer Behauptung – kein Zeitverlust entstünde. Inwieweit der Beschwerdeführerin konkrete, ihre Ausbildung betreffende Nachteile durch den Besuch des von ihr an zweiter Stelle gewünschten Gymnasiums entstehen würden, sei nicht ausreichend vorgetragen worden.

Losverfahren? Die Schulleitung sollte sich Zeugen hinzuziehen

Ein Beispiel für die erfolgreiche Klage eines Schülers ist ein bereits oft zitiertes Urteil aus dem Januar 2019, bei dem ein fehlerhaftes Auswahlverfahren durchgeführt wurde (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, 23.01.2019, Az.: 19 A 2303/17). Die Schulleitung hatte die Gemeindezugehörigkeit der angemeldeten Schüler als Auswahlkriterium herangezogen, was unzulässig ist. Der Antrag der Klägerin auf vorläufige Aufnahme ihres Kindes in die 5. Klasse besagter Schule wurde zwar abgelehnt, allerdings wurde der Ablehnungsbescheid der Schule aufgehoben und die Schulleitung verpflichtet, über die Aufnahme des Kindes neu zu bescheiden.

Ein zulässiges Aufnahmekriterium, das allerdings jedes Jahr erneut für Diskussionen und Aufregung sorgt, ist das Losverfahren. Das Auslosen darf allein durch die Schulleitung erfolgen, so dass Kritiker die Rechtmäßigkeit der Ergebnisse in manchen Fällen anzweifeln. Aus diesem Grund empfiehlt es sich vorbeugend, das Losen unter Anwesenheit von Zeugen durchzuführen.

Unabhängig davon, welche Kriterien Schulleitungen heranziehen, das Auswahlverfahren muss bei Widersprüchen und Klagen von abgelehnten Bewerbern transparent und nachvollziehbar sein.

Die Kanzlei

Die Anwälte der in Düsseldorf ansässigen Rechtsanwaltskanzlei sind seit mehr als einem Jahrzehnt spezialisiert auf die Bereiche Verwaltungs- und Arbeitsrecht mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bildungsrecht. Detaillierte Informationen zu ihren Dienstleistungen sind abrufbar unter www.schaefer-berkels.de 

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Pälzer
4 Jahre zuvor

Hat die Zehnjährige diese Klage und diese Argumente wirklich – wie im Text dargestellt – selber vorgetragen? Erstaunlich!