Mehrarbeit?! Lehrer kochen vor Wut über Piazolos Schreiben. Die GEW fordert stattdessen eine Kürzung der Stundentafel

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MÜNCHEN. „So geht man mit seinen Beschäftigten nicht um, auch nicht in Zeiten der akuten Gefährdung des Schulbetriebs!“, so schimpft die GEW. Sie meint: „Die Lehrkräfte an den Schulen sind nicht mehr in der Lage, noch weitere Belastungen zu tragen. Sie benötigen dringend Arbeitsentlastung und keine weitere Arbeitsverdichtung!“ Anlass der Empörung: die Ankündigung von Bayerns Kultusminister Piazolo, Lehrer an Grund- und Mittelschulen in den nächsten Jahren mehr arbeiten zu lassen. Der Lehrermangel schlägt nun auch in Bayern mit voller Wucht zu.

Bekommt gerade mächtig viel Ärger zu spüren: Bayerns Kultusminister Michael Piazolo. Foto: Andreas Gebert / StMUK

Mit einem Brief an alle „Lehrkräfte, Fachlehrkräfte und Förderlehrkräfte an den Grund- und Mittelschulen in Bayern“ hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) versucht, die Wogen zu glätten. „Unsere bayerischen Schülerinnen und Schüler haben das Privileg, nicht nur von professionell ausgebildeten, sondern auch von hoch motivierten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet zu werden, die ihren Beruf engagiert und mit Überzeugung ausüben“, so schreibt er darin.  Und: „Mit Ihrer täglichen pädagogischen Arbeit im Klassenzimmer leisten Sie hierzu einen ganz entscheidenden Beitrag. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken.“

„Kurzfristig bauen wir auf die Unterstützung der aktiven Lehrkräfte“

Dann allerdings kommt er zum unangenehmen Teil seiner Botschaft: dem Lehrermangel. „Die Ursachen hierfür sind vielfältig und teils schwer kalkulierbar – zu nennen wären hier z. B. gestiegene Geburtenzahlen oder der gestiegene Zuzug nach Bayern. Auch die zusätzlichen Lehrerstellen, die in den vergangenen Jahren z. B. in den Bereichen Ganztag oder Inklusion zur Unterstützung der pädagogischen Arbeit geschaffen wurden, haben unsere Lehrkräfte zwar entlastet, andererseits auch weitere Lehrerbedarfe erzeugt“, so schreibt er. Auch habe sich die Personalstruktur gewandelt; immer mehr Lehrer arbeiteten in Teilzeit. Kurzum: „All dies führt dazu, dass die vorhandenen Bewerberinnen und Bewerber in den kommenden Jahren nicht mehr ausreichen werden, um die Personalbedarfe an den Grund- und Mittelschulen zu decken.“

Was dann kommt, sorgt im Freistaat für breite Empörung. „Kurzfristig bauen wir daher auf Ihre, d. h. auf die Unterstützung der aktiven Lehrkräfte, um mit einer Kombination aus freiwilligen und dienstrechtlichen, d. h. verpflichtenden Maßnahmen die Lehrkapazitäten ab dem kommenden Schuljahr zu erhöhen“, schreibt Piazolo. Heißt: Viele Lehrer der betroffenen Schulformen müssen ab dem kommenden Schuljahr mehr arbeiten, was ihnen in fünf Jahren dann in Form von Entlastung erstattet werden soll. Außerdem dürfen sie künftig nur noch in Ausnahmefällen vor dem 66. Lebensjahr in Rente gehen. Bei Teilzeitverträgen steigt die Mindeststundenzahl, und Sabbatjahre werden abgeschafft (im Wortlaut des Briefes: siehe Kasten unten).

„Verzweifelte Versuche, die Unterrichtsversorung sicherzustellen, sind gescheitert“

Lehrervertreter zeigen sich entsetzt – über den Inhalt des Schreibens, aber auch über die Art des Vorgehens. „Die verzweifelten Versuche des Kultusministeriums, die Unterrichtsversorgung mit fachfremdem Personal, mit noch nicht fertig ausgebildeten Lehrkräften, mit Umschulungsmaßnahmen sowie mit dem Slogan ‚Vor jeder Klasse steht ein Lehrer‘ (Piazolo) sicher zu stellen, sind nun gescheitert“, stellt Johannes Schiller, Sprecher der Landesfachgruppe Sonderpädagogische Berufe und Mitglied im Hauptpersonalrat fest.

„Die Personalvertretungen wurden über diese Maßnahmen nicht informiert. Dies ist schlicht rechtswidrig“, erklärt Ruth Brenner, Vorsitzende der GEW-Landesfachgruppe für Grund- und Mittelschulen und Mitglied im Hauptpersonalrat. „Aber nach dem Motto: ‚Was kümmert mich eine Personalvertretung, ich sorge mich ja auch nicht ums Personal‘ kann sich das Kultusministerium anscheinend alles erlauben.“

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Dabei hätten die GEW und weitere Verbände sowie die Opposition im bayerischen Landtag bereits seit Jahren darauf hingewiesen, dass der Mangel an Lehrkräften an besagten Schularten erhebliche Ausmaße angenommen hat – vergeblich. Alle Lösungsvorschläge seien ignoriert worden. Es sei versäumt worden, den Lehrerberuf attraktiver zu machen  –  durch A13 für alle. Auch sei die Stundentafel nicht gekürzt worden. „Dies ist in unseren Augen die einzige Maßnahme, die kurzfristig dem Personalmangel entgegenwirkt, ohne die Kolleg*innen zusätzlich zu belasten. Diese vorübergehende Reduzierung muss ohne jegliche Kürzung von Haushaltsmitteln im Schulbereich erfolgen“, so heißt es bei der GEW.

Lehrermangel ist Folge einer verfehlten Planung – also hausgemacht

Und weiter: „Man muss es immer wieder klar und deutlich sagen: Der Personalmangel an Grund-, Mittel-, und Förderschulen ist hausgemacht und Folge einer verfehlten Planung. Geburtenraten, Ruhestandsversetzungen und Ausbildungskapazitäten sind Größen, die bekannt sind und in langfristige Planungen hätten einbezogen werden müssen. Die Konsequenzen dieser desaströsen Fehlplanungen bekommen nun vor allem die Kolleg*innen an den Schulen zu spüren.“ Auch Piazolos Versuch, in seinem Schreiben um freiwillige Beiträge der Lehrerschaft zu bitten, wird kritisiert. „Aus Sicht der Bildungsgewerkschaft grenzt es an Zynismus, wenn Piazolo an die bayerischen Lehrer*innen appelliert, auf freiwilliger Basis einen Beitrag zu leisten, beispielsweise durch Erhöhung der Teilzeitstunden oder durch Aufschieben des Ruhestands, um dann diese Maßnahmen ein paar Absätze weiter dienstrechtlich vorzuschreiben.“

Auch aus den konservativen Lehrerverbänden – die unlängst noch die bayerische Bildungspolitik über den Klee gelobt hatten (News4teachers berichtete) – kommt harsche Kritik. Von „enormem Sprengstoff“ ist bei der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Lehrerverbände (abl) die Rede, in der unter anderem der Philologenverband und der Realschullehrerverband zusammengeschlossen sind. „Die vorgestellten Maßnahmen führen zu einem großen Vertrauensverlust in den Dienstherrn und sie sorgen für Verunsicherung bei Lehrkräften aller Schularten“, erklärt abl-Präsidentin Walburga Krefting, Vorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft.

„Nicht vertretbarer Einschnitt in die Lebensplanung von Lehrkräften“

„Insbesondere stellt die Anhebung der Altersgrenze für den Antragsruhestand einen nicht vertretbaren Einschnitt in die Lebensplanung von Lehrkräften nach jahrzehntelangem Einsatz für den Freistaat Bayern dar. Dieser Sündenfall zu Lasten einer einzelnen Beamtengruppe passt nicht zur beamtenrechtlichen Führungsrolle Bayerns“, so sagt sie. Und: „Wir gehen im Übrigen davon aus, dass sich im praktischen Vollzug die Maßnahme eher als kontraproduktiv erweisen wird.“ Soll wohl heißen: Der Schuss geht nach hinten los, weil dann noch mehr Lehrer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden als ohnehin schon. News4teachers

Im Wortlaut

Was hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo den Lehrern an Grund- und Mittelschulen genau angekündigt? Im Wortlaut seines Schreibens heißt es dazu wörtlich:

„Im Bereich des Dienstrechts konnten wir die Spielräume, die das Bayerische Beamtengesetz z. B. bei Teilzeit oder vorzeitigem Ruhestand bietet, in den letzten Jahren im Interesse unserer Lehrerinnen und Lehrer großzügig nutzen. Nun ist es unausweichlich, dass wir diese Spielräume – wie es das Beamtenrecht für solche Situationen ausdrücklich vorsieht – enger fassen. Im Einzelnen geht es insbesondere um folgende Maßnahmen:

  • Einführung eines Arbeitszeitkontos für Grundschullehrkräfte an Grundschulen: Die Unterrichtspflichtzeit wird vorübergehend um eine Stunde erhöht („Ansparphase“). Dabei ist garantiert, dass Ihnen die so geleistete Mehrarbeit in der sog. „Rückgabephase“ durch eine Verringerung der Unterrichtspflichtzeit im selben Umfang ausgeglichen wird. Lehrkräfte in den letzten Dienstjahren und Schwerbehinderte sind vom Arbeitszeitkonto nicht betroffen. Da die Bedarfslage an Mittel- und Förderschulen innerhalb des dienstrechtlich vorgegebenen Zeitrahmens keine Rückgabephase ermöglicht, bleibt das Arbeitszeitkonto auf die Grundschule beschränkt.
  • Anhebung des Mindeststundenmaßes bei Antragsteilzeit für Lehrkräfte und Fachlehrkräfte: Antragsteilzeit ist weiterhin möglich. Das Mindeststundenmaß beträgt jedoch künftig 24 Wochenstundenstunden. Dies schließt Lehrkräfte, denen in den vergangenen Jahren per Bestandsschutz niedrigere Teilzeitumfänge als das bisherige Mindestmaß genehmigt wurden, mit ein. Schwerbehinderte und gleichgestellte Lehrkräfte sind weiterhin ausgenommen. Bei Teilzeit in Elternzeit bzw. familienpolitischer Teilzeit ändert sich nichts.
  • Änderungen beim Antragsruhestand für Lehrkräfte, Fach- und Förderlehrkräfte an Grund- und Mittelschulen: Der Antragsruhestand zum Schuljahresende wird weiter möglich sein. Anträge auf einen Beginn des Antragsruhestands vor Vollendung des 65. Lebensjahres werden allerdings bei einer Einzelfallabwägung wegen des hohen Stellenwerts der dienstlichen Belange auch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation in der Regel abzulehnen sein.
  • Keine neue Genehmigung von „Sabbatjahren“: Neue Freistellungsmodelle können in den nächsten Jahren – unabhängig von der Dauer – allgemein nicht genehmigt werden. Bereits genehmigte Modelle können selbstverständlich umgesetzt werden.

Ich versichere Ihnen schon heute: All diese Maßnahmen haben vorübergehenden Charakter. Wir werden sie zurücknehmen, sobald es die Bedarfssituation zulässt. In den nächsten Jahren gilt es jedoch erst einmal, die Bedarfsentwicklung genau im Auge zu behalten; das Staatsministerium wird die Schulen hierzu auf dem Laufenden halten.“

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Lehrermangel: Piazolo ordnet Mehrarbeit für Grundschullehrer an – BLLV und GEW kündigen “massiven Widerstand” an

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29 Kommentare
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Emil
4 Jahre zuvor

In NRW gab es auch mal sog. Vorgriffsstunden. Auch da wurde behauptet, das sei vorübergehend.
Am Ende der Zeit wurde die Unterrichtsverpflichtung dann um 1 Stunde erhöht. Nur der Name “ Vorgriffsstunde“ fiel weg, War dann halt normales Pensum.
Wie lange wollen uns die Herren Politiker eigentlich noch verar …..?

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  Emil

Vor 20 Jahren gab es schon einmal das Arbeitszeitkonto in Bayern. Man hat ein paar Jahre die Stunden angespart (also eine Stunde mehr gearbeitet) und sie wie versprochen dann in den Folgejahren ermäßigt bekommen. In Bayern hat das also geklappt.
Zu der Zeit hatten wir noch eine volles Deputat in der Grundschule von 29 Stunden, man hat also voll 30 Stunden gearbeitet, wenn man angespart hat.
Inzwischen haben wir in der Grundschule 28 Stunden im vollen Deputat, das wurde irgendwann heruntergefahren.

SR500
4 Jahre zuvor

Wie lange lassen sich Lehrer so etwas noch gefallen?
Einfach mal alle Schulen für einen Tag zur Warnung geschlossen lassen!
Wenn die Eltern dann mit den Kindern morgens da stehen und keiner macht auf, wird der Druck noch größer.

Marie
4 Jahre zuvor
Antwortet  SR500

Leider können sich jedoch alle auf das Streikverbot für ( verbeamtete ) Lehrkräfte verlassen…

mississippi
4 Jahre zuvor

Streiken darf man ja leider nicht (die Beamten zumindest), ansonsten wäre es echt an der Zeit!!! Der Schuss wird bestimmt nach hinten losgehen, denn irgendwann geht das mit der Mehrbelastung einfach nicht mehr und die LehrerInnen werden krank und müssen öfter zu Hause bleiben. Hoffentlich tun sie es auch….

Marie
4 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Nachdem unsere Schulleitung verpflichtet wurde, alle voraussetzungslosen Anträge auf Teilzeit abzulehnen und ich daher davon ausgehen muss, ab Sommer wieder 28 Stunden im Unterricht zu stehen statt wie bisher 20, bin ich bei Krankheit konsequent: Ich melde mich auch in den Fällen krank, in denen ich bisher arbeiten ging ( „ es sind ja nur 4 Stunden, die hältst du schon durch“). Irgendwann müssen „ die da oben“ dann mal merken, dass man nicht immer mehr Belastung bei den Kolleg*Innen abladen kann. Beim ersten Mal saß ich tatsächlich mit einem schlechten Gewissen zu Hause und den ständigen Gedanken, ob es nicht doch irgendwie gegangen wäre, aber inzwischen ist ganz klar: krank ist krank, und wenn ich mich krank zur Arbeit schleppe, wird es im Endeffekt nur noch schlimmer und ich falle noch länger aus. So langsam kommen auch meine Kolleginnen zu dieser Einsicht…

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

In welchem Bundesland ist das? Das ist ja schlimmer als in Bayern. Bei uns entscheidet übrigens nicht die Schulleitung, sondern eine übergeordnete Schulbehörde, das ist die Regierung.

In Bayern kann ohne Angabe von Gründen Teilzeit machen. Nur wird das jetzt von 20 bzw. 21 Stunden (bin mir nicht ganz sicher, was die untere Grenze in diesem Schuljahr war) nun hochgefahren auf mindestens 24 Stunden. Wer Kinder unter 18 hat, ist davon nicht betroffen. Bitter ist es für die betroffenen Leute schon, vor allem, wenn sie einige Stunden mehr machen müssen. Sie haben ja nicht ohne Grund reduziert, meistens um den Stressfaktor zu reduzieren.

Marie
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ist in NRW. Letztendlich entscheidet bei uns auch die übergeordnete Behörde, aber auf dem Antrag muss die SL eine Stellungsnahme abgeben, ob die Teilzeit mit dem Stundenkontingent der Schule realisierbar ist. Da wir – wie viele andere Schulen auch- unterbesetzt sind, hat sie vom Schulamt die Anweisung, den Antrag abzulehnen, und mit dieser Ablehnung „wandert“ das Ganze dann weiter zum Schulamt und zur Bezirksregierung. Ich warte jetzt auf deren Entscheidung und schaue dann mal, wie es weitergeht.

ysnp
4 Jahre zuvor

„Außerdem dürfen sie künftig nur noch in Ausnahmefällen vor dem 66. Lebensjahr in Rente gehen.“
Das ist sachlich falsch. In dem Schreiben des Kultusministers steht, wie selbst weiter unten richtig zitiert wird, dass der Antragsruhestand vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur in Ausnahemefällen genehmigt wird und nicht vor dem 66. Lebensjahr. Mit 65 könnte man dann mit den üblichen Abzügen aufhören. Zur Zeit tritt man mit 66 in den normalen Ruhestand ein.

Das bedeutet 1 Jahr später als bisher. Letztes und dieses Schuljahr war/ ist der Antragsruhestand ab 64 möglich. Da man immer nur zum Schuljahrsende aufhören kann, ist gerade der normale Pensionseintritt mit 66.

dickebank
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Beamte und angestellte gehen am Ende des Schulhalbjahres, in dem sie die gesetzliche Altersgrenze erreichen, in den Ruhestand. Wer in NRW in diesem Schuljahr Am ersten oder zweiten Februar Geburtstag hat, muss folglich noch das gesamte zweite Schulhalbjahr unterrichten, um abschlagsfrei in den Ruhestand zu gehen.
Interessanterweise ist diese Regelung aus dem Beamtengesetz vor einigen Jahren im Rahmen des TV-L auf die Tarifbeschäftigten übertragen worden.

ysnp
4 Jahre zuvor

Es ist ärgerlich, dass in der Vergangenheit nicht konsequent auf die vielfältigen Mahnungen reagiert wurde. Deswegen reagieren die Lehrerverbände und Oppositionsparteien so gereizt, da sie unermüdlich darauf hingewiesen haben und offenbar auf taube Ohren stießen.
Jetzt haben wir die Situation.
Es gibt kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen.
Wir brauchen fürs kommende Schuljahr kurzfristige Maßnahmen.
Mittel- und langfristig muss vernünftig geplant werden und mehr gut ausgebildete Lehrer für den Bedarf gewonnen werden.

Doch was gäbe es denn fürs nächste Schuljahr für kurzfristige Alternativen? Der Grundschulbetrieb sollte einigermaßen solide weiterlaufen und ich denke, das gilt auch für die Mittelschule.

Befremdlich finde ich in dem Schreiben, dass man tatsächlich meint, dass eine größere Anzahl Lehrer mit 66 und älter noch bereit sind, länger zu arbeiten. Da müsste man schon mit einem guten Angebot locken. Wenn ich daran denke, dass bei uns KollegInnen vor ca. 15 Jahren noch mit Ende 50 in den Ruhestand eingetreten sind und nicht vor zu langer Zeit noch Leute zwischen 61 und 63, alle froh, dass sie es geschafft haben.

Ein paar Errungenschaften, die in den letzten Jahren (Jahrzehnten) erreicht wurden, fallen nun weg. Viele haben die Antragsteilzeit genutzt, um die Belastung zu verringern. Das deutet darauf hin, dass die Deputatsverpflichtung in der Grundschule grundsätzlich zu hoch ist.

OlleSchachtel
4 Jahre zuvor

Unglaublich, wenn ein Bundesland beginnt, dann wird das in anderen Bundesländern auch kommen. Alle meine Kollegen arbeiten am Limit. All die Neuerungen und Anforderungen durch Inklusion und Flüchtlinge, neue Ansprüche an Elterngespräche etc. lassen kaum nich Raum für ein Privatleben. Kaum noch Ferien ohne Klassenarbeitskorrekturen, Dokumentationen, Vorbereitungen und Aktenführung. Und dann noch die unverschämte Forderungen die Verfehlungen der Politik für Lau auszugleichen wären die Politiker sich sicher demnächst wieder die Diäten erhöhen. Das schlägt dem Fass den Boden aus.

rfalio
4 Jahre zuvor

An der Mehrbelastung der Lehrkräfte ist durchaus auch die zunehmende Dokumentationspflicht und der steigende Verwaltungsaufwand schuld. Alleine die „Berichtszeugnisse“, die sowieso nur die Eltern lesen (und verstehen), bei denen es nicht nötig ist, kosten je nach Jahrgangsstufe und verwendetem Programm an der Grundschule mindestens 2 Wochen Arbeitszeit. Verleichsarbeiten kann man mit minimal einer Woche Zusatzarbeit ansetzen (organisatorische Vorbereitung, Ausdruck und Sortierung, Durchführung, Korrektur, statistische Erfassung, Besprechung der Ergebnisse).
Da verzichtet jede Lehrperson gerne auf Gehalt und nimmt Teilzeit!
Zur Erhöhumg des Pflichtstundenmaßes:
Das wären dann 29 Stunden + 1 Sprechstunde = 30 Stunden, sprich jeden Tag 6 Stunden.
Die Stundentafel in der GS in Bayern sieht aber nur 23 / 24 / 28 und 29 Stunden für die Jahrgangsstufen 1 – 4 vor.
Wo sollen die Lehrkräfte dann diese Zusatzstunde einbringen? Etwa in der Mittelschule (für die sie ja in der Regel nicht ausgebildet sind und die oft am Schulort nicht vorhanden ist?).
Oder in der Ganztagsbetreuung ( da sind sie eigentlich überqualifiziert)? Oder als Springer zwischen den Schulen, was am Land mehrere Kilometer Fahr mit dem entsprechenden Zeitaufwand bedeutet?
Und wenn wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, sollen es auch die Lehrkräfte richten: Ob Bienensterben, Abfallentsorgung, Sexualerziehung, Integration…
Man kommt gar nicht mehr zum Unterrichten
rfalio

Martina
4 Jahre zuvor
Antwortet  rfalio

Ihren ersten und letzten Satz möchte ich dick unterstreichen.
Erkundigen sich Bildungspolitiker überhaupt nicht mehr bei Schulen und Lehrern, was sie als unnötige Belastung empfinden, die so schnell wie möglich abgeschafft werden müsste?
Im Aufgabenbereich wurde immer nur draufgesattelt, kaum aber gestrichen.
Und was tut die GEW für die Lehrer?
Sie fordert auf allen Ebenen immer nur mehr Geld für weiteres Personal, setzt sich aber nie für die Rücknahme wild wachsender Aufgaben ein, die nichts oder kaum etwas bringen. Vermutlich deswegen, weil sie selbst mitverantwortlich ist für die Ritte auf jeder neuen Sau, die durchs Dorf getrieben wird.
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass sich die GEW diesbezüglich mal mit Vernunft und Zurückhaltung hervorgetan und damit die Lehrer vor immer größerer Belastung geschützt hätte.

g. h.
4 Jahre zuvor
Antwortet  Martina

Mehr Personal bringt ja auch mehr Quote in der GEW-Mitgliederzahl.

dickebank
4 Jahre zuvor
Antwortet  g. h.

Die GEW vertritt in erster Linie die angestellten Lehrkräfte und deren tarifpolitischen Forderungen in den Tarifverhandlungen. Da die gewählten Mitglieder der Personal- und Hauptpersonalräte aufgrund der Mitbestimmungsregelungen in Personalangelegenheiten ein Mitspracherecht haben und von den den personalführenden Stellen in der Schulverwaltung über die Personalsituation zu unterrichten sind, ist doch klar, dass sie infolge der Unterversorgung mehr Einstellungen einfordern.
In der jetzigen Situation, in der kein entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung steht und Seiteneinsteiger rekrutiert werden müssen, ist diese Forderung ein Reflex. Aber die Mitglieder der Personalräte haben sicher auch noch die zeiten in Erinnerung, in denen aus Haushaltsgründen nicht eingestelt worden ist, obwohl ausreichend ausgebildetes Personal vorhanden war.

Um die Situation von Lehrkräften zu verdeutlichen, bemühe ich im Gespräch mit Bekannten immer folgende Analogie:

Stellt euch vor, die Außendienstmitarbeiter oder Monteure in eurer Firma bekämen nur die Arbeitszeiten angerechnet, in denen sie direkt beim Kunden sind, während die Vorbereitungszeiten und Fahrtzeiten sowie die Zeiten für die Dokumentation der Kundengespräche bzw. Einsatzberichte sowie die üblichen Teammeetings und Schulungen nicht gesondert bzw. pauschal vergütet werden …

Jedes Mal bricht ein Sturm der Entrüstung aus. – Aber für Lehrkräfte ist diese Situation natürlich zu vertreten, da sie ja 14 Wochen Ferien haben. Besonders lustig wird es dann, wenn im Freundeskreis unter der Woche ein Event stattfindet und man mit Verweis auf den Unterrichtstag sich von dieser veranstaltung verabschiedet. Die einen raten einem, einen Tag Urlaub zu nehmen bzw. Überstunden abzubauen, die anderen zum „gelben Urlaubsschein“. (Aber wehe es fällt der Unterricht der eigenen Kinder einmal aus …)

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  g. h.

Der größte Lehrerverband im Grund- und Mittelschulbereich ist in Bayern mit Abstand der BLLV. Danach kommen der KEG mit einer größeren Zahl Mitglieder und zum Schluss die GEW als kleiner Verband.

dickebank
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ändert aber nichts an der Tatsache, dass die GEW die einzige gewerkschaftliche Vertretung der Angestellten ist, die eine Mitgliedsorganisation des DGB ist.

Alle anderen Verbände – aus meiner Sicht fälschlicherweise als Gewerkschaften bezeichnet – sind Mitgliedsorganisationen des dbb.

Die GEW und der dbb bilden eine Tarifunion, um die Interessen der Beschäftigten des ÖD – also sowohl Angestellte als auch Beamte – gegenüber den in der TdL organisierten Arbeitgebern/Dienstherren zu vertreten.

Dass Problem der GEW aus meiner Sicht ist, dass sie sich mehr um bildungspolitische Themen als auf arbeitspolitische und arbeitsrechtliche Themenbereiche kümmert. Es wäre an der Zeit, dass die GEW ihre Kernaufgabe, die Arbeitnehmervertretung (und damit meine ich die tarifbeschäftigten Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst) wahrnimmt.

Die einzige echte Alternative für tarifbeschäftigte Lehrkräfte hier in NRW ist aus meiner Sicht „SchALL“ – die Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer.

Gudrun Thiemann
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ja und, was macht der BLLV?? ….nicht genug! Wenn jetzt schon auf dem Rücken der Grundschullehrer/innen der hausgemachte Notstand gelöst werden soll, warum wird dann nicht wenigstens eine Gehaltsanpassung an andere Lehrer „erzwungen“. Geld wäre eher vorhanden als Lehrer! … und es wäre ein Zeichen der Wertschätzung und schon lange nötig!! …aber ca 95% der Grundschullehrer sind weiblich und mit Frauen kann man das ja machen.
Warum erklären sich nicht Eltern solidarisch und protestieren, schließlich werden ihre Kinder dann von völlig desillusionierten und überbelasteten Lehrern unterrichtet.
…und, hat der Staat nicht eine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber??
Wenn die Regierung so mit ihren Leuten umgeht und sich an nichts gebunden fühlt, warum dann das Streikverbot einhalten? Was wollen die machen? Alle Lehrer entlassen

Dr. Friedrich Sendelbeck
4 Jahre zuvor
Antwortet  Martina

Dann gehen Sie doch einfach in die GEW und diskutieren dort mit.

Martina
4 Jahre zuvor

Ich habe mich vor Jahren für einen anderen Weg der Kritik entschlossen, nämlich dem des Austritts aus der GEW.

@dickebank
Sie haben vollkommen Recht mit Ihrer Feststellung: „Dass Problem der GEW aus meiner Sicht ist, dass sie sich mehr um bildungspolitische Themen als auf arbeitspolitische und arbeitsrechtliche Themenbereiche kümmert.“

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  rfalio

Jede Stunde, die man mehr unterrichtet, merkt man als Stressfaktor, vor allem in einem Bereich ab 24 Stunden. 29 Stunden zu unterrichten, sind sehr anstrengend, zumal man da zusätzlich zu seiner eigenen Klasse, die man intensiv mit allem Drum und Dran betreut, noch in einigen Fremdklassen oft zweistündig ist. Das bedeutet auch, an jedem Tag 6 Stunden Unterricht (bis auf einen Tag, das sind es 5). Das betrifft Randfächer oder auch einmal ein Hauptfach, wenn man einen LAA auffüllen muss, wenn er an diesem Tag nicht da ist.
28 bzw. 29 Stunden ist keiner in einer einzigen Klasse, denn WG wird auf jeden Fall von speziellen Fachlehrern unterrichtet, meistens auch Religion und öfter auch einmal Englisch. Sport und Musik werden auch hin- und her unterrichtet. Es gilt ja auch noch LAAs und Lehrer, die Familienteilzeit haben, aufzufüllen.

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Diese Einschätzung teile ich, meiner Meinung nach belastet jede unterrichtete Stunde über der 20. doppelt.
Dabei gibt es in BY in der Grundschule ein stärkeres Gewicht auf das Klassenlehrkraft-Prinzip, sodass man von den 29 Std. wirklich viel in der eigenen Klasse ist.
Das ist in anderen Bundesländern z.T. anders, Niedersachsen hat Vorgaben, dass man spätestens ab Klasse 3 mehr Fächer abgeben muss (Hauptfächer), sodass man selbst manchmal nur 12-15 Std. hat, der Rest ist Fachunterricht. So ist man dann in anderen Klassen eingesetzt, häufiger auch in Hauptfächern, da man diese ja abgeben soll. Das ist eine Vorgabe des Ministeriums, die ohnehin dazu führt, dass man bei einer Vollzeitstelle in mehreren Klassen Hauptfächer unterrichtet (4/5/6-Std.) und in weiteren Stunden Nebenfächer (1/2-Std.).

Eine Stunde mehr ist schnell eine weitere Klasse, eine weitere Klassenkonferenz, eine weitere Fachkonferenz etc.,
davon abgesehen, dass eine zusätzlich erteilte Unterrichtsstunde ja nicht eine Erhöhung der Arbeitszeit um 45min ist, sondern Vor- und Nachbereitung benötigt.

D. Orie
4 Jahre zuvor

Alle Zeichen stehen auf Sturm, aber nicht passiert. Wie viele Male wurde seit wie vielen Jahren auf alle anstehenden Probleme hingewiesen? Reagiert wird mit Schweigen, Nichtstun, Sparen, Niveausenken, Hilflosigkeit, Floskeln, Forderungen nach Mehrarbeit, Durchhalteparolen, Abwerbemaßnahmen, Beschwichtigen und Ähnlichem (leider von allen Parteien gleichermaßen). Wir müssen lauter werden, sonst passiert nichts.

Mississippi
4 Jahre zuvor

Ich weiß ja nicht, wie es in BY ist, da gab es bisher mobile Reserven, um den Krankenstand aufzufangen. Ich kenne es in meinem Bundesland so, dass sich viele Kolleginnen angeschlagen und krank zur Schule schleppen, um den anderen nicht noch mehr Arbeit aufzubürden, denn Vertretungen gibt es kaum, es sei denn, man hat ein paar eifrige Pensionäre in der Hinterhand. Vllt. sollten wir einfach mal aufhören, alles zu tun, damit der Laden läuft und an uns und unsere Gesundheit denken. Niemanden interessiert es hinterher, wenn man mit Burnout oder anderen Krankheiten „gesegnet“ ist. Immer wieder erlebe ich es, dass Kollegen kurz vor oder nach der Pensionierung RICHTIG krank werden und von letzterer kaum oder gar nichts mehr haben. Leider. Das hängt meiner Meinung nach auch mit der jahrzehntelangen Stressbeslastung zusammen, für die es keinen Deckel zu geben scheint.

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  Mississippi

„Vllt. sollten wir einfach mal aufhören, alles zu tun, damit der Laden läuft und an uns und unsere Gesundheit denken.“
Du meinst, man könnte eine 40Std. Woche oder anteilig die Teilzeit abbilden?
Dann würde mal eine Zeit lang eine Menge ausfallen:
keine Klassenfahrten und Tagesfahrten, keine Wettbewerbe, keine Feiern und Schulfeste, Elternsprechtag im 5 Min-Takt am Schulvormittag,
Konferenzen in festgelegten Zeiträumen und nicht darüber hinaus, übrige TOPs werden verschoben,
Arbeit an Konzepten in klar festgelegten Zeiträumen,
Vertretungen würden der Aufsicht entsprechen, für die sie bei uns gedacht sind (es kommen pädagogische Mitarbeiterinnen, die keinen Unterricht erteilen dürfen),
Korrekturen ggf. noch als Stichproben…
Was noch?

Marie
4 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Nicht zu vergessen die Einrichtung und Wartung der Schul-IT, die Durchführung, Korrektur und Rückmeldung von Vergleichsarbeiten und unsere heißgeliebte QA…

omg
4 Jahre zuvor

Die Bayern testen alles knallhart. Übergang Grundschule, Abitur…
Nur wer Kultusminister werden kann, dass wird genau so geprüft wie in Berlin.
Gar nicht.

ysnp
4 Jahre zuvor

Ich verstehe nicht, dass man die Maßnahmen vorher nicht mit den drei Lehrerverbänden BLLV, KEG und GEW abgesprochen bzw. diese im Vorfeld beratend hinzugezogen hat.
Hier wurde über alle Köpfe hinweg entschieden ohne zuerst einmal einen lösungsorientierten Dialog zu suchen.
Da hätte es von Lehrerseite sicher noch mehr Ideen gegeben, wie man den Lehrermangel kurzfristig auffangen könnte.

Dass mittel- und langfristig die angeordneten Maßnahmen ein Nogo sind, das sollte den Verantwortlichen schleunigst klar werden. Da gibt es mit Sicherheit bessere Lösungen wie die Lehrkräfte noch mehr zu belasten.