Wenn sich Eltern zu wenig engagieren: Ministerium prüft Pflichtgespräche mit Lehrern

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DÜSSELDORF. Was bringen Zwangsgespräche für unwillige Eltern an den Schulen? Die NRW-Regierung denkt darüber nach. Eltern und Lehrer haben bereits eine Antwort: «Nichts.»

Lässt sich mit Druck Gesprächsbereitschaft aufbauen? Foto: Shutterstock

Eltern- und Lehrerverbände haben sich gegen die Einführung verpflichtender Elterngespräche an nordrhein-westfälischen Schulen ausgesprochen. Zwangsmaßnahmen seien nicht geeignet, um Eltern zur Kooperation zu gewinnen, sagten Spitzenvertreter des Elternvereins NRW und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Montag  in Düsseldorf.

Der FDP-Landesvorsitzende und NRW-Familienminister Joachim Stamp hatte am Sonntag beim Neujahrsempfang seiner Partei gesagt: «Wenn Eltern an der Bildungs- und Erziehungsentwicklung ihrer Kinder nicht ausreichend mitwirken, muss die Schule die Möglichkeit bekommen, Eltern zu einem Gespräch zu verpflichten.» Nur so könne geklärt werden, wie das Kind zu fördern sei. Es dürfe nicht sein, dass in Deutschland der Bildungserfolg so stark abhängig sei von der sozialen Herkunft wie in keinem anderen Industrieland.

„Mehr Möglichkeiten des Austausches zwischen Lehrern und Eltern“

Das Schulministerium bestätigte auf Anfrage: «Für die Fälle, in denen eine Zusammenarbeit dauerhaft einseitig verweigert wird, zum Beispiel bei Schulabstinenz, prüft das Schul- und Bildungsministerium derzeit, durch welche Maßnahmen mehr Möglichkeiten des persönlichen Austausches zwischen Lehrkräften und Eltern sichergestellt werden können.» Die stellvertretende Landesvorsitzende des Elternvereins NRW, Regine Schwarzhoff, und GEW-Landeschefin Maike Finnern sagten dazu übereinstimmend: «Wir halten nichts davon.»

Um Eltern ins Boot zu holen, müsse es an den Schulen eine offene Gesprächs- und Arbeitsatmosphäre und «einen zugewandten Ton» geben, sagte Schwarzhoff. Am Sorgentelefon des Elternvereins erfahre sie aber immer wieder: «Es läuft nicht rund.»

Oft würden Eltern keineswegs als gleichwertige Partner behandelt. Vor allem an Grundschulen werde häufig nicht erklärt, wie Eltern mitwirken könnten, so dass sie dort «kalt gestellt» würden, kritisierte Schwarzhoff. «Lehrer haben nach wie vor eine unglaubliche Macht und die üben sie, je nach Naturell, unterschiedlich aus.»

Eltern mit Migrationshintergrund sprechen ja oft nicht einmal Deutsch

Vor allem für Migranten an Brennpunktschulen seien die Hemmschwellen viel zu hoch. «Sie können oft nicht einmal Deutsch, geschweige denn mitbestimmen.» Es fehle an personeller und sächlicher Ausstattung – etwa an Dolmetschern für Migranteneltern. Die Realität an vielen Schulen sei jedoch: «Es gibt noch nicht mal jeden Tag eine Schulsekretärin, um Anrufe entgegenzunehmen», sagte Schwarzhoff. Dadurch seien auch «Lehrkräfte unter Druck.» Eltern mit gesetzlichen Zwangsmaßnahmen und möglicherweise noch Bußgeldern in die Schulen zu zwingen, könne keine Verbesserung bringen.

Ähnlich äußerte sich die GEW. «Natürlich wäre mehr Engagement mancher Eltern wünschenswert, aber wir setzen darauf, dass ihnen die Schulkarriere ihres Kindes aus Eigeninteresse wichtig ist», unterstrich Finnern. «Von einer Gesprächsverpflichtung halten wir gar nichts.» Von Bettina Grönewald, dpa

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Gümnasiallehrer a.D.
4 Jahre zuvor

Es scheint hier nicht um Kooperation zu gehen, sondern schlicht um die Möglichkeit, Eltern „per Zwang“ in die Schule zu zwingen, wenn alle anderen Kommuniationswege ausgeschöpft sind, eine Schule aber Rechtssicherheit braucht.

Das solche Meldungen unreflektiert bzw. ohne dir echte Anhörung beider Seiten veröffentlicht werden, lässt auf jeden Fall tief blicken.