Kuscht Hamburgs Schulsenator vor seinem AfD-Abteilungsleiter? GEW: Rabe schützt Lehrer nicht vor Angriffen der Rechtspopulisten

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HAMBURG. Was verbindet Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) mit der AfD? Die GEW ist jedenfalls empört. „Wir kritisieren die Weigerung des Senators, sich schützend vor die Lehrkräfte, Kollegien und Schulleitungen zu stellen, die engagiert die Bildungsziele vermitteln und dafür von der AfD mit Hetze und Häme angegriffen werden.“ Tatsächlich häufen sich die Fälle, in denen Rabes Schulbehörde eine zumindest fragwürdige Rolle in diesem Zusammenhang spielt. Pikant: Einer von Rabes höchsten Beamten ist der AfD-Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann.

Zeigt sich auffallend zurückhaltend im Umgang mit der AfD: Ties Rabe, Hamburger Bildungssenator und Sprecher der SPD-geführten Kultusministerien in Deutschland. Foto: Senatskanzlei Hamburg / Michael Zapf

„Ties Rabe duckt sich weg, wenn es um eine öffentliche Positionierung zur AfD und ihren Schul-Aktivitäten geht“, sagt Fredrik Dehnerdt, Vize-Landesvorsitzender der GEW in Hamburg. Das gehe den Lehrkräften an Hamburgs Schulen schon lange gegen den Strich. „Sie erwarten, dass sich ihr oberster Dienstherr viel engagierter vor sie stellt.“

Der Anlass dieser Worte: In Hamburg geht das Gerücht um, die AfD soll versucht haben, Einsicht in die Klassenbücher eines Hamburger Gymnasiums zu bekommen. Sie habe herausfinden wollen, ob Schüler, die bei Fridays for Future mitdemonstrieren, auch tatsächlich (wie von ihr gefordert) sanktioniert werden. Die „Hamburger Morgenpost“ hatte eine Stellungnahme dazu von der Schulbehörde erbeten, war aber wochenlang vertröstet worden. „Will die Behörde damit etwas verbergen? Oder weiß sie einfach nicht, wie sie mit dem Druck umgehen soll, den die AfD auf die Schulen ausübt?“, so fragte das Blatt.

Schulbehörde stellt sich immer wieder auf die Seite der AfD

Tatsächlich stellt sich die Hamburger Schulbehörde immer wieder auf die Seite der Rechtspopulisten. In Juni des vergangenen Jahres beispielsweise musste eine für Hamburger Schulen und Kitas tätige Personalservice-Agentur eine Unvereinbarkeitsklausel für ihre Beschäftigten mit einem Engagement in der AfD aus ihren Honorarverträgen streichen – auf Anweisung der Schulbehörde (News4teachers berichtete). Er sei der Aufforderung nachgekommen, obwohl er dies für rechtlich fragwürdig halte, sagte der Geschäftsführer seinerzeit. Schließlich gehe es um die Arbeit mit Migrantenkindern. Zugleich äußerte er Unverständnis über die Haltung der Schulbehörde, die es ja auch mal auf eine Konfrontation mit den Rechten hätte ankommen lassen können.

Die AfD-Bürgerschaftsfraktion zollte Schulsenator Rabe hingegen «Respekt für sein konsequentes und rechtssicheres Vorgehen».

Im Mai 2019 rüffelte die Schulbehörde das Kollegium einer Schule in Hamburg-Schnelsen. Das hatte sich in einer Petition gegen das „Meldeportal“ gewehrt, über das Schüler und Eltern anonym der AfD parteikritische Lehrer anzeigen sollen. Doch statt die Lehrer, die den offenen Brief unterzeichnet hatten, zu unterstützen, ordnete die Hamburger Schulbehörde eine Entfernung des Schreibens von der Schulhomepage an (News4teachers berichtete). Eine Veröffentlichung verstoße gegen das Neutralitätsgebot, denn eine Schule dürfe als staatliche Organisation keine Meinung vertreten, erklärte eine Sprecherin.

Lob von Rechtsaußen – für den Schulsenator

Die AfD frohlockte. Die Lehrer der Schule hätten „mit Unterstellungen und Falschaussagen in unsachlicher und abwertender Weise gegen die AfD-Bürgerschaftsfraktion und gegen die AfD“ agitiert. Dies sei ein Beleg dafür, dass das „Meldeportal“ wirke. Das Vorgehen der Lehrer sei eine „bodenlose Unverschämtheit“. Und auch damals schon gab’s Lob für Rabe von Rechtsaußen: „Wir begrüßen das Vorgehen des Schulsenators und seiner Behörde gegen diesen offenkundigen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot.“

Und so geht es weiter: Die AfD lieferte Fotos aus Schulgebäuden, die vermeintlich linke Propaganda in Form von Aufkleber und Postern zeigten – die Schulbehörde wies die Schulen an, das Material umgehend zu entfernen. Dass es sich dabei zumindest in einem Fall, wie die Schulleitung erklärte, um die Ergebnisse eines Kunstprojekts handelte, ließ die Behörde unbeeindruckt. Auch dass die Fotos, die der AfD als Beleg dienten, offenbar  illegal nach Unterrichtsschluss in den Schulgebäuden gemacht worden waren, focht das Amt nicht an (News4teachers berichtete).

AfD-Fraktionschef Alexander Wolf durfte sich öffentlich über die „Aufdeckung eines linksextremistischen Netzwerks“ an der Schule freuen. Sein – von Rabe unwidersprochenes – Fazit: „Das Informationsportal ‚Neutrale Schulen Hamburg‘ wirkt.“

AfD-Fraktionschef in der Führung der Schulbehörde

Die AfD tritt in Hamburg besonders aggressiv gegen Schulen und Lehrer auf. Die Hansestadt war das erste Bundesland, in dem die AfD-Fraktion ein „Meldeportal“ gegen parteikritische Lehrer freischaltete. Welche Rolle spielt dabei Dirk Nockemann, Jurist, Co-Fraktionschef der AfD neben Wolf – und Abteilungsleiter (also einer der höchsten Beamten) in Rabes Schulbehörde? Nockemann hat eine schillernde politische Vita hinter sich gebracht, die bei den Jusos und in der SPD begann – und über die Schill-Partei (Nockemann war Ronald Schills Büroleiter sowie Hamburger Innensenator) und die Zentrumspartei schließlich zur AfD führte.

So präsentiert die AfD ihren Fraktionsvorsitzenden auf ihrer Homepage. Screenshot

In einem Fall, im Juni 2018, intervenierte die Schulbehörde für Nockemann persönlich. Der wollte nämlich an einer Podiumsdiskussion in einer Berufsschule teilnehmen, was die Schulleitung nach einem Beschluss der Schulkonferenz nicht zulassen mochte. Die Schulbehörde wies sie an, die Erlaubnis zu erteilen. Die AfD legte dann Dienstaufsichtsbeschwerden über alle Mitglieder der Schulleitung ein.

Ein übliches Vorgehen der Rechtspopulisten in Hamburg, wie die GEW weiß. Mittlerweile mehr als zehn Dienstaufsichtsbeschwerden seien gegen Lehrer der Hansestadt aufgrund von „Meldungen“ losgetreten worden, die angeblich über das „Meldeportal“ eingegangen sind  – allesamt haltlos.

„Die AfD will Lehrer einschüchtern“

„Die AfD will Lehrkräfte einschüchtern, die engagiert ihren Job machen und für die Bildungs- und Erziehungsziele eintreten“, erklärt Gewerkschaftsvize Dehnerdt. Er betont: „Nicht nachvollziehbar ist die Rolle der Schulbehörde. So leitete sie Beschwerden an Lehrkräfte weiter, die sie selbst bereits ausgeräumt hatte, und zwang die Betroffenen dazu, viel Zeit in Dinge zu stecken, die keine Relevanz hatten. Zudem weigert sich die Behörde, sich offen gegen Falschaussagen der AfD zu stellen.“

Die GEW fordert Rabe auf, „seiner Pflicht als oberster Dienstherr nachzukommen und die Betroffenen in ihrem Engagement für eine demokratische Erziehung und Bildung zu stärken“. Denn davon sei nichts zu spüren. News4teachers

Der  Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Verunsicherte Lehrer, verängstigte Schüler: Wie die AfD mit ihrem Psychoterror Angst und Schrecken in die Schulen trägt

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5 Kommentare
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xxx
4 Jahre zuvor
Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Sie meinen, die Hetzfreiheit der AfD wäre bedroht, wenn ein Bildungssenator dem Treiben Einhalt gebieten würde?

Wie steht’s denn mit dem Anspruch der Lehrer auf Schutz durch ihren Dienstherren?

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Seit wann ist denn der Dienstherr am Schutz seiner LehrerInnen interessiert. Der Dienstherr interessiert sich ja nicht einmal dafür, wie viel seine LehrerInnen überhaupt arbeiten. Auch für die Gesundheit seiner LehrerInnen interessiert der Dienstherr sich nicht.
Warum sich schützend vor seine LehrerInnen stellen, wenn die Alternative weniger schwierig ist?

unverzagte
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

übermorgen ist bürger*innenschaftswahl in hamburg: hoffentlich ist dieser mehr als fragwürdige schulsenator mit peinlicher affinität zur afd/npd auch abwählbar!

Pälzer
4 Jahre zuvor

Stellt sich also „auf die Seite der Rechtspopulisten“, wer keine Berufsverbote für Mitglieder bestimmter Parteien duldet? Ich mag die AfD auch nicht, bin aber der Meinung, dass Gesetze für alle gleich sein sollten. Ich habe das Gefühl, dass hier irgendwo eine Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Obrigkeitsstaat verläuft …