BERLIN. Zum stärkeren Schutz vor den hochansteckenden Masern kommt eine Impfpflicht für Kinder in Kitas und Schulen, für Lehrer sowie Beschäftigte in Kliniken. Die GEW sieht erheblichen Aufwand auf die Schulen zukommen. Zuvor hatte sich schon der VBE ähnlich geäußert. Wie läuft die Umsetzung ab 1. März?
Rund eine Woche vor Inkrafttreten der Masern-Impfpflicht in Deutschland rechnet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin mit einem enormen Zusatzaufwand für Schulen und Kitas. «Es kommt da eine nicht ganz unproblematisch Arbeit auf die Kolleginnen und Kollegen zu», sagte GEW-Sprecher Markus Hanisch. Viele Fragen erforderten Fingerspitzengefühl und bedeuteten zusätzlichen organisatorischen und bürokratischen Aufwand, der nicht einfach nebenbei zu erledigen sei.
Als Beispiele nannte Hanisch mögliche Auseinandersetzungen mit Impfgegnern und Eltern, die sich nicht um das Thema kümmerten oder gar nicht wüssten, wo der Impfpass ist. Die Beschäftigten müssten in solchen Fällen «hinterherlaufen» und gegebenenfalls auch Sanktionen wie den Kita-Ausschluss oder Geldstrafen veranlassen. «Die Pädagoginnen und Pädagogen wollen sich nicht zu Polizisten in den Einrichtungen aufschwingen», betonte Hanisch.
Seit Ende der Woche liege den Schulen ein Informationsschreiben der Bildungsverwaltung zu Fragen der Umsetzung vor, sagte Hanisch. Zuvor hätten die Beschäftigten nicht gewusst, was auf sie zukommt und seien daher bei Fragen von Eltern auch nur eingeschränkt sprechfähig gewesen. «Klar ist aber, die Einrichtungen brauchen Handlungssicherheit.» Generell begrüße die GEW die Impfpflicht – es gebe aber auch noch offene Fragen, etwa zur Haftung. «Was passiert denn, wenn eine Kollegin nicht richtig hingeguckt hat und auf einmal ein Kind oder ein Beschäftigter die Masern hat?», so Hanisch.
Wie die Bildungsverwaltung zu den Folgen des Gesetzes für Kitas und Schulen erklärte, muss nicht für alle Kinder sofort der Impfstatus nachgewiesen werden. Zunächst seien Kinder betroffen, die ab 1. März neu in eine Kita oder Schule aufgenommen werden. Eltern, deren Kind bereits die betreffende Einrichtung besucht, hätten Zeit bis 31. Juli 2021 zur Vorlage des Nachweises. Geprüft werde, ob der Masernimpfschutz für Schulanfänger im Rahmen der Einschulungsuntersuchung geprüft und dokumentiert werden kann.
Zum Vorgehen in den Kitas erklärte Iris Brennberger von der Bildungsverwaltung, vorgelegt werden solle der Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder ein ärztliches Attest, wenn das Kind die Masern bereits durchgemacht hat. Ist ein Kind nicht geimpft, «informiert die Leitung der Einrichtung das zuständige Gesundheitsamt». Die Gesundheitsämter würden beraten und zur Impfung auffordern. Neben Bußgeldern sei ein Verbot des Kitabesuchs möglich.
Wie groß der Verwaltungsaufwand für Kitas ausfalle, sei «momentan schwer einschätzbar», so Brennberger. Auch bisher hätten Kitas bei neuen Kindern den Impfstatus erfragen oder sich nachweisen lassen müssen, dass die Eltern sich zum Thema beraten ließen.
Die Impfpflicht betrifft an Schulen und Kitas auch Mitarbeiter, die nach 1970 geboren wurden – zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte, aber auch Verwaltungsmitarbeiter, Hausmeister und das Personal, das das Mittagessen ausgibt. Aus dem Info-Schreiben an die Schulen geht zum Beispiel hervor, dass neue Lehrkräfte oder anderes Personal ohne Nachweis nicht tätig werden dürfen. Schulpflichtige Schüler allerdings dürften auch ohne Nachweis aufgenommen werden, hieß es. Schulen müssten dann das Gesundheitsamt über den fehlenden Impfschutz informieren.
Ansonsten betrifft die Impfpflicht unter anderem auch Kliniken. Mitarbeiter, die ab dem 1. März neu anfangen, müssen zum Beispiel bei den Vivantes-Kliniken den Masern-Impfschutz nachweisen. Der landeseigne Klinikkonzern mache dies zur Einstellungsvoraussetzung, teilte eine Sprecherin mit. Auch hier gilt, dass nach 1970 geborene Bestandsmitarbeiter bis Ende Juli 2021 Zeit zur Vorlage haben. Allein bei Vivantes betreffe diese Frist mehr als 10 000 Menschen, hieß es.
Das Universitätsklinikum Charité erklärte, seit 2015 in den klinischen Bereichen nur noch Mitarbeiter mit ausreichendem Impfschutz einzustellen. «Vom sogenannten Masernschutzgesetz sind nunmehr alle Personen, die ab 1971 geboren sind und in der Charité tätig sind, betroffen.» Zahlen wurden nicht genannt. Man rechne mit einem «nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand», so eine Sprecherin.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte betont, Masern seien keine harmlose Kinderkrankheit. Sie könnten einen bösen Verlauf bis hin zu Lungen- und Gehirnentzündungen nehmen. Eine Impfpflicht sei zwar ein Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Zum Freiheitsbegriff gehöre aber auch, nicht unnötig durch andere gefährdet zu werden.
In Berlin wurden im vergangenen Jahr 22 Fälle von Masern gemeldet. Es war der niedrigste Wert seit 2012 (18 Meldungen). Bei der hochansteckenden Virusinfektion schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr allerdings stark. Bei einem großen Ausbruch 2015 etwa waren mehr als 1200 Erkrankte allein in Berlin erfasst worden. (dpa)
Masern-Impfpflicht kommt – VBE kritisiert: Schon wieder neue Aufgabe für Schulen