Abitur ohne Prüfungen – „ab Ostern müssen wir uns darüber Gedanken machen“

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BERLIN. Die Kultusminister wollen, dass die Abiturprüfungen stattfinden – die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) inklusive. Der Landesschüleraussschuss und die GEW fordern allerdings einen Plan B, sollten die Termine aufgrund der Coronakrise nicht gehalten werden können. Wie könnte der aussehen?

Die Kultusminister haben beschlossen, die Abiturprüfungen stattfinden zu lassen – wenn es die Coronakrise erlaubt. Foto: Shutterstock

Schülerinnen und Schüler, die sich auf die Abiturprüfungen vorbereiten, können nicht sicher sein, ob sie wirklich stattfinden. Manche plädieren längst dafür, sie ausfallen zu lassen. Auch in Berlin. «Wir nehmen die Sorgen der Abiturientinnen und Abiturienten natürlich ernst», sagte der Sprecher der Bildungsverwaltung der Hauptstadt Martin Klesmann am Dienstag. Die Kultusministerkonferenz (KMK) habe sich allerdings in der vergangenen Woche auf ein einheitliches Vorgehen verständigt, wonach die geplanten Prüfungen nach den Osterferien stattfinden sollen.

Prüfungen können auch in geschlossenen Schulen stattfinden

«Senatorin Scheeres hat betont, dass diese auch in sonst geschlossenen Schulen stattfinden werden», sagte Klesmann. «Ihr ist es wichtig, dass die Bundesländer hier gemeinsam vorgehen. Sollte sich die Lage ändern, sind wir auch auf Alternativmodelle vorbereitet.» Miguel Gongora vom Landesschülerausschuss forderte in der «taz»: «Wir wollen, dass alle Prüfungen abgesagt werden.»

Die Abiturprüfungen ausfallen zu lassen, ist nach Einschätzung des Berliner Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Tom Erdmann, machbar. In Berlin sind die Schulen seit Mitte März bis zum 20. April geschlossen. «Wenn das öffentliche Leben dann wieder funktioniert, sollten die Abiturprüfungen stattfinden», sagte Erdmann. Aber das sei nicht absehbar. «Die Bildungsverwaltung muss sich ab Ostern ernsthaft Gedanken machen, wie ein Abitur ohne Prüfungen aussehen kann.»

In dem Fall könnten alle Schülerinnen und Schüler ein Abi bekommen, die zur Prüfung zugelassen waren. Die Abiturnote müsste sich dann auf der Grundlage der bisherigen Leistungen berechnen. «Das hätte allerdings den Nachteil, dass die Schüler ihre Noten nicht mehr verbessern können», sagte Erdmann. «Es wird in diesem Jahr kein gerechtes Abitur geben.» Denn keine Lösung werde allen gerecht.

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Auch Berlins Elternausschuss-Vorsitzender Norman Heise weist darauf hin, dass manche Schüler erst bei den Abiprüfungen richtig aufdrehen würden. Die seien dann im Nachteil. Es sollte deshalb die Möglichkeit geben, freiwillig an den Prüfungen teilzunehmen, forderte er.

Heise hält es für realistisch, die Prüfungen generell aber auch dann durchzuführen, wenn die Schulen nach den Osterferien noch geschlossen sein sollten. Es gebe genügend Räume, viele Schulen hätten auch große Menen und Sporthallen. «Wir gehen auch davon aus, dass es genügend Personal für die Aufsicht gibt.» Unter den Berliner Eltern seien die Ansichten sehr unterschiedlich, sagte Heise. «Es gibt solche, die sagen, unser Kind hat sich darauf vorbereitet und will die Arbeiten schreiben, und andere, die verunsichert sind und genau das nicht wollen.»

GEW: Prüfungsvorbereitungen sind erheblich erschwert

Tom Erdmann weist darauf hin, dass es Gründe gibt, die gegen die Prüfungen sprechen: So seien diejenigen benachteiligt, die sich zu Hause schlechter darauf vorbereiten konnten, sagte der GEW-Vorsitzende. «Nicht alle können dort gleich gut lernen.» Die Prüfungsvorbereitungen seien ohnehin erheblich erschwert, etwa weil die Bibliotheken geschlossen und keine Treffen von Prüfungsgruppen möglich seien. Das gelte ähnlich auch für andere Schulabschlüsse wie den Mittleren Schulabschluss (MSA). Die gleichen Überlegungen wie zum Abitur müssten auch in diesen Fällen angestellt werden, verlangte Erdmann.

Norman Heise wünscht sich von der KMK eine offene Diskussion über all diese Fragen, damit Eltern und Schüler mitdiskutieren könnten. «Es ist für alle eine außergewöhnliche Belastung zurzeit.» Und er schlägt vor, die Hochschulen sollten überlegen, nicht das Abitur vorauszusetzen, sondern stattdessen Eignungstests für das jeweilige Studienfach anzubieten – dann wäre die Diskussion um die Prüfungen überflüssig, die vielen Eltern und Schülern Sorgen macht. Von Andreas Heimann, dpa

Hintergrund

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres hatte vor zehn Tagen entschieden, die Abiturprüfungen für die Zeit vor den Osterferien abzusagen und auf einen späteren Termin zu verschieben. Dies gilt auch für alle Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss, die vor den Osterferien durchgeführt werden sollten.

„Trotz aller bereits getroffenen Vorkehrungen für die Prüfungen kann derzeit nicht sichergestellt werden, dass sich die Prüflinge nicht vor oder nach der jeweiligen Prüfung in Gruppen versammeln, um sich auszutauschen. Viele Jugendliche sind sich der Ernsthaftigkeit der Lage noch nicht bewusst und suchen die Nähe zu ihren Mitschülerinnen und Mitschüler. Genau dies aber soll aus Gründen des Infektionsschutzes verhindert werden“, hieß es zur Begründung.

Auf den jeweiligen Nachschreibetermin verlegt

Alle schriftlichen Abiturprüfungen mit zentralen Prüfungsaufgaben, deren Termine vor den Osterferien lagen und liegen, wurden auf den jeweiligen Nachschreibetermin verlegt. Schriftliche Abiturprüfungen mit dezentralen Aufgabenstellungen und weitere Abiturprüfungen, für welche die Termine schulintern festgelegt worden sind (mündliche Prüfungen, Präsentationsprüfungen), müssen neu terminiert werden, sofern dafür bisher Termine vor den Osterferien festgelegt waren.

Die Regelungen für die Prüfungstermine nach den Osterferien haben weiterhin Bestand ebenso wie die Entscheidung der Schulleitungen zu den möglichen Terminverlegungen dieser Prüfungen. Je nach Lage der Dinge können sich weitere Veränderungen ergeben, so teilte die Bildungsverwaltung mit.

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Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Wer mit 6 Punkten vorbenotet ist, der wird auch mit einer 15 Punkte-Prüfung nichts mehr reißen. So einfach ist das. Immer dieses Märchen, dasda ein großer Rettungswurf stattfinden würde.

Es mag vereinzelt (!) SuS geben, bei denen das zutrifft. Aber dort können nicht als Grund herhalten, an den schriftlichen Prüfungen in der Form festzuhalten.

AvL
3 Jahre zuvor

Jeder Abiturient kann jetzt die schulfreie Zeit dafür benutzen, um sich strukturiert und gut selbst organisiert intensiv mit den bereits in den vergangenen zwei Jahren erarbeiten Inhalten auseinanderzusetzen, diese zu vertiefen und sich auf die schriftlichen und mündlichen Prüfungen vorbereiten.
Da kann dann die Abschlussnote noch einmal nach oben gehen. So war das zu mindestens bei uns in 1980 der Fall, als man noch in die mündliche Prüfung gehen konnte, um sich noch nach oben hin zu verbessern.

Birgit
3 Jahre zuvor

Die Gefahr, dass die angehenden Abiturienten sich mit Corona infizieren, ist nach 3 Wochen Schule , wie es nach Ostern geplant ist um einiges größer, als wenn sie direkt nach Ostern ihre Prüfungen geschrieben hätten.
Viele Schulen sind im Koop Unterricht, heißt sie wechseln mehrmals täglich die Schulen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Situation auf den Toiletten der Schulen sind allen bekannt , keine Seife , keine Papiertücher.
Wenn 4 Halbjahre nicht ausreichen um eine Leistung zu bewerten und lieber die Gesundheit unserer Kinder und deren Familien aufs Spiel gesetzt werden , ist das verantwortungslos.

Gabriel
3 Jahre zuvor

Ich finde es um ehrlich zu sein unmöglich von 350.000 Schülern deutschlandweit zu verlangen ihre Prüfungen abzulegen und damit Risikogruppen in ihrem Bekanntenkreis ( die so gut wie jeder hat ) zu gefährden, um Noten zu schreiben, die eigentlich schon feststehen. Die Schüler werden gezwungen dieses Risiko zu tragen, da ansonsten die letzten zwei Jahre, sowie die geplante Zukunft hinfällig wären.Die Aussage das man den Infektionsschutz sicherstellen könnte, ist schlichtweg Humbug. Ersten haben ein Großteil der Schulen nicht ausreichend passende Desinfektionsmittel zur Verfügung und zweitens ist es wohl kaum möglich den Weg zur Schule und zurück zu „desinfizieren“.
Darüber hinaus wird diese Entscheidung von Menschen über eine Telefonkonferenz getroffen… ich glaube man muss nicht wirklich intelligent sei um diese Doppelmoral zu sehen.

Dass sich die Entscheidung so gut wie auf keine argumentative Grundlage außer „es ist halt normal abitur Prüfungen zu schreiben bezieht“ ist ebenfalls sehr fragwürdig. Schließlich ist es auch normal Unterricht zu haben, Clubs und Bars zu besuchen, Lerngruppen zu bilden Grillabende zu veranstalten.. etc. Nur ist diese Situation nicht normal!

Ein umdenken der Kultusminister wäre an dieser Stelle wirklich wünschenswert!!!

MfG.

Simona
3 Jahre zuvor

Ich finde es unmöglich und verantwortungslos die Schüler MSA bzw. ABI schreiben zu lassen und sich damit selber zu gefährden. Viele Kinder fahren mit den öffentlichen Verkehrsmittel zur Schule und haben dabei ein ungutes Gefühl. Es ist kaum möglich ständig alles zu desinfizieren.
Frau Scheers ist doch selber Mutter würde sie Ihre Kinder so einem Risiko aussetzen?
Es wäre sehr nett wenn nach Ostern eine andere Entscheidung zu Gunsten unserer Kinder getroffen wird.