Es reicht! GEW und Philologen machen gegen Überlastung von Lehrern mobil

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KIEL. Die Überlastung von Lehrern hat ein unerträgliches Ausmaß angenommen – meint die GEW. In Schleswig-Holstein fordert sie nun die Kollegien auf, Überlastungsanzeigen ans Ministerium zu schicken. In Niedersachsen unterstützt sie die Klagen von Lehrern gegen das Land. Auch der Philologenverband rüstet sich für eine große Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern: Am Montag werden die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage unter Gymnasiallehrern vorgestellt.

Die Belastung für Lehrer hat drastisch zugenommen, nicht zuletzt aufgrund des Lehrermangels. Foto: Shutterstock

Es reicht. „Anforderungen wachsen. Belastungen steigen. Mehrarbeit nimmt zu“, so heißt es bei der GEW in Schleswig-Holstein – sie greife die „wachsende Unzufriedenheit der Lehrkräfte mit ihren Arbeitsbedingungen“ nun auf. Die Gewerkschaft fordert die Lehrerinnen und Lehrer auf, in ihren Kollegien Überlastungsanzeigen zu verabschieden. Eine solcher Schritt einer Schule ist ein offizieller Akt und keine Kleinigkeit: Überlastungsanzeigen sind für Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes eine formale Möglichkeit, ihre Vorgesetzten darauf hinzuweisen, dass sie sich der aktuellen Situation nicht mehr gewachsen fühlen. Sie sollen gewährleisten, dass die Vorgesetzten rechtzeitig Abhilfe schaffen können und Beschäftigte für Folgen juristisch nicht haftbar gemacht werden können.

„Lehrer können ihre Arbeit überhaupt nicht schaffen“

Die Überlastungsanzeigen sollen gesammelt und Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zum Schuljahresende übergeben werden. GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke meint: „Die Landesregierung verschließt vor dem immer schwierigeren Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer total die Augen. Arbeitszeituntersuchungen wischt sie beiseite. Sie will nicht sehen, dass die Lehrkräfte in der vorgesehenen Zeit ihre Arbeit überhaupt nicht schaffen können. Arbeit darf nicht krank machen. Die Pflichtstunden müssen runter, die Entlastung rauf.“

Die Faktoren, die in den vergangenen Jahren zu einem drastischen Anstieg der Belastungen geführt hätten, seien vielfältig, legt die Gewerkschaftschefin dar. Ständig neue Anforderungen ließen den Belastungspegel bei den Lehrerinnen und Lehrern ansteigen.  Als Beispiele nennt sie Digitalisierung, Inklusion, einen hohen Korrekturaufwand oder schwieriges Schülerverhalten. Henke: „Was unsere Zeit aber wirklich auffrisst, sind dringend notwendige außerunterrichtliche Tätigkeiten. Wir investieren immer mehr Zeit in Elterngespräche, Konzeptentwicklung und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen wie dem Jugendamt. Einen Ausgleich gibt es dafür nicht.“ Lehrkräftemangel und der Ausfall von Kolleginnen und Kollegen kämen hinzu und führten zu ständiger Mehrbelastung.

Leidtragende der schlechten Rahmenbedingungen in den Schulen seien allerdings nicht nur die Lehrkräfte. Auch Schülerinnen und Schüler litten darunter. „Wir wollen guten und engagierten Unterricht machen, um allen Schülerinnen und Schülern gute Bildung zu vermitteln. Bei der gegenwärtigen Arbeitsbelastung fällt das immer schwerer“, sagt Henke.

GEW Niedersachsen unterstützt die Klagen von 13 Lehrern

Die schleswig-holsteinische GEW steht mit ihrer Kritik keineswegs alleine da. Die GEW im benachbarten Niedersachsen unterstützt aktuell 13 Klagen von Lehrern gegen das Land wegen einer zu hohen Arbeitsbelastung (News4teachers berichtete). Nach Berechnungen der Gewerkschaften fallen allein an den Grund- und Gesamtschulen sowie Gymnasien im Land jährlich 6,5 Millionen Überstunden an, die weder bezahlt noch ausgeglichen würden. Am 26. März wird sich das Verwaltungsgericht Hannover mit dem Fall eines Grundschulleiters aus Hannover befassen. Am 12. Mai verhandelt dann das Verwaltungsgericht Osnabrück die Klage einer Grundschulkollegin, die ebenfalls von der GEW vertreten wird. GEW-Landeschefin Laura Pooth erwartet, dass das Land in den Musterverfahren verpflichtet wird, die Arbeitsbelastung der Lehrer zu senken.

Auch der Philologenverband sieht die Belastungsgrenze der (Gymnasial-)Lehrer als überschritten an – wie weit, das wollte der Verband genau wissen und initiierte eine Befragung von bundesweit rund 16.000 Betroffenen. Am Montag stellt die Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing die Ergebnisse vor. News4teachers

Hintergrund

Die GEW in Schleswig-Hostein erhebt aktuell folgende Forderungen:

  • Reduzierung der Pflichtstundenzahl in allen Schularten
  • Erhöhung der Ausgleichsstunden und Einführung von Entlastungsstunden, z.B. für Klassenlehrkräfte, Korrekturen sowie für Team- und Beratungsstunden
  • Schluss mit der ständigen Mehrarbeit
  • Keine zusätzlichen Aufgaben ohne Ausgleich
  • Entlastung von Verwaltungstätigkeiten

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Lehrer am Limit: Immer mehr Aufgaben werden an die Schulen delegiert, ohne dass dafür Personal bereitgestellt würde

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2 Kommentare
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Gümnasiallehrer a.D.
4 Jahre zuvor

Spannend wird es dann, wenn die Vorgaben der EU zur Arbeitszeiterfassung umgesetzt werden. Theoretisch könnten dann viele sicher nach 4 Tagen den Stift fallen lassen.

Palim
4 Jahre zuvor

Für den Abschluss der Tarifverhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der Tarifkommission der Länder für die Ärzte an Unikliniken wird berichtet:

„Auch die Arbeitszeitaufschreibung wird verbindlicher: Von Juli an müssen Arbeitszeiten vollständig erfasst werden, entweder elektronisch oder durch vergleichbare genaue Verfahren. Die gesamte Anwesenheit abzüglich tatsächlich gewährter Pausen gilt dabei als Arbeitszeit. Die Arbeitszeiterfassung darf jederzeit von den Medizinern eingesehen und überprüft werden.“

Gut, dass Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers, der für die Tarifgemeinschaft die Verhandlungen vertreten hat, bei Ärzten zu diesen Zugeständnissen bereit war.

Wie wäre es, dies auch für niedersächsische Lehrkräfte zu übernehmen?