VBE warnt, dass die Corona-Krise die Ungerechtigkeit in der Bildung verschärft

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BERLIN. Der VBE zieht vorsichtig eine erste zufriedenstellende Bilanz der Schulschließungen. „Wir sehen viel Positives. Über das Wochenende haben Lehrkräfte hochengagiert Aufgaben und Arbeitsmaterialien zusammengestellt und diese persönlich übergeben, digital zur Verfügung gestellt oder den Eltern zukommen lassen“, sagt Verbandschef Udo Beckmann. Was ihn allerdings besorgt: dass ohnehin benachteiligte Schüler nun vollends aus dem Blick geraten – und die Schere zwischen zu Hause intensiv geförderten und weitgehend sich selbst überlassenen Kindern weiter auseinander geht.

Viele Kinder und Jugendliche dürften die nächsten Wochen sich selbst überlassen bleiben. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Auf der einen Seite warnt der VBE-Bundesvorsitzende Eltern vor Überfürsorglichkeit beim Heimunterricht. Für die von den Lehrern bereitgestellten Aufgaben „sollte es in der Regel nicht notwendig sein, dass die Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern unterstützt werden. Denn natürlich ist es Aufgabe der Lehrkräfte, solche Arbeitsmaterialien zusammenzustellen, welche die Schülerinnen und Schüler auch gut bewältigen können, und bei offenen Fragen ggf. auch eine Kontaktmöglichkeit anzubieten“, sagt er. Eltern sollten auch nicht zu viel Druck aufbauen. „Auch in der Schule kann nicht jedes Kind jede Aufgabe auf Anhieb umsetzen. Manchmal hilft das nochmalige Lesen und oft ein bisschen Zeit. Hier wollen wir auch beruhigen. Es ist nicht Aufgabe der Eltern, den Unterricht zu ersetzen. Sie sollten vor allem auf eine gute Arbeitsatmosphäre, Pausen und etwas Bewegung zwischendurch achten.“

„Vertrauen Sie dem Lehrer ihres Kindes“

Beckmann rät Eltern: „Vertrauen Sie der Lehrkraft Ihres Kindes. Sie weiß am besten, was es jetzt gerade braucht, welche Anforderungen an Ihr Kind gestellt werden können. Wenn die Aufgaben nicht ausreichen, um Ihr Kind auszulasten, versuchen Sie insbesondere auch, die kreative Seite zu fördern. Das kommt nämlich manchmal zu kurz in der Schule, da zuallererst für das gelernt wird, was abgefragt wird. Nicht zuletzt ist diese besondere Situation auch eine Gelegenheit, gemeinsam Zeit zu verbringen. Vorlesen fördert schon ab frühestem Alter eine enge Bindung und einen großen Wortschatz.“

Mit Unbehagen blickt der Bundesvorsitzende gleichzeitig auf die Schülerinnen und Schüler, die zuhause kaum Unterstützung erhalten – weil ihre Eltern emotional, kognitiv oder ökonomisch dazu nicht in der Lage sind. „Alle Lehrkräfte wissen, dass es Kinder gibt, bei denen man jeden Tag wieder froh ist, dass sie in der Schule einen festen Rhythmus, eine fürsorgliche Bezugsperson und ein Mittagessen erhalten“, sagt der VBE-Bundesvorsitzende, früher selbst Leiter einer Hauptschule in Dortmund. „Die Politik muss momentan vieles gleichzeitig bedenken, aber ich möchte eindringlich an die Kinder erinnern, denen die momentane Situation schwer zu schaffen machen wird.“

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„Katalysator für Bildungsunterechtigkeit“

Wenn es auf der anderen Seite Eltern gebe, welche ihre Kinder dazu bringen, während der Schulschließungen mehr Aufgaben als notwendig zu machen, privat Nachhilfe organisieren und zusätzlich kostenpflichtige digitale Angebote nutzen, „wird sich die Schere der Bildungserfolge schon in kurzer Zeit umso deutlicher zeigen. Die Schulschließungen würden so zu einem Katalysator für Bildungsungerechtigkeit“, warnt der Verbandschef.

Er nennt es hilfreich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mehr Bildungsprogramme anbieten (News4teachers berichtete) – und  Lehrkräfte im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten über Video-Plattformen wie YouTube, Streaming-Plattformen wie Twitch oder Digitalkonferenzanbieter wie Zoom mit Schülern in Kontakt bleiben und Wissen vermitteln. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Corona-Krise: Die Schulschließungen sind für Familien ein harter Stresstest

 

 

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8 Kommentare
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Stephanie Kretzschmann
4 Jahre zuvor

Was die Mütter angeht sind die jetzt ins Mittelalter zurückgeworfen, ich muß den ganzen Tag auf unsere drei Kinder aufpassen ( die anderen 3 sind bereits erwachsen und außer Haus) während mein Mann der bei einer bekannten französischen Autoteilezuliefererfirma als Maschinenbau-Ingenieur arbeitet “ zu Hause-Büro“ macht – im Gästezimmer. Für meinen Fernkurs bleibt keine Zeit ( kein eigenes Haus aber großer Haushalt, großer Garten), mein Studium bei der Fachhochschule für Wirtschaftspsychologie in Bielefeld ist auf Eis – da gibt es keine digitalen Lernangebote sie warten einfach ab…- der Job in der Gärtnerei geht nicht weil ich auf die Kinder aufpassen muss. An dieser Stelle würde sich mein Mann beschweren wenn ich sage wie hart es die Frauen / Mütter trifft, er hat zum Teil recht, aber letztendlich wird von zweien immer derjenige arbeiten gehen der mehr Geld verdient und der andere (wahrscheinlich die Frau) muss zu Hause bleiben. Unterstützung von anderen haben wir nicht. Ich sehe in einem Studium ehrlichgesagt auch gar keinen Sinn mehr wenn die Regierung jetzt diesen neuen Kurs einschlägt und bei jedem Virus alle zu Hause bleiben sollen, dann könnte ich sowieso nie ein Studium beenden, der bestehenden Regierung traue ich auf jeden Fall nicht mehr. Bei uns kann man seit Tagen nicht mal mehr Toilettenpapier kaufen. Da war doch „die Partei“ viel vorausschauender als sie schon vor Wochen eine Menschenkette von Hand zu Hand gegen Corona initiiert hat…
Die Ungerechtigkeit in der Bildung setzt sich also so fort: Wenn ein Paar Kinder hat und sind nicht auf demselben Niveau ( Studium / Gehalt) wird immer derjenige den Nachteil haben der weniger Bildung / Gehalt bekommt, sobald ein Kind krank ist oder eine kollektive Quarantäne verhängt wird ( das ist ja jetzt wahrscheinlich nur das erste Mal) wird derjenige zu Hause bleiben müssen der nicht geschafft hat dasselbe Niveau zu erreichen. Das ist wie beim Mensch- Ärger-Dich- nicht Spiel, bevor man es geschafft hat wird man rausgeschmissen und ist entweder im Haus oder bestenfalls auf A, aber A wie Ankommen wird man leider nicht schaffen, da niemand den Rücken freihält.

Heinz
4 Jahre zuvor

An welcher Stelle soll man da anfangen? Meiner Meinung nach sind sie vor allem deshalb ins Mittelalter zurückgeworfen worden, weil sie selbst die entsprechenden Rollenklischees verbreiten und auch leben.

„…wenn die Regierung jetzt diesen neuen Kurs einschlägt und bei jedem Virus alle zu Hause bleiben sollen…“ bin ich hingegen vollkommen fassungslos, und muss Ihnen sagen, dass sie leider gar nichts von der aktuellen Situation verstanden haben.

“ Da war doch „die Partei“ viel vorausschauender als sie schon vor Wochen eine Menschenkette von Hand zu Hand gegen Corona initiiert hat“

Bei diesen Aussagen bin ich hingegen vollkommen fassungslos, und muss Ihnen sagen, dass sie leider gar nichts von der aktuellen Situation verstanden haben und vermutlich auch wenig Verständnis für Mathematik und Biologie haben, anders kann ich mir diese Aussagen sonst nicht erklären. Nebenbei, bei der Partei handelt es sich um eine Spasspartei, also um Satire.

Georg
4 Jahre zuvor
Antwortet  Heinz

Das mit Die Partei ist eher ein Zeichen, dass die aktuellen großen Parteien für viele Menschen nicht mehr wählbar sind. Das Kreuz bei Die Partei finde ich dann auch nicht produktiv, aber noch besser als keine Wahl oder die Wahl einer Partei am linken oder rechten Rand.

Emil
4 Jahre zuvor

Ja, Sie müssen auf Ihre Kinder aufpassen. Bis zu den Osterferien. Wenn das eine Identitätskrise auslöst, hätten Sie vielleicht keine Kinder bekommen sollen.

Georg
4 Jahre zuvor

Jetzt ist doch die Gelegenheit, die Eltern auch an ihre Fürsorgepflicht zu erinnern. Diese gilt auch für die so genannten „benachteiligten“ Schülerinnen und Schüler.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Manche Lehrer hier arbeiten hartnäckig daran, das Image des Berufsstandes mit ihrem öffentlich zur Schau gestellten Zynismus zu beschädigen.

Ihre „so genannten ‚benachteiligten‘ Schülerinnen und Schüler“ sind Kinder von Drogensüchtigen, Alkoholkranken, psychisch Kranken, Alleinerziehenden etc. Spazieren Sie mal mit einem Streetworker nachts durch die Straßen – dann wissen Sie, von welcher Klientel hier die Rede ist. Und solche Kinder, die weißgott wenig zu lachen haben, dürfen sich dann noch von einem „so genannten ‚Lehrer'“ (um in Ihrem Duktus zu bleiben) aufziehen lassen, dass sie sich doch andere Eltern hätten aussuchen können. Mir wird schlecht.

Georg
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Wieso wird Ihnen bei emil nicht schlecht? Ich bin voll auf seiner Seite.

Abgesehen davon habe ich die Kinder nicht kritisiert. Allerdings müssen sie ab einem gewissen Alter selbst wissen, was sie für richtig oder falsch halten, und ob sie einen anständigen Abschluss haben wollen oder nicht.

dickebank
4 Jahre zuvor

Dass die Dame bis zu den Osterferien alleine auf ihre Kinder aufpassen muss, glaube ich nicht.

Der gesamte Automotive-Sektor – also auch der französische Autoteilehersteller – wird noch vor Ostern Kurzarbeit anmelden, genauso wie viele deutsche Firmen in dieser Branche. Da PSa in Frankreich mit der deutschen Tochter Opel, VW, Daimler, BMW, Porsche ihre Produktion wegen des Virus herunterfahren und teilweise einstellen, bleibt den Automobilzulieferern nichts anderes übrig als ihre Mitarbeiter an die Agentur für Arbeit anzugeben, damit sie Kurzarbeitergeld beantragen können. Teilweise haben Betriebe in dieser Branche schon kurzarbeit bis zu Null Stunden beantragt.

Wenn ein Poster der Meinung ist, dass die Posterin wenig Ahnung von Bio und Mathe habe, so lässt sich das um das Fach Gesellschaftslehre erweitern. Offensichtlich kennt sie die Prinzipien der Staatenteilung sowie den Grundsatz der Parteienbeteiligung bei Parlamentswahlen nicht.