Am Montag beginnen in Berlin die Abi-Prüfungen – unter erschwerten Bedinungen

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BERLIN. Noch sind die Schulen in Berlin wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Trotzdem beginnen am Montag die Abiturprüfungen – unter Bedingungen, die es so noch nie gegeben hat. Nicht nur Schüler sehen das kritisch.

Bei den Prüfungen kommt es auf den Mindestabstand an. Foto: Shutterstock

Abschlussprüfungen bedeuten oft Stress und Angst. Aber in diesem Jahr hat die Coronakrise die Bedingungen für die rund 14.600 Schülerinnen und Schüler, die in Berlin Abitur machen wollen, zusätzlich erheblich erschwert. Beim Klausuren schreiben gelten Abstandsregeln von 1,50 Meter, die Prüfungsgruppen werden oft auf mehrere Klassenräume verteilt, in denen sich höchstens acht Leute aufhalten dürfen. Ab Montag geht es los, zunächst im Fach Latein – nachdem die Schulen zuvor wochenlang geschlossen waren.

Der Landesschülerrat hatte verlangt, die Abi-Prüfungen ausfallen zu lassen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ist aber auf Kurs der Kultusministerkonferenz geblieben und hält an ihnen fest. «Wir haben uns diese Entscheidungen keineswegs leicht gemacht», sagte die Senatorin. Die Prüfungen in Berlin im Alleingang ausfallen zu lassen, war aus ihrer Sicht keine Option, weil das Abi-Zeugnis dann in anderen Bundesländern nicht als gleichwertig anerkannt worden wäre.

Schülerin: „Man fühlt sich ein bisschen alleingelassen“

Borka Brand, Abiturientin an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum in Mitte, ist mit der Entscheidung nicht glücklich: «Ich habe nicht das Gefühl, dass eine vernünftige Vorbereitung möglich war», erzählt die 19-Jährige. «Es ist nicht so, wie es sein sollte. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, auf die Prüfungen zu verzichten.»

Bei ihrer Abi-Vorbereitung gab es Höhen und Tiefen. «Man verliert etwas das Gefühl für die Zeit, den Überblick über die Stunden und Tage. Es ist schwer, das Pensum zu schaffen», erzählt sie. Am 24. April schreibt sie ihre erste Klausur – im Leistungskurs Englisch. «Ich habe so lange auf diese Prüfungen hingearbeitet, eigentlich seit Jahren», so die 19-Jährige. «Und nun ist alle anders.» Das sei belastend. «Man fühlt sich ein bisschen alleingelassen.»

Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bei den Prüfungen hat die Schülerin nicht. «Ich mache mir da nicht so krasse Sorgen, dass ich mich anstecke, eher um andere Menschen», sagt sie. «Die Pläne für Abstand und Hygiene an der Schule klingen für mich ok. Aber man weiß natürlich nicht, wie das dann umgesetzt wird.»

«Da geht ein Kurs in die Aula und einer in die Turnhalle»

Das Eckener-Gymnasium in Tempelhof gehört zu den Schulen, an denen schon am Montag Abi-Prüfungen anstehen – in Latein. «Das sind weniger als 20 Schüler, das ist nicht das Problem», sagt Schulleiter Klaus-Peter Bender. «Am Mittwoch sind es dann über 30, am Freitag rund 35. Wir haben vergangene Woche geguckt, wie das logistisch geht.» Für die Prüfungen hat Bender bereits Tische und Stühle in die Aula bringen lassen. Für die Lateinklausur reicht das. Für die Schülerinnen und Schüler, die am Mittwoch Bio schreiben, nicht: «Da geht ein Kurs in die Aula und einer in die Turnhalle.»

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Für Desinfektionsspender sei gesorgt, Türklinken und Garderobenhaken seien desinfiziert, Tische und Stühle mit Seifenlösung gereinigt worden, sagt Bender. Nach den Prüfungen werde das wiederholt. Die Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen seien aufwendig. Noch größere Probleme sieht der Schulleiter aber erst auf sich zukommen, wenn ab der Woche darauf die 10. Klassen wieder da sind – allein mit Blick auf die Abstandsregelung. «Wenn ich Abi-Prüfungen mache, ist kein anderer Unterricht möglich», erklärt Bender, «Prüfungen haben Priorität.» Wie sich das organisieren lässt, muss sich noch zeigen. «Das wird eine richtige Herausforderung.»

An der Fichtenberg Oberschule in Steglitz beginnen die Abi-Prüfungen am kommenden Mittwoch mit der Klausur im Leistungskurs Biologie. Schulleiter Andreas Steiner zweifelt, ob das in Zeiten der Corona-Pandemie notwendig ist: «Ich verstehe den Sinn nicht, warum wir Abi-Prüfungen auf Teufel komm‘ raus machen müssen», sagt er. «Ich verstehe die Schüler, die unter Druck stehen und Ängste haben.»

«Solange die Schule dicht ist, können wir das organisieren», so der Schulleiter. «Aber es wird schwierig, wenn die übrigen Schüler in die Schule zurückkommen. Ich weiß nicht, wie das laufen soll, wenn dann auch noch die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss dazu kommen.»

Aus Steiners Sicht wäre es das Beste, in diesem Jahr zumindest darauf zu verzichten. Desinfektionsmittel bekomme das Gymnasium vom Bezirk, sagte Steiner, Schutzhandschuhe habe die Senatsbildungsverwaltung zugesagt. «Schutzmasken bekommen wir keine.»

Elternvertreter hätte sich freiwillige Teilnahme gewünscht

Auch Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses, blickt mit großer Skepsis auf die Abiturprüfungen: «Ich sehe keinen Nachweis, dass die Sicherheit vor Ansteckung für Schüler und Lehrer gewährleistet ist und dass das alles wie geplant funktioniert. Für die Abiturienten wie für die Schulen seien die Vorbereitungen auf die Prüfungen in den vergangenen Wochen «furchtbar schwierig» gewesen, meint Heise. «Vor diesem Hintergrund hätte ich mir gewünscht, dass die Teilnahme an den Prüfungen in diesem Jahr freiwillig gewesen wäre.»

Das sieht der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann ähnlich. Auch für ihn steht der Gesundheitsschutz von Schülern und Lehrern bei den Abiturprüfungen ganz oben. Erdmann bezweifelt, ob sich der vorgeschriebene Sicherheitsabstand in den Schulen durchgehend einhalten lässt. «Die Abi-Prüfungen sind ein Lackmustest für den Schulstart», sagte Erdmann. Daran lasse sich bereits absehen, wie realistisch die Pläne für die nächsten Schritte seien. Von Andreas Heimann und Stefan Kruse, dpa

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3 Kommentare
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Birgit Driechel
3 Jahre zuvor

Ich kann dieses ganze hin und her nicht begreifen.. Wenn der Durchschnitt reicht.. Warum schreiben all die Jahre die Schüler Abi??
Auf der einen Seite erwachsen sein wollen und nun sich peinlich mit zum Teil fadenscheinigen ausreden wegen corona vors Abi drücken.. Wenn schon soviel Leistung erbracht wurde.. Das die Noten ausreichen.. Dann schafft man mit fleiss auch das Abi.. Man kann sich über allem heute mit einander austauschen.. Das, dürfte nicht das Problem sein.. Und die Kinder mit weniger Möglichkeiten. Hatte auch vorher schon Probleme.. Lernt lieber.. Den es geht ja auch dich ständig mit dem schreiben oder nicht schreiben zu beschäftigen.. Da sollten die Schüler lieber in die Bücher schauen.. Mein Sohn will jedenfalls kein geschenktes Abi.. Er lernt…

Sabine Ketzler
3 Jahre zuvor

Wie so oft wird von oben etwas deligiert, das dann vor Ort auf Biegen und Brechen umgesetzt werden muss, obwohl es kaum möglich ist. Wie oft lassen wir uns das noch gefallen?

Daniel Kröber
3 Jahre zuvor

Da hatt der Staat ja mal wieder saubere Arbeit geleistet, in jedem Bundesland sprechen sie davon, dass sie nicht im „Alleingang die Abitur-Prüfungen absagen wollen“ und dass „das Abitur sonst in anderen Bundesländern nicht anerkannt wird“. In anderen Ländern(Frankreich zB.) funktioniert es doch auch die Prüfungen abzusagen und die französichen Schuler dürfen hier mit ihrem „Not-Abitur“ abenso Studieren. Hätten die sich mal wirklich abgesprochen, auf normalen Hochdeutsch, hätten wir dieses unnötige Problem nicht.
Ich schreibe in einigen Wochen ebenso meine Abi-Prüfungen hier in NRW-Köln und die selbe Geschichte wurde uns hier auch erzählt. Mal schauen, ob die Kurve vielleicht dadurch wieder steigt…