Corona-Krise: GEW fordert, ältere Lehrer (wieder) früher in den Ruhestand zu lassen

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MÜNCHEN. Die GEW in Bayern hat Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) aufgefordert, den Gesundheitsschutz insbesondere für ältere Lehrer zu verbessern. Aus diesem Grund sollten zu Jahresbeginn angekündigten Maßnahmen gegen den Lehrermangel für sie rückgängig gemacht werden. Das würde bedeuten: Ältere Lehrer bekämen wieder mehr Teilzeitmöglichkeiten – und dürften auf Antrag früher in den Ruhestand gehen. In einem offenen Brief richtet sich die Gewerkschaft an den Minister.

Aufgrund des Lehrermangels sollen ältere Pädagoginnen und Pädagogen länger im Dienst bleiben – trotz Corona. Foto: Shutterstock

Viele Grundschullehrer in Bayern müssen nach dem Willen von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) ab dem kommenden Schuljahr mehr arbeiten. Außerdem dürfen sie ebenso wie ihre Kollegen aus den Real- und Förderschulen künftig nur noch in Ausnahmefällen vor dem 66. Lebensjahr in Rente gehen. Bei Teilzeitverträgen steigt die Mindeststundenzahl, und Sabbatjahre werden abgeschafft. So soll der erwartete Lehrermangel abgefangen werden. Dagegen protestieren die Lehrerverbände im Freistaat.

Die GEW sieht durch die Maßnahmen die Gesundheit von älteren Lehrerinnen und Lehrern bedroht. „Dass gerade auch ältere Kolleg*innen zur Risikogruppe gehören, bestätigt das Robert-Koch-Institut: ‚Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem, nach einer Infektion schwerer erkranken (Immunseneszenz).‘ Als wirksame Schutzmaßnahme von Risikogruppen schreibt ebenfalls das Robert-Koch-Institut: ‚Besonders wichtig ist die größtmögliche Minderung des Risikos einer Infektion, zum Beispiel durch allgemeine Verhaltensregeln (Hände waschen, Abstand halten zu Erkrankten) und weitere Maßnahmen der Kontaktreduktion‘“, so heißt es in einem offenen Brief, den die Gewerkschaft an Piazolo richtet.

„Coronavirua wird sich nach Öffnung der Schulen weiterverbreiten“

Weiter schreibt die GEW: „Es ist davon auszugehen, dass der Coronavirus sich nach Öffnung der Schulen weiterverbreiten wird. Auch wenn aktuell noch unklar ist, wann und in welcher Form der Schulbetrieb wieder aufgenommen wird, müssen die genannten Risikogruppen auch über dieses Schuljahr hinaus unter einen besonderen Schutz gestellt werden. Allein aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Verantwortung für den Gesundheitsschutz ist dies ein dringendes Gebot.“

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Im Zusammenhang mit den geplanten Maßnahmen gegen den Lehrermangel – das sogenannte „Piazolo-Paket – leitet die GEW zwei Forderungen ab. Erstens: „Die Ruhestandsversetzung auf Antrag mit 64 muss wieder möglich sein. Die Kolleg*innen, die das betrifft, können für dieses Schuljahr bis Pfingsten den Antrag noch stellen.“ Zweitens: „Die Kolleg*innen ab 57 Jahren erhalten die Möglichkeit arbeitsmarktpolitische Teilzeit zu beantragen und daher ihr Stundenmaß zu reduzieren. Dies mindert die Präsenz in den Schulen und damit die Ansteckungsgefahr.“

„Die körperliche Verfassung wird schlechter“

Tatsächlich sorgt die strengere Ruhestandregelung für so manchen Härtefall. Die „Augsburger Allgemeine“ schildert den Fall einer Würzburger Lehrerin, die im August 64 Jahre alt wird – und 42 Dienstjahre in einer Förderschule ihren Dienst versehen hat. In Vollzeit, obwohl sie selbst zwei Kinder großgezogen hat. Sie hatte vor Weihnachten den Antrag gestellt, nach Schuljahresende in Pension gehen zu können. Bislang war das kein Problem. Plötzlich schon. Zwei Tage nach der Veröffentlichung des „Piazolo-Pakets“ eröffnete die Schulleitung ihr, dass aus dem baldigen Ruhestand nichts werde. Sie müsse aufgrund der Weisung aus München weitermachen. „Sehr bitter“ fühle sich das an, sagt sie dem Bericht zufolge. „Wenn man über 60 ist, merkt man eben jedes Extrajahr. Die körperliche Verfassung wird schlechter; man ist einfach nicht mehr so belastbar.“ Und jetzt kommt noch Corona hinzu.

Gerade in diesen Zeiten habe der Schutz besonders vulnerabler Gruppen die allerhöchste Priorität, so unterstreicht nun die GEW. Dass Piazolo dies genauso sehe, habe er ja schon gezeigt: So würden, wenn möglich, Lehrkräfte mit betreuungsbedürftigen Kindern von der Notbetreuung ebenso ausgenommen wie Schwangere – oder Lehrkräfte über 60 Jahre. News4teachers

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FM
3 Jahre zuvor

Nach meiner Meinung könnte der Schulstart ohne Impfschutz, vorallem für die gesundheitlich vorbelasteten Schüler, Hausmeister, Sekretärinnen und Lehrer fast ein Akt befohlener Körperverletzung sein. In den mir bekannten Schulen sind ca. 3/4 aller Lehrer 55 und älter. Nehmen wir an, diese hätten wie die allgemeinen Äußerungen sind, ein erhöhtes Risiko, was ist dann mit dem Bereich Bildung in D wenn daraufhin 2/3 der Lehrer schlagartig überhaupt nicht mehr da sind?

Carla Ditto
3 Jahre zuvor

Und warum, bitte, soll das dann nur für Lehrer gelten? Ärzte, Pflegepersonal, VerkäuferInnen aller Art und diverse andere Berufe haben mindestens ebenso viel Chancen sich anzustecken. da redet aber keiner davon, dass sie mit 60 vorzeitig in Ruhestand sollen, im Gegenteil! Von Ärzten und Pflegern wird teilweise sogar verlangt, weiter zu arbeiten, wenn sie selbst bereits Corona-erkrankt sind. Eine Extrawurst nur für Lehrer sehe ich überhaupt nicht ein (und, nur für die Akten: ich bin ebenfalls über 60 und arbeite in einem Beruf, in dem ich reichlich Kontakte zu kranken Menschen habe).

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Carla Ditto

Müssen Sie auch gar nicht. Es reicht, wenn die Schulministerien dies aus Fürsorgepflicht ihren Bediensteten gegenüber verfügen.

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre …

Dieses wenn ist eher ein falls und kein sobald.

Wolfgang Becer
3 Jahre zuvor

Sollte auch für die Krankenpflege, Altenpflege, ÖPNV, Betreuung von Menschen mit Behinderung, Einzelhandel, Polizei und……gelten.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Becer

Und wie sieht es mit der Altersgrenze für Beamte und Beamtinnen der Polizei aus, die dauerhaft im Wach- und Wechseldienst eingesetzt sind? Die Zahl der Polizeikräfte mit einem Lebensalter Ü60, die täglich „Kontakt zu Kunden“ – also als „Streifenhörnchen arbeiten“ – haben, ist vermutlich deutlich kleiner als die der Lehrkräfte, die „vor Kreide“ arbeiten.

Angelika Kraus
3 Jahre zuvor

Erzieher in Kitas haben noch viel engeren Kontakt zu Kindern und kaum die Möglichkeit sich zu schützen. Seit Beginn der Coronaschließung sind alle Betreuer in unserer der Kita anwesend.Auf ü60 mit Vorerkrankungen wird keine Rücksicht genommen weil unser Träger nichts von Homer Office hält. Wurde mehrmals bei Notbetreuung eingesetzt und auf Nachfrage wurde mir ein Auflösungsvertrag angeboten.

AvL
3 Jahre zuvor

Die Hauptüberträger des SARS-CoV-2 Virus ist die Gruppe der 15 bis 80 Jährigen, was jeder im täglichen Dashboard des RKI nachlesen kann. Dort sind die Fälle in der Gesamtheit und auf das Alter bezogen abgebildet.Das Durchschnittsalter der Erkrankung an SARS-CoV-2 liegt bei 46 Jahren. Kinder unter 15 Jahren erkranken weitaus seltener, siehe das Fallbeispiel der französischen Schule , die von Herrn Drosten zitiert wird und zeigte das 43 % der Lehrer, 40 % der Schüler über 15 Jahren, aber nur 2,7 % der unter 15 jährigen positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden.
Wieso ausgerechnet die Kleinkinder gesamtgesellschftlich als zu betreuendes Klientel von der GEW gegen diese statistischen Daten zum Hauptrisikoträger erklärt wird erschließt sich allenfalls durch eine übersteigerte Wahrnehmung des eigenen Risikos.