Tullner: Schulen zuerst für Abschlussklassen öffnen – wenn überhaupt

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MAGDEBURG. Noch ist in den meisten Bundesländern offen, wann und wie Schulen, Horte und Kitas wieder öffnen, doch Vorschläge und Forderungen gibt es viele. Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner ist dafür, bei einer Lockerung der Corona-Regeln zuerst die Abschlussjahrgänge wieder in den Schulen zu unterrichten. Nur so könne es in ungewöhnlichen Zeiten ein normales Abitur geben, sagte der CDU-Politiker im Gespräch. An den Abschlussprüfungen will er in Übereinstimmung mit seinen Amtskollegen festhalten.

Will die anstehenden Abitur-Prüfungen stattfinden lassen: Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner. Foto: Steffen Prößdorf / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Eine Öffnung der Einrichtungen für alle Kinder und Jugendlichen hält er für unwahrscheinlich. Ihm fehle die Fantasie bei der Frage, wie mit Kleinkindern im Kindergarten die Abstandsregeln von 1,5 Metern eingehalten werden sollten. Schulen und Kitas im Land sind seit 16. März geschlossen. Die derzeitige Regelung läuft am 19. April aus.

Ob direkt im Anschluss der Schulbetrieb in Sachsen-Anhalt zumindest teilweise wieder hochgefahren wird, ließ Tullner offen. Das werde erst nach den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Mittwoch klar sein. «Diese Situation hat ein bisschen was von einem Champions-League-Finale, auf das alle hinfiebern», sagte Tullner. Sein Ministerium sei vorbereitet und arbeite seit längerem an Szenarien, um den Schulbetrieb hochzufahren.

Aufteilen der Klassen in zwei Gruppen wird diskutiert

Wie diese Konzepte konkret aussehen, ließ er offen. Bundesweit werden derzeit verschiedene Ideen diskutiert, um beispielsweise Mindestabstände zu garantieren. So könnten entweder zunächst nur die älteren Jahrgänge unterrichtet werden. Auch ein Aufteilen der Klassen in zwei Gruppen, die nacheinander vormittags und nachmittags beschult werden, ist in der Diskussion.

In jedem Fall könnten die Schulen in Sachsen-Anhalt auch sehr kurzfristig auf die Entscheidung der Ministerpräsidenten am nächsten Mittwoch reagieren. «Wir sind in engem Austausch mit den Schulleitungen», sagte er. Die Lehrkräfte seien weiterhin im Dienst und unterrichteten von Zuhause. Fraglich sei allerdings, wie viele Kolleginnen und Kollegen aus Risikogruppen direkt nach dem Wiederhochfahren des Schulbetriebs zur Verfügung stünden.

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Der Chef des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, bevorzugt eine gestaffelte Rückkehr der Schüler in die Klassenzimmer – beginnend mit den Abschlussklassen für Abitur, Mittlere Reife und Hauptschulabschluss. Die sachsen-anhaltische Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Eva Gerth, regte hingegen an, über Alternativen zu einem regulären Ende des Schuljahres nachzudenken.

GEW: Schüler werden extrem unterschiedlich gefördert

Schon jetzt könnten sich die Schülerinnen und Schüler nicht unter den gleichen Voraussetzungen auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, da sie unterschiedliche Bedingungen zum Lernen Zuhause hätten, so Gerth. Die Schere zwischen Jugendlichen mit guter digitaler Ausstattung und viel familiärer Unterstützung beim Lernen und jenen mit schlechter Ausstattung sowie wenig häuslicher Hilfe gehe weit auseinander, teilte die Gewerkschaft kürzlich mit. «Für den Fall weiterer und länger währender Kontaktsperren regt die GEW an, die bisher erbrachten Leistungen anzuerkennen und auf dieser Grundlage Zeugnisse und Abschlüsse zu erteilen.»

Davon hält Bildungsminister Tullner überhaupt nichts. Wenn die Krise vorbei sei, werde auf diese Zeit und die zugehörigen Abschlussjahrgänge zurückgeblickt. «Und dann sollte es möglichst nicht heißen: Das war der Corona-Jahrgang», gab Tullner zu bedenken. «Wir sollten dem jetzigen Jahrgang die Chancen nicht leichtfertig verbauen, wenn es darum geht, sich mit anderen Jahrgängen um Studienplätze oder Stipendien zu bewerben.» dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Ds ist so oder so kein „normales“ Abitur mehr möglich. This train has left the station.

Ich bin ja gespannt wie gerade Sachsen-Anhalt Vormittags- und Nachmittagsunterricht finanzieren will. Soll dann für ein Viertel Jahr im neuen Schuljahr kein Unterricht stattfinden, weil die Lehrer alle Überstunden ohne Ende gesammelt haben oder plant man eine Mehrvergütung von 50%?

Ich frage für einen Freund.

omg
3 Jahre zuvor

Für die Abschlussklassen brauchen wir 12 der 27 Klassenräume, wenn der Mindestabstand eingehalten werden soll. 1/2 des Kollegiums dürfte nach derzeitigem Stand nicht unterrichten.
Wir bekommen das hin, aber höchstens für 2 Jahrgänge.
Allerdings ist bisher nichts gelaufen in Richtung Ausstattung:
Keine Schutzmaterialien, Desinfektionsmittel sind kaum zu bekommen und wenn, dann zu Preisen, die wir 2 bis 3 Wochen zahlen können, dann ist alles Geld für 2020 weg.
Alles schon durchgerechnet und durchgeplant. Mal sehen, ob unsere Schönwetterkultusminister diesmal auch an solche Kleinigkeiten mal wieder nicht denken.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  omg

Dafür st das Schulministerium doch gar nicht zuständig. Die sachliche Ausstattung der Schulen – und dazu gehören auch die Beschaffung der Hygieneartikel und Reinigungs-/Desinfektionsleistungen – liegen in der Zuständigkeit der Kommunen als Sachaufwandsträger.

In meiner Ausbildung habe ich gelernt:

Der Beamte (m/w/d) prüft zunächst räumliche und sachliche Zuständigkeit.

Und somit ist klar, die räumliche Zuständigkeit ist gegeben, die sachliche in Hinblick auf die Versorgung der Schulen mit Ausstattung zum Infektionsschutz ist nicht gegeben. Folglich muss er das nicht entscheiden sondern an die zuständigen Stellen weiterleiten. Wäre es anders, wäre die Ausstattung der Schulen mit IT-Ressourcen schon weiter.

walter helbling
3 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

@dickebank ..und wie sollen das die Standortträger auf die Reihe kriegen? Logistisch und finanziell? Wo ist die Kooperation Sozial- Gesundheitsministerium/Bildungsministerium? Oder kriegen die Schüler und Lehrkräfte einfach die Aufforderung: Mitbringen von Schutzmasken ist Pflicht?
Es ist eben gefährlich bequem, irgendwas anzuordnen, ohne die Rahmenbedingungen wirklich mit einzubeziehen.

Im Weiteren ist das, was der Minister sagt, im Grunde genommen nichts. Er will Abi, aber zuerst jetzt mal abwarten, er hat „Konzepte“, geht aber darauf nicht ein.
Viel Spaß beim Halbtagsunterricht – und der damit verbundenen Schülerbeförderung und Einsatzplanung für die Lehrkräfte…. All das scheint den Herrn Minister nicht zu interessieren, denn dafür sind ja Schulleiter (Einsatz des bestehenden Lehrkörpers) und Landkreise und Verkehrsbetriebe (Organisation Schülerbeförderung) zuständig. Sollen die mal…..
Fazit: Tullner lässt so viel offen, dass eigentlich gefragt werden muss, weshalb er hier zu Wort kommt. Schweigen bis Mittwoch wäre besser- für alle.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  walter helbling

Kann der jeweils obersten Schulbehörde zunächst einmal egal sein. Für die Umsetzung der Kontrollen (Aufsicht) ist die obere Schulbehörde zuständig.

Das deutsche Problem ist die Teilung zwischen innerer und äußerer Schule – also die Aufgabenteilung zwischen Land und Schulträgern (Kommunen oder Private). Die Länder können bezüglich der gebäude und der sächlichen Ausstattung zwar Vorgaben machen, umsetzen muss die aber der jeweilige Schulträger. Die Diskrepanz fällt im personellen Bereich dann auf, wenn man sich die Zahlen von lehrendem und nicht-lehrendem Personal ansieht. Einige der Vorgaben, die im Zusammenhang mit dem Corona-Virus in Hinblick auf eine Wiedereröffnung der Schulen kommen werden, werden sich voraussichtlich aufgrund des fehlenden nicht-lehrenden Personals gar nicht umsetzen lassen. Die Personalschlüssel für Sekretariatskräften, Hausmeistern, Reinigungskräften und Schulsozialarbeit einschließlich Inklusionshelfern lassen dafür keine Spielräume.

Es scheint mir so, als ob in manchen Bereichen „die Rechnung ohne den Wirt gemacht“ würde.

Markus
3 Jahre zuvor

«Für den Fall weiterer und länger währender Kontaktsperren regt die GEW an, die bisher erbrachten Leistungen anzuerkennen und auf dieser Grundlage Zeugnisse und Abschlüsse zu erteilen.» Gönnt uns doch mal, Wir haben Jahrelang dafür gelernt und was können wir dafür dass es jetzt den Coronavirus gibt. Ihr wisst nicht was wir durchgemacht haben gibt uns einfach unsere Abschlüsse ohne weitere Prüfungen. In allen anderen Ländern wird das so gehandhabt nur Deutschland muss mal wieder reinscheißen (Entschuldigung dafür aber es ist so) wir haben auch Pläne und niemand will 1 Jahr wiederholen bitte Deutschland seit nur 1. einziges mal vernünftig wir Schüler können Tag und Nacht nicht mehr schlafen warum macht Ihr sowas habt ihr keine Kinder.

Germanist
3 Jahre zuvor

Lieber Markus,
Sie liefern mit Ihrem Beitrag ungewollt ein Paradebeispiel dafür, weshalb es für die Allgemeine Hochschulreife eine Abschlussprüfung braucht, Ihre Rechtschreibung ist der eines Abiturienten nämlich kaum würdig und daran ändert auch die derzeitige Corona-Krise nichts.

Ruhestifter
3 Jahre zuvor
Antwortet  Germanist

Und sie glauben ernsthaft das der Herr Markus bei den Prüfungen genauso schreiben würde ? Wenn dies der Fall wäre, würde er doch wohl nicht für ein Durchschnitts-Abschluss plädieren oder ? Weil das hätte er dann garantiert auch nicht, denn die Leistungen vorher müssten ja auch stimmen.

Marcus
3 Jahre zuvor

Ich halte die Sorgen, des Bildungsministers Marco Tullner durchaus nachvollziehbar. Dennoch wissen wir doch leider alle, dass es dieses Jahr, egal wie die Zukunft nun verläuft kein gerechtes Abitur geben wird.

Ich muss anmerken, dass die Öffnung aller Schulen für Abschlussklassen eine sehr fahrlässige und mutige Entscheidung ist. Viele sind sich hierbei nicht einmal um die große Anzahl der Schüler bewusst. Wir haben alleine in Deutschland viele tausend Abiturienten. Dazu muss man ebenfalls noch alle Abschlussschüler, der Real- und Berufsschule addieren. Diese vielen Menschen nutzen ab dem Zeitpunkt der Schulrückkehr wieder öffentliche Verkehrsmittel und steigen voller Sehnsucht wieder umfänglich in das soziale Leben ein. In erster Linie denken viele hier nur an das Treffen mit Freunden. Aber es ist weit mehr als das. Falls Sie die allgemeine Hochschulreife bestanden haben, frage ich nun ganz ehrlich: Wie haben Sie gelernt? Ich bin mir sicher, dass auch Sie in einer Lerngruppe gelernt haben, um sich den Stoff besser anzueignen und um das Abitur zu bestehen. Falls wir dieses Lernengagement verbieten, stehen wir wieder vor der Frage, ob die Bedingungen für ein gerechtes Abitur gegeben sind. Das weitaus wichtigere Themenfeld ist allerdings, alte und vorerkrankte Menschen zu schützen. Doch wie, wenn die vielen Schüler nach der Schule und nach Unmengen an Kontakten nach Hause zur Familie kommen?

Eine Aussage die mich zum Nachdenken brachte. „Alte und Vorerkrankte schützen“. Doch was ist nun mit Schülern, die mehr gefährdet sind als andere. Schüler, die sich in der Risikogruppe befinden. Diese gefährdeten Schüler sollen – nein müssen – wieder in das öffentliche Leben zurück, um Ihren Abschluss zu erhalten. Tun sie das nicht… Was dann? Nur weil Ihnen Ihre Gesund und Ihr Leben wichtiger ist, Sie zu einem weiteren Jahr in der Schule zu verpflichten, wäre sehr fraglich.

Ein weiterer Aspekt der mich unheimlich stört, ist die Aussage, das verpflichtende Atemschutzmasken für Schüler das Infektionsrisiko erheblich verringern, falls die Schulen Ihren Betrieb für Abschlussklassen wieder starten sollten. Es wurde oftmals betont, dass Masken oft in erster Linie zum Fremdschutz dienen und oft viele Masken eher weniger für den Selbstschutz bieten.

Generell finde und befürchte ich, dass diese Entscheidung nicht besonders abgewogen wurde oder wird. Es gibt unzählige Argumente und Sonderfälle von Schulen, die noch mehr Argumente gegen eine Schulöffnung aufbringen können. Als Beispiel, wären hier auch alle Schulen zu nennen, die mit einem Internat verbunden sind. In solch einer Konstellation lernen diese Schüler nicht nur gemeinsam. Nein, sie sind von Tag bis Nacht zusammen, weil sie wie eine große Familie fungieren.

Tatsächlich gibt es – wie wir alle wissen – viel mehr Aspekte, die gegen eine Schulöffnung für Abschlussklassen sprechen. Ich leiste ehrenamtlich medizinische Hilfe und habe deshalb, gerade zu diesen Zeiten keine Zeit den Verantwortlichen einige Argumente aufzulisten, zumal Sie diese selbst finden sollten. Dennoch hoffe ich, dass ich einige Denkreize anstoßen konnte.
#WirSindFürEuchDa #WirBleibenZuhause