Geheimnis des Einser-Abiturs: Auf die mündliche Mitarbeit kommt’s an – weniger auf Fleiß

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DÜSSELDORF. Der 18-jährige Oberstufenschüler Tim Nießner aus Haan bei Düsseldorf hat sich etwas Besonderes ausgedacht, um sich auf sein Abitur vorzubereiten: Er hat fast 100 der besten Abiturienten Deutschlands interviewt, um herauszubekommen, was er von ihnen lernen kann. Daraus ist ein 300 Seiten starkes Buch entstanden («Die geheimen Tricks der 1,0er-Schüler», mvg Verlag), das am Dienstag (12.5.) erscheint. Nun sagt er: «Jeder kann ein Einser-Abi schaffen.»

Besonderer Fleiß ist nicht notwendig, um ein sehr gutes Abitur zu erreichen – eher Konzentration. Foto: Shutterstoc´k

Zuerst schrieb Tim Nießner bundesweit 2200 Schulen an, um herauszubekommen, wer die besten Abiturienten sind, um dann mit ihnen in Kontakt zu treten. Alle Interviewten haben einen Abi-Notenschnitt zwischen 0,69 und 1,0 erreicht, sagt Nießner. Nicht alle wollten ihren Namen im Buch lesen, das nun verrät, wie sie ihr Super-Abi eingeheimst haben. «Man muss nicht übel schlau sein, um das zu schaffen», sagt der Oberstufenschüler, der sein eigenes Abitur noch vor der Brust hat. Von den 100 Top-Abiturienten seien vielleicht gerade einmal zehn Prozent hochbegabt, schätzt er.

Streber? Von wegen

Die zweite Überraschung: Nur wenige hätten sich als totale Streber entpuppt, die außer Schule nichts im Sinn hatten. «Die haben gar nicht den ganzen Tag gelernt. Die haben sich fast alle neben der Schule viel Zeit für Hobbys und Freunde genommen. Ein Ausgleich sei sogar extrem wichtig, haben sie gesagt.»

Für ein sehr gutes Abitur seien eher andere Dinge gefragt: Am wichtigsten sei die mündliche Mitarbeit, sagen die Einser-Abiturienten. Und zwar nicht nur, weil die Beteiligung am Unterricht 50 Prozent der Gesamtnote ausmache, sondern weil damit man auch schon meist den Stoff beherrsche und auf dem halben Weg zu einer sehr guten Klausurnote sei. «Die Spitzenschüler sagen, die mündliche Mitarbeit ist das A und O – und macht in Wirklichkeit 70 bis 80 Prozent aus. Wer im Unterricht aufmerksam ist, muss auch nichts nachholen.»

Die Abi-Überflieger sagen aber auch: Sympathie sei sehr wichtig, kein Lehrer schaue streng nur auf die Leistung: «Wer den Lehrer mit Respekt behandelt und ein gutes Verhältnis aufbaut, hat bei ihm einen Bonus.» Aber man sollte es auf keinen Fall übertreiben: «Nicht schleimen! Lehrer waren auch mal Schüler. Niemand mag Schleimer!»

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Wer noch höher hinaus will, sollte zusätzlich jeden Tag lernen und nicht nur vor Klausuren. Mit zehn Minuten täglich anfangen und sich auf eine Stunde am Tag steigern – mehr müsse gar nicht sein. Wer das auch in den Ferien mache, habe schnell einen enormen Vorsprung.

Tim gibt zu, früher selbst nicht besonders gut in der Schule gewesen zu sein. In der sechsten Klasse lag sein Notenschnitt bei 3,0. Doch dann packte ihn der Ehrgeiz und nach vier Jahren hatte er sich auf 1,3 verbessert. Nun ist er überzeugt: «Jeder kann ein Einser-Abi schaffen.»

Es dauert, bis man aus der 3er-Schublade herauskommt

Am Anfang war das durchaus frustrierend, sagt er. «Es dauert, bis man beim Lehrer aus der 3er-Schublade rauskommt und in eine höhere rein.» Durchhalten ist angesagt: «Irgendwann ist man oben angekommen und dann ist es dafür leichter, dort zu bleiben.» Wer beim Lehrer einen exzellenten Ruf genieße, könne sogar mal die mündliche Mitarbeit schleifen lassen.

Auch sehr wichtig: die eigene Motivation. Man sollte sich seine Ziele eher ein Stück zu hoch hängen als zu tief, empfehlen die Abi-Überflieger. Fatal seien Sätze wie: «Das verstehe ich eh‘ nicht. Ich bin halt kein Mathe-Typ.» Mathematik, da waren sich die Befragten einig, sei sogar ein reines Übungsfach. «So viele Übungsaufgaben wie möglich» sei die Devise. Wenn es der Lehrer nicht gut erklären kann: «Nimm das Internet: Lern-Apps oder Youtube, gute Angebote sind simpleclub und MrWissen2Go.»

Bedenklich ist, was die Spitzenschüler über den Kunstunterricht zu sagen hatten, was sich, auf den Punkt gebracht, so liest: «Male so, wie der Kunstlehrer es will, andernfalls bekommst du eine schlechte Note, selbst wenn du der nächste Picasso bist.» Von Moritz Baumann, dpa

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9 Kommentare
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Georg
3 Jahre zuvor

Die interviewten Schüler haben recht. Das Abitur ist mittlerweile so einfach geworden, dass eine gewisse Grundbegabung, regelmäßiges Üben und die erwähnten taktischen Verhaltensweisen vollkommen ausreichen.

Man muss das auch mal umgekehrt sehen: Die leistungsschwachen Schüler lassen sehr häufig die sonstige Mitarbeit und die Beziehungsarbeit zum Lehrer schleifen. Fachliche Überforderung kommt trotz viel zu hoher Gymnasialquote auch, aber deutlich seltener vor.

lehrer002
3 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Pauschal sind diese Behauptungen sowohl auf ihrer Seite als auch die des Artikels nicht korrekt. Sicherlich sind im Schnitt die Abiturnoten schneller im 1er-Bereich als beispielsweise vor 30 Jahren. Aber: Es ist sehr stark schul- und lehrerabhängig. Hier in der Nähe gibt es ein katholisches Privatgymnasium, das nur die besten Grundschüler aller umliegenden Städte und Orte aufnimmt. Und dennoch gab es in den letzten 10 Jahren nur 2!!! 1,0er-Abis. Es liegt also vor allem an der Schule. An einigen werden die Noten hinterhergeschmissen, an anderen muss man sich enorm anstrengen, um sich überhaupt nur dem 1er-Bereich zu nähern.

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  lehrer002

Da haben Sie recht. Eine sehr gute Leistung ist immer auch in Bezug auf die restliche Klasse zu sehen. Dennoch gehe ich davon aus, dass die mittleren Absolventen dieses Privatgymnasiums mit den besten der öffentlichen Schulen locker werden mithalten können.

Sebastian B.
3 Jahre zuvor

Den Artikel musste ich schon nicht mehr weiterlesen, als da stand, mündliche Mitarbeit mache 50% aus. Also an meiner Schule macht mündliche Mitarbeit genau 0% aus. Ich glaube nicht mal, dass dies hier in Sachsen zulässig wäre, weil je nach (Grund-/Leisungs-)Kurs 1-2 Klausuren pro Halbjahr geschrieben werden, welche 50% der Halbjahresnoten Note ausmachen und dazu noch mindestens 2-4 LK Noten welche die anderen 50% ausmachen.
Ich weiß ja nicht an welche Sonderschule jene Person gegangen ist, aber nach vollwertigen Abitur hört sich das nicht an.

Thomas M.
3 Jahre zuvor

Irreführende Überschrift: Fleiß ist sehr wohl wichtig

Georg
3 Jahre zuvor

Vermutlich NRW. Hat mit Sonderschule nichts tu tun, aber in den Vergleichen schneidet NRW bekanntlich eher dürftig ab.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Vor allem wenn die Studien auf Zahlen der Bertelsmann Stiftung basieren.

Utz
3 Jahre zuvor

Zu folgendem Zitat: „Bedenklich ist, was die Spitzenschüler über den Kunstunterricht zu sagen hatten, was sich, auf den Punkt gebracht, so liest: «Male so, wie der Kunstlehrer es will, andernfalls bekommst du eine schlechte Note, selbst wenn du der nächste Picasso bist.» Von Moritz Baumann, dpa“
Auch im Kunstunterricht gibt es klar definierte Themen, in denen es nicht nur um die Phantasie oder um die Kreativität des Schülers geht, sondern um die Erfasung der vorher besprochenen Aufgabenstellung. Auch in der Kunst geht es nicht zuerst um Genialität sondern auch um Arbeit, um Sensibilität, Analyse und Transferleistung.
Das hat der Schüler, der bemerkenswerter Weise auf die Idee zu dieser Studie über 1-Abis kam, leider noch nicht verstanden ,-)

Rainer Kirmse , Altenburg
3 Jahre zuvor

Einser-Abitur, im Mittelfeld oder gerade so geschafft;
eine gute Zensur ist nicht der Weisheit letzter Schluss.
Was muss man im digitalen Zeitalter überhaupt noch wissen?
Ein kleines unorthodoxes Gedicht zum Allgemeinwissen:

WISSEN FÜR BESSERWISSER

Es hält unser Blut in Fluss der
Thrombozytenaggregationshemmer,
Welch klangvolles Wort.
Bandar Seri Begawan ist
Hauptstadt von Brunei,
Ein herrlicher Ort.

Kalaallit Nunaat ist Grönland,
Der Mount Godwin-Austen
Auch als K 2 bekannt;
Eyjafjallajökull ein Vulkan
Im vulkanreichen Island.
Vigdis Finnbogadottir
War mal Präsidentin hier.

Wir kennen Parallaxensekunde
Und Desoxyribonukleinsäure gut,
Zaubern noch mit links die
Positronenemissionstomografie
Aus dem Hut.
Die Stadt Hodmezövásárhely
Fordert schon etwas Mut.

Spricht man diese Worte
Zügig und unfallfrei aus,
Erntet man sicher Applaus.
Kann man sie noch deuten,
Ist man wohl unheimlich
Den Leuten.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus Thüringen