GEW-Chefin beschwert sich bei Gebauer: „Verunsicherung schlägt in Frust um“

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DÜSSELDORF. „Ohne Zweifel schlägt die Verunsicherung bei Lehrkräften, Schulleitungen und Schüler*innen längst in Frust um.“ Maike Finnern, Landeschefin der GEW, hat einen offenen Brief an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) geschrieben – und einen besseren Umgang mit den Kollegien angemahnt. „Eine wertschätzende Kommunikation erfolgt nicht durch Schulmails am späten Abend oder durch Mitteilungen durch die Presse“, schreibt Finnern.

„Schon jetzt gilt es an die Zeit nach den Schulsommerferien zu denken“: GEW-Landeschefin Maike Finnern. Foto: GEW NRW

Seit Wochen arbeiteten Schulleitungen und Lehrkräfte an möglichen Öffnungsszenarien, deshalb – so mahnt die GEW-Landesvorsitzende die NRW-Schulministerin – „wäre es das richtige Signal gewesen, den Schulen die nötige Zeit einzuräumen“, um die bisherigen Gedanken in Ablaufpläne gemäß den Schulmails zu überführen. Denn mit jeder Schüler–Gruppe, die nun zusätzlich in die Schule kommt, werde der Planungsaufwand vervielfältigt. Hier nur vier Tage Vorbereitungszeit einzuräumen, sei deutlich zu wenig.

Insbesondere für die Grundschule ist Gebauer aus Sicht der GEW-Landesvorsitzenden viele Antworten schuldig geblieben. Besonders brisant erscheinen die Regelungen zum Offenen Ganztag: Während an den weiterführenden Schulen der Mensa-Betrieb geschlossen bleibt, ist diese Frage für den Ganztag längst nicht gelöst. Offen bleiben auch Fragen nach Klassenarbeiten und Zeugnissen an den Grundschulen. Hier erwartet Finnern schnelle und verlässliche Antworten.

GEW-Gutachten: „Hygiene ist unteilbar“

Mit der Expertise eines dreiteiligen GEW-Gutachtens zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Schule wendet sich die Landesvorsitzende auch in Puncto Hygiene an die Ministerin. (News4teachers berichtet ausführlich über das Gutachten, das auch Kritik an NRW-Ministerpräsident Laschet enthält – hier geht’s zum Bericht). Das Ministerium dürfe sich der Verantwortung für die Beschäftigten nicht entziehen.

Finnern verweist auf eine Kernaussage des Gutachtens: „Hygiene ist unteilbar.“ Heißt: Sobald an einzelnen Stellen Hygienedefizite bestehen, besteht für alle Beteiligten kein hinreichender Infektionsschutz mehr. Deshalb dürfe es kein Schwarz-Peter-Spiel zwischen Dienstherren und Schulträgern geben. Die Landesregierung, so Finnern, müsse ihrer Verantwortung nachkommen und durch Bereitstellung von Schutzequipment und entsprechenden Richtlinien zur Organisation des schulischen Alltags dafür Sorge tragen, dass es zu keinem Zeitpunkt zu Defiziten im Infektionsschutz kommt. „Die angekündigten Schutzmaßnahmen begrüße ich, wenngleich ich mahnen möchte, dass hier hätte schneller gehandelt werden müssen. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass die Ausstattung mit Mundschutz, Papierhandtüchern, Seife und Desinfektionsmitteln sichergestellt ist. Es darf hier zu keinen Versorgungslücken kommen“, so betont die GEW-Landesvorsitzende.

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Benachteiligung ohnehin benachteiligter Schüler

Neben der hygienischen Situation an den Schulen bezieht der Brief auch die pädagogische Dimension der aktuellen Bildungspolitik mit ein. Denn die Corona-Krise offenbare einmal mehr die starke Abhängigkeit des Bildungserfolgs von sozialer Herkunft in Deutschland. „Die Benachteiligung von ohnehin benachteiligten Schüler*innen potenziert sich“, so Finnern. Vielen Kindern und Jugendlichen stünden weder die nötige Ausstattung, noch die nötigen sozialen Unterstützungsressourcen bereit, um sich in Zeiten von Distanzlernen in hinreichender Weise, schulischen Aufgaben und der Prüfungsvorbereitung zu widmen.

Aus Sicht der Gewerkschaftschefin ist klar, dass pädagogisches Handeln im Vordergrund stehen muss – und nicht Prüfungen. „An dieser Stelle kritisiere ich zum einen die inhaltliche Entscheidung, dass an Prüfungen festgehalten wird. Das ist für mich pädagogisch nicht zu rechtfertigen, denn dieses Festhalten berücksichtigt weder die besondere Situation der Prüflinge noch die Situation der Kolleg*innen“, schreibt Finnern.

Digitale Endgeräte für die Lehrer in NRW

Sie betont: „In der Not und Dringlichkeit der letzten Wochen war auf die Kolleg*innen Verlass, jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Kolleg*innen auf die Landesregierung verlassen können: hierzu zählen digitale Endgeräte, Unterstützung beim Datenschutz, verlässliche Software und Fortbildung beim Lehren aus Distanz. Es braucht hier unbürokratische, aber datenschutzrechtlich einwandfreie Lösungen. Insbesondere bedarf es Rahmenbedingungen für Distanzlernen sowie Lernen und Lehren von Zuhause.“ Finnern: „Schon jetzt gilt es an die Zeit nach den Schulsommerferien zu denken.“ News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Brief an Schulministerin Gebauer.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

„Schulleitungen und Lehrkräfte sind fassungslos über ihren Dienstherrn, die Landesregierung“

 

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4 Kommentare
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Lisa Goreng
3 Jahre zuvor

Hm.. mir fehlt noch ein wenig das Verständnis für Zuständigkeiten. Nach meinem Info-stand sind die Träger für die Umsetzung der Landespolitik an den Schulen zuständig. Schulen müssen natürlich mit ihren Bürgermeistern kommunizieren, was bzw. woran es fehlt. Dass Behörden träge sind, ist bekannt. Bekannt war allerdings auch, dass Schulen wieder öffnen werden. Zwischen Schließung und Öffnung sind Wochen vergangen. Haben sich die Schulen erst spät mit Bestandsanalyse / soll-ist-beschaffenheit befasst oder sind die Schulträger so passiv?

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lisa Goreng

Das Schulministerium bzw. die Alndesregierung kann den Kommunen keine direkten Vorgaben machen. Selbst die Vorgaben zu den Kontaktsperren, Ladenschließungen etc. mussten von den Kommunen per Rechtsverordnung umgesetzt werden. Diese müssen dann auf Zuruf (Pressekonferenz) und nachträglich versandten Emails erstellt werden.

Das Schulministerium verweist in einer Schulmail zur Schulöffnung auf Hygieneregelungen, die der aktuellen Lage nicht angepasst waren. Erst wenn klar ist, welche Regeln denn gelten sollen, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Die Bevorratung von Handdesinfektionsmitteln und Spendern gehört nicht zu den Kernaufgaben von kommunalen Schulämtern. Selbst wenn Schulen eigenständig sind, können sie nicht einfach Haushaltsmittel umwidmen. Schuleitungen, die dies tun, müssen mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Die Mittel für den Kopieretat dürfen e.g. nicht einfach zur Beschaffung von Einmalhandtüchern verwendet werden.

Dass der Schichtbetrieb, der Folge der Klassenteilung ist, unter den jetzt geltenden Hygienestandards eine häufigere Reinigung seitens der Reinigungsfirmen abweichend vom bisherigen Putzplan und den üblichen Zeiten erforderlich macht, muss ja erst einmal vereinbart werden, da der geltende Rahmenvertrag der eine Intervallreinigung vorsieht hinfällig ist.

Warum sind große Firmen wie VW nicht in der Lage von heute auf morgen, ihre Lieferketten zu schließen? Wenn doch keine Teile aus Italien kömmen, warum produziert man sie nicht selber? Warum brauchen die alle so lange, um ihre Produktion wieder in gang zu bringen?

Gustav
3 Jahre zuvor

Naja, also bei uns an der Schule wird öfters eine Bestandsanalyse gemacht. Mit der Bitte, doch ENDLICH Seife und Toilettenpapier gestellt zu bekommen, wurden wir bis jetzt immer vertröstet.
Spitz gesagt: Wird ein Blatt Toilettenpapier zu viel verbraucht, muss dies schriftlich begründet werden.
@Lisa: Wir als Schule wären froh, wenn Anträge nur Wochen dauern würden. Wir sprechen öfters von Monaten, nicht selten von einem Jahren.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Gustav

Sie sprechen ja ganz allgemein von der Bearbeitung der Anträge auf Seiten des Schulträgers. Dass ein Antrag dann auch noch positiv beschieden wird ist etwas ganz anders. Und selbst wenn ein beschaffungsantrag positiv beschieden ist, kann er noch unter Haushaltsvorbehalt gestellt werden.

Also wenn nach fünf Jahren seit Antragsstellung die Sanierung der Toilettenanlagen entlich genehmigt ist, kann es passieren das Haushaltsausschuss der Kommune diesen noch unter Finanzierungsvorbehalt stellt. Dies passiert in Kommunen, die in der haushaltssicherung sind, nahezu zwangsläufig. Bedeutet, wenn die Haushaltsituation der „klammen“ Gemeinde gesundet ist, darf sie die Eigenmittel bereitstellen, die sie zur Cofinanzierung benötigt, um an Landesmittel aus entsprechenden Fördertöpfen zu kommen. Wenn man dann Pech hat, wurden diese landesmittel zwischenzeitlich umgewidmet, da über Jahre keine Mittel aus dieem Fördertopf abgerufen worden sind. Merken Sie, wie sich die „Katze in den Schwanz beißt“?