Lehrerverbände: Stattet die Schulen über die Sommerferien vernünftig digital aus!

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BERLIN. Union und SPD hatten wegen der Schulschließungen in der Corona-Krise vereinbart, eine halbe Milliarde Euro zusätzliche Hilfsgelder für bedürftige Schüler und schulische Online-Lerninhalte bereitzustellen. Das ist deutlich zu wenig, so lautet nun die Kritik der Lehrerverbände. „Jetzt ist die Zeit des notwendigen Aufbruchs. Schaffen Sie die grundlegenden Voraussetzungen für einen guten Präsenz- und Fernunterricht für das neue Schuljahr für jede Schule: Nutzen Sie dazu die Sommerferien!“, forderte etwa die Vorsitzende des Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing. 

So mancher Schulrechner dürfte sich als Exponat für ein Technikmuseum eignen (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Der von der großen Koalition vereinbarte Zuschuss von 150 Euro für bedürftige Schüler zur Anschaffung von Laptops oder Tablets soll nicht direkt an die Familien gehen. Die Geräte sollen stattdessen für die Schulen beschafft und von diesen an Schülerinnen und Schüler ausgeliehen werden. Das haben Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Freitag mitgeteilt. «Die Geräte bleiben auch im Eigentum der Schule und können dadurch auch im Regelbetrieb von der Schule weiterhin genutzt werden», sagte Karliczek. Wer sie für die Schulen beschaffe, werde von Land zu Land unterschiedlich geregelt.

Auch im nächsten Schuljahr wird es Fernunterricht geben

Bildungsexperten und Lehrerverbände hatten seit Beginn der Schulschließungen davor gewarnt, dass bestimmte Schüler abgehängt werden könnten, wenn zu Hause keine Geräte wie Laptops, PCs oder Tablets vorhanden seien oder wenn Eltern sie nicht genügend in der außergewöhnlichen Lernsituation unterstützten. Zwar wird in den Schulen jetzt allmählich der Lehrbetrieb wieder aufgenommen, an einen normalen Schulalltag mit allen Schülern ist wegen strenger Abstands- und Hygieneregeln aber voraussichtlich noch monatelang nicht zu denken. Absehbar ist: Auch im nächsten Schuljahr wird es Fernunterricht geben müssen.

„Es ist richtig, dass die zusätzlichen 500 Millionen Euro direkt an die Schulen fließen sollen. Die Mittel müssen in den Ländern nach Sozialindex an die Schulen verteilt werden. Die Schulen können dann beispielsweise Leihgeräte kaufen und verteilen, um zu verhindern, dass ohnehin benachteiligte Schülerinnen und Schüler noch weiter abgehängt werden. Allerdings reichen die Gelder bei weitem nicht aus“, sagte Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied Schule, am Freitag in einer ersten Reaktion. „Die Sommerferien müssen von den Schulträgern genutzt werden, um die digitale Infrastruktur an den Schulen zu verbessern.“

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Auch Lehrer brauchen Dienstrechner

Hoffmann machte deutlich, dass auch die Lehrkräfte unterstützt werden müssten: Die meisten arbeiteten mit privaten Endgeräten. Zudem müsse die Fortbildung mit zielgerichteten Angeboten zur Digitalisierung ausgebaut werden. „Die Schulen brauchen mehr Zeit, um pädagogische Konzepte zu entwickeln. Dafür müssen die Lehrkräfte von technischen Aufgaben entlastet werden, beispielsweise durch die zusätzliche Einstellung von IT-Administratoren“, betonte Hoffmann. Sie wies darauf hin, dass die Mittel, die der Digitalpakt bereitstellt, viel zu niedrig seien. Die GEW hatte im Sommer vergangenen Jahres in einer Studie berechnet, dass mehr als 20 Milliarden Euro für die Mindestausstattung aller Schulen notwendig seien.

In die gleiche Kerbe schlugen der VBE und der Philologenverband. „Die Soforthilfe ist richtig und wichtig – und auch die Ausgestaltung, dass das Geld direkt an die Schulen geht“, befand VBE-Chef Udo Beckmann. „Wir fordern aber weiterhin, dass nachhaltig gesichert werden muss, dass alle Schülerinnen und Schüler, und im Übrigen auch die Lehrkräfte, ein von der Schule bereitgestelltes Gerät erhalten müssen. Denn wir wissen aus den von uns beauftragten repräsentativen forsa-Umfragen, dass die Ausstattung an den Schulen miserabel ist. So sagten 2019 nur 34 Prozent der Schulleitungen und 2020 nicht viel mehr, nämlich erst 37 Prozent der Schulleitungen, dass es Klassensätze an digitalen Endgeräten an ihrer Schule gibt.“

Philologen fordern: Nutzt die Sommerferien!

Die Vorsitzende des Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, forderte die Kultusminister auf, gemeinsam mit den kommunalen Schulträgern jede Schule in den Sommerferien so instand zu setzen, dass sie über „Breitbandausleuchtung, eine ausreichende digitale Infrastruktur mit datenschutzkonformen Lernplattformen und Videokonferenzsystemen, Klassensätzen von Leih-Computern für alle Schülerinnen und Schüler, Dienst-Email-Adressen und Dienstcomputer für Lehrkräfte sowie über die professionelle Wartung durch Techniker in den Schulen verfügt“. News4teachers / mit Material der dpa

Deutsche Schulen hinken hinterher: Die Hälfte der Lehrer bietet keine digitalen Präsenzzeiten an – Fernunterricht läuft oft ins Leere

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16 Kommentare
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OlleSchachtel
3 Jahre zuvor

Schön wären dann auch Zeugnissprogramme die auf heutigen Medien laufen und nicht immer noch auf Basis von MS DOS. Leihmedien für die Schüler wäre eine echte Hilfe, denn jetzt Supporte ich diverse Medien, Videochat über PC, Handy, Tablet diverser Firmen haben alle unterschiedliche Problem. Da den Eltern immer mit Antworten parat stehen wenn was nicht läuft, schaffe ich nicht. Ich habe das Lehramt an Grundschulen studiert und nicht Informatik.

Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Ich würde mich freuen, wenn auch mal an MICH gedacht werden würde. Ich finde es eine Unverschämtheit, dass ich meine digitalen Geräte nutzen muss um meiner Arbeit nachzugehen. Eigentlich wäre dringend mal auch pro Lehrer ein Laptop fällig. Es würden so viele Probleme (Lizenzen, Sicherheitsprobleme, Datenprobleme) mit einer Klappe geschlagen werden, wenn alle Kolleginnen und Kollegen mit einem Dienstlaptop ausgestattet werden würden.

dickebank
3 Jahre zuvor

BYOD. Bring your own devices.

Wie einst die Schildbürger mit Eimern Licht in ihr fensterloses Rathaus brachten, so gelangen in heutiger Zeit Erkenntnisse der Bildungsministerien an die Schulen, wobei die ministriellen Eimer gewöhnlich infolge der „Schwarzen Null“ in die Jahre gekommen und sehr löchrig sind.

Papa im Homescooling
3 Jahre zuvor

Bei meinem Sohn am Gymnasium seit mehrere Jahren gibt’s keine Kreide mehr, nur e-Tafel. Gibt’s WLAN, vielen Laptops, mehrere Sets von I-Phones um multimediale projekte zu realisieren usw.
Nun während des Corona-Kriese gibt nur aufgaben per e-Mail (seit x bis y lesen, im heft zusammenfassen und Aufgaben 1-5 lösen), die über Elternvertreter versand werden, „um Aufwand für alle gering zu halten“, erklärte Herr Oberstudiendirektor.
Nicht die Ausstattung macht die Schule gut und modern.

Stefan B
3 Jahre zuvor

Es stimmt Schulen sind digital meilenweit hinterher.

Trotzdem glaube ich kann in der Zeit guter digitaler Unterricht stattfinden.
Es liegt halt wirklich am einzelnen Lehrer, wie gut er sich diesen nun selbständig aufbaut.
Es ist viel möglich, man muss es nur organisieren und machen.

Klar es gibt Schüler die kein Endgerät haben und es wird nicht überall funktionieren.

Ich will nur sagen, auch in dieser Zeit ist der entscheidende Faktor „der Lehrer“ (da fällt mir irgendwie die Hätti Studie ein….)

Eines muss ich noch loswerden: Es ist dermaßen daneben und demotivierend in der Phase so ein Fass wegen Zoom aufzumachen….. was kann Zoom dafür, dass in Freiburg ein Nutzer kein sicheres Passwort hatte und so ein Video eingespielt wurde. Und zur Datenweitergabe an Facebook möchte ich nur anmerken – es ist aber erlaubt dass Schulen auf Instagram mit Bildern und Videos von Schülern unterwegs sind (Instagram wurde von Facebook aufgekauft !!). Das Verhältnis ist nicht erklärbar.

omg
3 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan B

Der Hessisches Datenschutzbeauftragte empfiehtl als Messenger Threema und Hoccer (der ist seit 2017) nur noch theoretisch vorhanden, er wird nicht weiterentwickelt.
Die EU empfiehlt Signal, der aber wiederum nicht den Kriterien des hess. Datenschutzbeauftragten entspricht.
Ja, meine Fre….. ne, wann hat einer den Popo in der Hose und den Mut zu sagen: Liebe Lehrer, liebe Schulen, ELtern und Schüler: Folgende Programme sind in Hessen oder in NRW explizit erlaubt!!!

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  omg

Erst wenn klar ist, was alles aus welchen Gründen auch immer nicht geht. Da das Ausschlussverfahren zeitlich unbegrenzt ist und am Verfahren in erster inie Unbeteiligte und nicht Direktbetroffene teilnehmen dürfen, wird es leider noch etwas dauern bis klar ist, wer denn überhaupt eine Entscheidung, die natürlich unter Finanzierungsvorbehalt steht, treffen könnte. In der Zwischenzeit wird die Entscheidungsfindung an einen Arbeitskreis deligiert, der schon einmal Kriterien für eine eventuell zu treffende Entscheidung im Sinne der zu beteiligenden Entscheider unter Beachtung eines Verbandsklagerechtes von Gegenern von Strahlungsquellen aka Alubehüteten vorbereitet. Die Gremiensitzungen finden natürlich unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln wegen fehlender Videokonferenztechnik an spielfreien Tagen in Erstliga-Stadien statt – außer in Gelsenkirchen, wenn das Stadiondach geschlossen und die Spielfeldschublade eingeschoben ist. Die bestehende Torlinientechnik wird dahingehend modifiziert, dass sie eine vorzeitige Entscheidung anzeigt, damit politisch Verantwortliche die Entscheidung auf das Ende der Legislatur legen können. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass die notwendige Parlamentsreform abgeschlossen sein sollte, um die Entscheidungsprozesse durch die hohe Zahl von Parlamentariern nicht zeitlich zu verzögern.

Sollten vorstehende Zeilen Spuren von Ironie beinhalten, wird ausdrücklich vor dem Lesen gewarnt!

Socke
3 Jahre zuvor

Man sollte in die digitale Ausstattung der Schulen, Lehrkräfte und Schüler investieren statt das Geld nicht lernenden Autokonzernen hinterherzuschmeißen. Die Kinder und Bildung wird wieder vergessen, obwohl sie doch unsere Zukunft sein werden. Sie müssen die Kosten der Corona-Krise bezahlen haben aber ihre Lobby ist nun Mal nicht so lukrativ wie die der Wirtschaft. Wähler und Steuerzahler von morgen zählten und zählen noch immer zu wenig

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  Socke

Sie bringen es auf den Punkt!

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Socke

Als ob Bildung einen Wert hätte in Zeiten von Kompetenzen. Inhaltliche und methodische Kompetenzen verhalten sich diametral zu Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Ausdruck von Bildung im Sinne eines von Humboldt sind.

Um Chechlisten-Abhaker in beschriebenen Prozessen zu trainieren, bedaf es keiner Bildung. Um überhaupt beschriebene Fertigungsrozesse abhaken zu können, bedarf es aber eines Arbeitsplatzes in der Industrie. Wozu denn Bildung, wenn es auch KI gibt?

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Eine vernünftige digitale Ausstattung an den Schulen wird es in der breiten Masse nicht geben. Die ist für die Schulträger zu teuer. In den Grundschulen können wir froh sein, wenn wir ausrangierte Uralt-PCs aus der Verwaltung hingestellt bekommen. Die brauchen dann erstmal eine Viertelstunde um hochzufahren. So sieht die Realität an den meisten Grundschulen aus! Bei diesen Bedingungen verlieren die Kinder schon vorher jegliche Motivation.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

… das sind Ihre Erfahrungen mit einem stannd-allone Rechner. Und jetzt melden sie einmal 30 Rechner der beschriebenen Güte an einem Netzwerk an …

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Wir haben gerade mal 15 – für die ganze Schule. Plus einen Uralt-Rechner-Klotz im Lehrerzimmer, mit dem sich keiner mehr abquälen will. Schlussendlich bringt jeder Lehrer bekanntermaßen seine privaten Endgeräte mit in die Schule. Würde in der öffentlichen Verwaltung kein Mensch machen.

Lisa
3 Jahre zuvor

…und laut Datenschutzgesetz müssen wir in RLP, wenn wir unsere eigenen Geräte benutzen, die Schulleitung (!) unsere privaten Geräte bei Bedarf untersuchen lassen – ob wir uns an alle gesetzlichen Vorgaben halten…
Das ist kein Witz!

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lisa

… und in NRW nicht anders.

Man hat ganz einfach die Regelungen, die für dienstlich zur Verfügung gestellte digitale Endgeräte gelten auf die privaten Rechner, Tablets, Smartphones etc., die Lehrkräfte zur Erledigung ihrer Dienstgeschäfte einsetzen, übertragen. Es gelten also die Bestimmungen wie für Polzisten, Finanzbeamte oder sonstige Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung auch für Lehrer, der Dienstvorgesetzte darf unter gewissen Umständen Einblick auf die Nutzung des Rechners, die gespeicherten adten, die Protokolle, Chatverläufe etc. nehmen.

Der einzige Unterschied zu lehren ist, dass kein Bediensteter eines anderen Geschäftsbereiches der Landeregierung gezungen wäre oder auf die Idee käme, eigene IT-Aussattung zur Erledigung der Dienstgeschäfte zu nutzen.
Wie immer, es gibt Ausnahmen. Wegen der schlechten Ausstattung mit Kommunikationsmitteln mussten Polizisten in bestimmten Situationen auf ihre privaten Handys zurückgreifen. (Stichwort: Digitalfunk/BOS-Funk)

Charice
3 Jahre zuvor

Vielleicht sollte Herr Meininger sich mal bemühen, denn Unterschied zwischen Auszahlung und Bewilligung zu verstehen, dann würde er den Stand der Dinge nicht als beschämend bezeichnen.