Hin und Her: Gebauer nimmt Ankündigung zurück, Grundschulen auch für die Klassen 1 bis 3 zu öffnen – ohne Entschuldigung

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DÜSSELDORF. Nach dem Ärger um die Ankündigung, die Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ab dem 11. Mai für alle Jahrgänge zu öffnen, hat das Schulministerium einen Rückzieher gemacht. Sämtliche «weiteren Schritte der Schulöffnung für die Klassen 1 bis 3, die frühestens ab dem 11. Mai 2020 realisiert würden, stehen unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Beratungen zwischen den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 6. Mai 2020», heißt es in einer neuen Mail an die Schulen. Heute traf sich Ministerpräsident Laschet per Videokonferenz mit Vertretern der Kommunen, um den Streit um die Schulöffnungen in der vergangenen Woche beizulegen.

Probiert mal etwas Neues - aber nur im klitzekleinen Rahmen: die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Hat Ärger: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Gestern Abend hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) nach einer anders lautenden Mail ihres Hauses öffentlich zurückgepfiffen und eine Korrektur angekündigt (hier berichtet News4teachers ausführlich über den Streit). In der Ursprungsmail hatte der Staatssekretär im Schulministerium, Mathias Richter (FDP), am Donnerstag an die rund 5.500 Schulen im Land geschrieben: «Ab dem 11. Mai 2020 sollen in einem tageweise „rollierenden“ System die Kinder aller Jahrgangsstufen wieder in „ihre“ Schulen gehen können.» Demnach hätte ab dem 11. Mai an jedem Werktag ein anderer Jahrgang in die Schule gehen können – nach wochenlanger coronabedingter Zwangspause (hier lässt sich die ursprüngliche Ankündigung nachlesen).

Viertklässler sollen am 7. Mai in die Schulen zurückkehren

In der korrigierten Version schreibt Richter nun: «Bund und Länder müssen im Rahmen der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Mitte nächster Woche zuerst die Grundlagen für weitere Schritte schaffen, um ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen sicherzustellen.» Die ursprüngliche Schulmail beschreibe «einen für NRW denkbaren Plan, sofern ein solcher Öffnungsbeschluss von Bund und Ländern am 6. Mai 2020 getroffen wird». Dies wolle er «im Interesse einer eindeutigen und unmissverständlichen Kommunikation» klarstellen. Die neue Mail enthält – anders als die ursprüngliche – keine Öffnungstermine mehr für die Jahrgänge eins bis drei. Nach wie vor gilt lediglich, dass die Viertklässler ab dem 7. Mai in die Schulen zurückkehren.

Eine Entschuldigung für die Verwirrung, die das Hin und Her unter Lehrern, Schulleitungen und Eltern ausgelöst hat, enthält die Mail nicht. „Ich möchte nicht schließen, ohne mich noch einmal für Ihr Engagement und Ihre Geduld zu bedanken. Dabei hoffe ich, mit diesen Informationen zu mehr Planungssicherheit beigetragen zu haben“, so schreibt der Staatssekretär lediglich.

Der VBE kritisiert eine „chaotische Kommunikation“ seitens der Landesregierung. „Die Mammutaufgabe der schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen kann nur gelingen, wenn den Schulleitungen transparente Vorgaben gegeben werden, die verlässlich sind“, sagt Landesvorsitzender Stefan Behlau. „Die Herausforderungen sind schon groß genug, Auseinandersetzungen innerhalb der Landesregierung schaden nur. Von einer – auch verantwortungsvollen – Normalität sind wir weit entfernt.“

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Städtetag hatte um mehr Vorbereitungszeit gebeten – vergeblich

Ärger muss die Landesregierung auch an einer anderen Stelle bereinigen: in der Zusammenarbeit mit den Kommunen, denen Laschet und Gebauer nach den kurzfristig anberaumten Schulöffnungen für die Abschlussklassen sowie die Abiturienten vorgeworfen hatten, nicht genügend Desinfektionsmittel für die Schulen besorgt zu haben. In der Talk-Sendung „Anne Will“ hatte Laschet erklärt: „Ich hab‘ mich auch gewundert, dass man nach Ostern sagt, wir werden nächste Woche die Abiturienten wieder in die Schule kommen lassen, und dann alle sagen: Aber da sind wir gar nicht drauf vorbereitet.“ Einen Anlass, den Schulstart zu verschieben, sah die schwarz-gelbe Landesregierung darin jedoch nicht, obwohl der Städtetag NRW dringend um ein paar zusätzliche Tage Vorbereitungszeit gebeten hatte. (News4teachers berichtete auch ausführlich über Laschets denkwürdigen Fernseh-Auftritt – hier nachzulesen.)

Die Schuldzuweisungen belasten das Vertrauensverhältnis der Kommunen zur Landesregierung. Das haben Städtetag NRW, Städte- und Gemeindebund (StGB) und Landkreistag NRW in einer gemeinsamen Erklärung betont. Die Kritik von Schwarz-Gelb entbehre «jeglicher sachlicher Grundlage», meinen die Verbände – und werfen ihrerseits dem Schulministerium „unzureichende Vorgaben und sehr späte Übermittlung von Informationen“ vor.

Jetzt – nach den erfolgten Schulöffnungen – sollte endlich miteinander gesprochen werden. An den Gesprächen am Freitag nahmen auch Familienminister Joachim Stamp und Schulministerin Yvonne Gebauer (beide FDP) sowie Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) teil. Die Kommunen waren mit Städte- und Gemeindebund und dem Städtetag NRW vertreten.

Ergebnis: Die nordrhein-westfälischen Kommunen fordern für die weitere Öffnung von Schulen und Kitas eine ausreichende Vorlaufzeit. Pädagogische Vorgaben, Raumfragen, Schülerbeförderung sowie Hygiene und Infektionsschutz seien in Einklang zu bringen. «Wir brauchen deshalb eine enge und frühzeitige Abstimmung zwischen Schulministerium und kommunalen Schulträgern», sagte der Vorsitzende des Städtetages NRW, der Hammer Bürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann. Das Land habe zugesichert, Möglichkeiten einer besseren Kommunikation zwischen Land und Schulträgern zu prüfen. Zudem wolle es kurzfristig die Rahmenbedingungen für die hygienischen Anforderungen in Grund- und Förderschulen konkretisieren. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zur neuen Schulmail des NRW-Schulministeriums.

Der Appell der Kommunen

Die Städte, Kreise und Gemeinden appellieren an die nordrhein-westfälische Landesregierung, „bei der weiteren Öffnung von Schulen behutsam vorzugehen und das Praxiswissen in den Kommunen endlich mit einzubeziehen“. In einem gemeinsamen Schreiben der kommunalen Spitzenverbände heißt es:

Schon acht Tage vor der Wiederaufnahme des Betriebs am 23. April habe man dem Land einen ausführlichen Fragenkatalog vorgelegt mit der dringenden Bitte, die wichtigsten Unklarheiten zu beseitigen. Das Land sei dieser Bitte „leider nur verzögert und auch nur in Teilen“ nachgekommen.

„Bedauerlicherweise sind bis heute immer noch viele Dinge im Unklaren. Bisher gehen wir bei den Plänen für die weitere Öffnung von kleineren Gruppen aus, die am besten noch zeitlich gestaffelt zur Schule kommen und in die Pause gehen sollen. Welche Jahrgangsstufen sollen im nächsten Schritt eingeplant werden? Sollen sich die Klassen auf verschiedene Tage aufteilen oder auch nachmittags unterrichtet werden? All das ist nicht geklärt, hat aber natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Organisation“, betonen der Vorsitzende des Städtetages NRW, Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann (Stadt Hamm), und die Präsidenten des Landkreistages NRW und des Städte- und Gemeindebundes NRW, Landrat Thomas Hendele (Kreis Mettmann) und Bürgermeister Roland Schäfer (Stadt Bergkamen), in dem Brief. „Das fängt an bei der Aufteilung des Lehrpersonals, geht weiter mit der Versorgung in den Mensen und reicht bis zum Transport der Schülerinnen und Schüler. Fest steht: Der Aufwand ist jetzt um ein Vielfaches größer, obwohl weniger Personal zur Verfügung steht.“

Hinweise des Schulministeriums warfen zusätzliche Fragen auf

Im Bereich der Hygieneanforderungen habe es zwar vier Tage vor Schulöffnung Hinweise des Landes gegeben, doch hätten diese vielfach zusätzliche Fragen aufgeworfen. Unter anderem sei verlangt worden, den Zugang zu Desinfektionsmitteln vor dem Eintritt in den Unterrichtsraum zu ermöglichen, obwohl in der Praxis das Händewaschen mit Seife vollkommen ausreiche und eine flächendeckende Ausstattung mit Desinfektionsspendern in nur drei Tagen nicht ansatzweise umsetzbar gewesen sei. Zudem sei eine Maskenpflicht installiert worden, für den Fall, dass der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden könne. „Weder lagen den Schulträgern Informationen dazu vor, welcher Maskentyp für die Schulen ausreichend sei, noch wer überhaupt die Ausstattung mit Masken sicherstellen soll“, so heißt es.

„Bis heute ist zudem die Frage offen, was passieren soll, wenn ein Schüler oder ein Lehrer positiv getestet wird. Das wird passieren, selbst bei strengsten Hygienestandards. Ob nur der betroffene Schüler oder Lehrer in Quarantäne geht, die ganze Klasse oder die gesamte Schule wieder heruntergefahren werden soll, ist keine Frage, die situativ vor Ort entschieden werden sollte. Ein Flickenteppich an Regelungen für den Umgang mit dem Coronavirus wird nicht dazu beitragen, das Vertrauen in den Staat zu stärken“, so erklären Hunsteger-Petermann, Hendele und Schäfer. News4teachers

Wenn Parteistrategen in der Coronakrise die Schulpolitik übernehmen: Öffnen um jeden Preis? Der riskante Kurs des ehrgeizigen Herrn Laschet

 

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Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Herr Laschet ist immerhin bereit, seinen Kurs zu korrigieren. In Sachsen-Anhalt werden TROTZ der vertagten Beratungen noch am 4. Mai die Grundschulen wieder für die 4. Klassen öffnen. Ab dem 6. Mai kommen dann schon (VOR den Pfingstferien) tageweise alle anderen Klassen. Die Entscheidungen, die in den Beratungen am 6. Mai gefällt werden, können folglich in Sachsen-Anhalt nicht mehr berücksichtigt werden. Neuere Erkenntnisse zur Ansteckung und Ausbreitung des Virus, die von der Bundeskanzlerin als sehr wichtig in diesem dynamischen Geschehen bezeichnet wurden, können folglich in Sachsen-Anhalt nicht mehr in das Konzept zur Schulöffnung einfließen. Es ist also nicht Herr Laschet, der hier vorprescht.

rrose
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Es ist aber Laschet, der seinen Laden nicht im Griff hat und es war Laschet, der sich, zusammen mit Lindner, viel Mühe gegeben hat den Virologen den schwarzen Peter für seiner Meinung nach verwirrende Informationen zuschieben wollte.
Laschet sorgt für Verunsicherung, wo eine klare Führung mit ruhiger Hand gefragt wäre. Für viele sieht es doch so aus, dass die Parteistrategen bei FDP und CDU (NRW) das Ruder übernommen haben. Denen geht es nicht mehr um unsere Gesundheit, sondern einzig um machttaktische Überlegungen.

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  rrose

Das habe ich damit auch nicht in Frage gestellt. Nur ist er es tatsächlich nicht, der als Erster in Sachen Schule nun vorprescht, sondern Sachsen-Anhalt. Darüber redet nur keiner. Unzweifelhaft hat aber Herr Laschet mit seiner ganzen Lockerungs- und Öffnungsdiskussion dafür gesorgt, dass nun andere (z.B. Sachsen-Anhalt) sich diesem Experiment aussetzen wollen. Die Bevölkerung (vor allem Kinder, Lehrer, Eltern, Kita-Erzieher) hat man nicht gefragt, ob sie das auch möchte.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Der MinPrä aus NRW hat aber ganz am Anfang des Lock-downs – als Herr Söder vorgeprecht ist – mit dem Wissen um die Vorgehensweise in Gangelt und einer Vielzahl von Betroffenen, die von der örtlichen Gesundheitsbehörde (Lkr. HS) unter Quarantäne gestellt worden waren, bereits geäußert, dass man sich beim Runterfahren des öffentlichen und sozialen Lebens Gedanken machen müsse, um die Aufhebung bzw. schrittweise Lockerung dieser Maßnahmen.
Hinter diesen Meinungsäußerungen stecken vermutlich Forderungen seines Koalitionspartners, der eine ganz andere Rolle spielt als das bayrische Schoßhündchen im Hause des bayrischen Löwen. Auch wenn Herr Söder mittlerweile sein Augenmerk auf dem eigenen Hotspot im Lkr. Tirschenreuth und Nachbarkreisen gelegt hat, ist er stets bemüht als Beginn der Infektionskette die Urlaubsheimkehrer aus Ischgl zu nennen. Ich persönlich halte es aber für eher unwahrscheinlich, dass ein Großteil der Nicht-Bayern über die Oberpfalz in seien heimatorte zurück gereist ist.
Auch wenn herr Söder gerne auf die ebenfalls hohen Fallzahlen in den Flächenländern NRW und BaWü verweist, die Zahlen sind zwar richtig, aber ohne sie in Relation zur Bevölkerungszahl und zur Bevölkerungsdichte zu setzen, sind sie irreführend und nutzlos.

Ohne ein großer Fan von der NRW-Landesregierung und vor allem ihrer Schulpolitik zu sein, halte ich die Leistungen der staatlichen und kommunalen Exekutiven sowie die großer Teile der NRW-Bevölkerung für beachtlich. Im Gegensatz zu Bayern, wo ein Großteil der Bevölkerung nicht in Großstädten sondern in dörflicher Umgebung auf dem Land mit eigenem Haus und Garten lebt, ist hier in NRW ein großer Teil der Bevölkerung in „Arbeiterschließfächern in Betonburgen“ aus Zeiten der Neuen Heimat teilweise ohne Balkon untergebracht. Die Zahlen in NRW bezogen auf jeweils 10.000 Einwohner liegen unter dem Bundesdurchschnitt, obwohl hier rund 22% der gesamtdeutschen Bevölkerung leben und trotz Corona NRW das Transitland schlechthin ist. Die Grenze zu den NL ist anders als die zu A und CH auch nicht geschlossen.
Btw ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung in NRW hat bayrische Wurzeln, ein Teil hat Urgroßeltern oder Großeltern, die erst nach 45 hier in NRW Fuß gefasst haben, obwohl nach 45 in NRW wenig Steine über einander standen, was für die Arbeit untertage aber unerheblich war.

S.Z.
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Bei dem Tempo, das Sachsen-Anhalt gerade an den Tag legt, würde es mich auch nicht mehr überraschen, wenn es nach den Pfingstferien plötzlich hieße „business as usual“.

dirk scheen
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Das ist doch Quatsch.
Es gibt hier extrem wenig Fälle gegenüber den anderen Bundesländern.

jagothello
3 Jahre zuvor

Die Ministerin fordert im WDR-Interview, dass die Schulleitungen als erstes nach dem Lockdown wieder in die Schulen zurückkehren. Sie kennt wohl die Direktiven aus ihrem eigenen Haus nicht, von der komplexen Verwaltung einer sechszügigen Schule hat sie nicht den geringsten Schimmer. Das ist schon sehr bedauerlich. Fakt ist jedenfalls, dass Schulleitungen, die in bspw. GE i.d.R. aus 6-7 Personen bestehen, seit dem 16. März mehr oder weniger rund um die Uhr an den unterschiedlichsten Herausforderungen arbeiten. Selbstverständlich auch während der Osterferien, bspw., um die Betreuung der Kinder systemrelevanter Eltern abzusichern oder Raum- und Terminpläne für Jahrgang 10 und Q2 zu stricken. Wertschätzung sieht anders aus.