Nach Urteil: Schulbesuchspflicht für Grundschüler erstmal ausgesetzt

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DRESDEN. Überraschender Ministeriumsbeschluss in Sachsen: Eltern von Grundschülern entscheiden jetzt erst einmal selbst, ob ihre Kinder zur Schule gehen oder zu Hause lernen. Grund ist ein Gerichtsurteil – das allerdings nun angefochten werden soll.

Immer öfter landen Lehrer vor Gericht. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de
Das Gericht hat geurteilt. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de

Grundschüler in Sachsen müssen vorübergehend nicht zum Unterricht erscheinen. Zwei Tage vor der geplanten Wiedereröffnung von Schulen und Kitas nach einer zweimonatigen Corona-Zwangspause hat das Kultusministerium am Samstag kurzfristig die Schulbesuchspflicht für die Klassen eins bis vier ausgesetzt. Es bestehe zwar weiter eine Schulpflicht, Eltern könnten aber selbst entscheiden, ob ihre Kinder in der Schule oder zu Hause lernen, teilte das Ministerium mit.

Mit der überraschenden Entscheidung reagierte die Behörde auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom Freitag. Dieses hatte im Eilverfahren zugunsten der Eltern eines Siebenjährigen entschieden, die sich gegen die Öffnung der Grundschulen ohne Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern gewandt hatten (Sachsen geht in dieser Frage einen Sonderweg in Deutschland – News4teachers berichtet ausführlich darüber, und zwar hier).

An den Öffnungen von Grundschulen und Kitas hält Piwarz fest

Er bedauere, dass die Richter die Unterschiede in der Entwicklung und Einsichtsfähigkeit zwischen Kindern und Jugendlichen nicht hinreichend gewürdigt hätten, sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU). «Dennoch respektieren wir den Beschluss und werden die Schulbesuchspflicht für Schüler im Primarbereich vorerst aussetzen», erklärte er.

An der grundsätzlichen Linie, die Kitas und Grundschulen für alle Kinder zu öffnen, hält Piwarz jedeoch fest. „Wir kommen damit dem verbrieften Recht der Teilhabe und Bildung der Kinder nach. Ich verstehe, dass die Umsetzung für pädagogische Fachkräfte in Kitas, für Lehrerinnen und Lehrer eine enorme organisatorische und personelle Herausforderung bedeutet. Ich verstehe auch die Gewerkschaften, die die Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer überfordert sehen. Aber wir dürfen vor allem nicht die Kinder vergessen. Unsere Antwort darauf ist das Konzept für den eingeschränkten Regelbetrieb“, so betont er. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes in Leipzig betreffe nur den einzelnen Schüler als Antragsteller und wirkt sich nur zwischen ihm und der betroffenen Grundschule aus.

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Die Festlegung des Kultusministeriums gilt bis zum 5. Juni und betrifft Grundschulen sowie den Primarbereich der Förderschulen. Das Ministerium kündigte an, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vor dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen anfechten zu wollen.

Sachsen verzichtet bewusst auf die Abstandregelung

Die Landesregierung hatte in der vergangenen Woche beschlossen, dass Kitas und Schulen wieder weitgehend für den Regelbetrieb geöffnet werden. Dafür gelten besondere Hygiene- und Infektionsschutzkonzepte. Diese sehen unter anderem als zentralen Punkt vor, dass Schüler verschiedener Klassen nicht miteinander in Kontakt kommen. So sollten das Infektionsrisiko gering und im Falle des Falles die Infektionsketten nachvollziehbar bleiben, hieß es aus dem Ministerium.

In der Entscheidung des Gerichtes werde jedoch von einem Einhalten eines Mindestabstandes von 1,5 Metern ausgegangen. «Für uns steht fest, dass ein Festhalten an einem Mindestabstand zwischen Kindern in den Grundschulen nicht lebensnah ist und dadurch das Recht der Kinder auf Bildung und Teilhabe massiv einschränkt wird», betonte Piwarz.

Die neue Regelung zur Präsenzpflicht gilt nicht für weiterführende Schulen. «Schüler müssen die Schule in den Präsenzphasen besuchen und haben kein Wahlrecht», teilte das Kultusministerium mit.

Von Montag an öffnen die Schulen und Kitas nach zwei Monaten Zwangspause wegen der Corona-Pandemie zumindest eingeschränkt wieder. Schüler der Schulabschlussklassen, der Vorabschlussklassen sowie die vierten Klassen in den Grundschulen gehen bereits seit einigen Tagen wieder in die Schulen. dpa

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2 Kommentare
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Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Die sächsische Landesregierung hat schlicht den Bogen überspannt. Die Eltern haben zu Recht geklagt, schließlich, um ihre Kinder zu schützen. Das Vertrauen in die Politik, die für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger (und auch der Kinder!) zu sorgen hat, muss erst wieder zurückgewonnen werden.

dickebank
3 Jahre zuvor

Pfeif doch auf die Bälger. die sind erst ab 18 Jahren wahlberechtigt:)