Ramelows Vorstoß, die Corona-Regeln zu kippen, sorgt bei Lehrern für Entsetzen – Meidinger: Gefährlicher Weg für die Schulen!

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ERFURT. Die Initiative von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, die Corona-Regeln in zwei Wochen weitgehend aufheben zu wollen, hat unter Lehrern Entsetzen ausgelöst. Der Thüringer Lehrerverband (tlv) spricht von einer „gefährlichen Wette“, die der Linken-Politiker damit eingehe. Betroffene wären im Falle des Misserfolgs auch die Erzieher und Lehrer im Land. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Meidinger, hat sich zu Wort gemeldet. Unterdessen kündigte Sachsen an, nachziehen zu wollen.

"Wir haben eine zu hohe Abbrecherquote": Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Foto: DiG / TRIALON / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)
„Gefährliche Wette“: Thüringens Ministerpräsident Ramelow. Foto: DiG / TRIALON / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat ankündigt, er wolle den allgemeinen Lockdown am 6. Juni aufheben. Entsprechende Schritte werde er am Dienstag dem Kabinett vorschlagen. Damit würden etwa die Vorschriften zum Tragen eines Mundschutzes und zum Einhalten des Mindestabstands aufgehoben. Auch in Schulen und Kitas sollen weitere Schritte hin zu einem regulären Ablauf gegangen werden, hieß es. Dafür müssten allerdings Lehrer und Erzieherinnen die Möglichkeit bekommen, getestet zu werden – und zwar auch dann, wenn sie keine Symptome aufweisen. Konkreteres äußerte Ramelow in dieser Frage bislang nicht.

Nach Thüringen plant auch Sachsen eine grundlegende Änderung beim Umgang mit Einschränkungen in der Corona-Krise. «Wenn die Zahl der Neuinfektionen weiterhin stabil auf einem niedrigen Niveau bleibt, planen wir für die Zeit ab dem 6. Juni in der nächsten Corona-Schutzverordnung einen Paradigmenwechsel», sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Montag in Dresden. «Statt wie jetzt generell Beschränkungen zu erlassen und davon viele Ausnahmen für das zu benennen, was wieder möglich ist, wird dann generell alles freigegeben und nur noch das Wenige an Ausnahmen benannt, was noch nicht möglich sein wird», erklärte Köpping. Einzelheiten nannte sie nicht.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte allerdings bereits am Wochenende angekündigt, die Kitas und Schulen nach den Sommerferien wieder unbeschränkt öffnen zu wollen (News4teachers widmete sich ausführlich dem Vorstoß – hier geht es zum Bericht).

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„Regelbetrieb an den Schulen wird stark beschleunigt“

„Die Nachricht vom Vorstoß des Thüringer Ministerpräsidenten, der den allgemeinen Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie Anfang Juni aufheben will, hat uns regelrecht erschüttert“, sagt nun tlv-Vorsitzender Rolf Busch. „Denn sie war nur so zu verstehen, dass ab diesem Zeitpunkt auch die Wiederaufnahme des Regelbetriebes in den Schulen stark beschleunigt wird. So sehr wir auch die Sehnsucht nach Normalität, nach dem alten Leben nachvollziehen können: Damit würde Bodo Ramelow aus unserer Sicht eine gefährliche Wette eingehen. Er könnte dabei gewinnen oder verlieren, das ist momentan kaum vorhersagbar.“

Allerdings wäre, so Busch, „der Wetteinsatz verdammt hoch, denn es stünde die Gesundheit und im Falle der Risikogruppen sogar das Leben von Menschen auf dem Spiel. Nicht nur, aber auch die Lehrer/innen und Erzieher/innen wären dabei naturgemäß besonders stark gefährdet. Denn überall, wo viele Menschen auf engem Raum zusammentreffen, können jederzeit neue Infektionsherde entstehen. Wir als Interessenvertretung der Frauen und Männer, die in unseren Schulen tagtäglich unter ohnehin schwierigen Bedingungen ihr Bestes geben, finden es nicht hinnehmbar, dass deren körperliche Unversehrtheit in einem ungeheuerlichen, von politischen Interessen getriebenen Glücksspiel verpfändet wird.“ Der Lehrerverband werde die Entwicklungen in den kommenden Tagen sehr genau verfolgen. News4teachers

Meidinger warnt

BERLIN. Mit Unverständnis und größter Besorgnis hat nach eigenen Worten der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, auf die Ankündigung Sachsens und Thüringens reagiert, demnächst für einen Teil oder sogar alle Schulen die derzeit geltenden Hygienevorschriften mit Abstandsregelungen, Mundschutz und Halbierung von Lerngruppen außer Kraft zu setzen und zu einem „normalen Schulbetrieb“ zurückzukehren.

Zeigt sich besorgt angesichts des Lehrermangels: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Philologenverband
Warnt: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (und selbst Leiter eines bayerischen Gymnasiums). Foto: Deutscher Philologenverband

Dazu sagte der Verbandschef: „So sehr wir uns als Lehrkräfte, Schüler und Eltern die Rückkehr zu einem normalen Schulbetrieb dringlichst wünschen, so sehr lehnen wir es aber auch ab, dass Schulen zum freien Experimentiergelände für den Umgang mit der Gesundheit von Schülern, Lehrern und Familienangehörigen werden. Die jüngsten Infektionsausbrüche in Restaurants und Kirchen zeigen, was passieren kann, wenn Infizierte mit größeren Gruppen in geschlossenen Räumen aufeinander treffen!“

Meidinger verwies darauf, dass zwar der Krankheitsverlauf bei jüngeren Kindern oft nur leicht sei, dass diese nach der Einschätzung von Virologen aber wegen der deutlichen vermehrten Personenkontakte einen wesentlichen Beitrag zu einem neuen Infektionsgeschehen liefern könnten, zumal wenn auf Abstandregeln und Mundschutz zukünftig an Schulen verzichtet wird (News4teachers berichtete mehrfach über den Stand der Forschung in dieser Frage – zum Beispiel hier).

Gesundheitsschutz in Schulen ohne Abstandsregel unmöglich

Der DL-Präsident betont: „Der Verweis von einzelnen Landesregierungen darauf, dass man den Gesundheitsschutz statt durch Abstandsregeln bei Rückkehr aller Schüler durch räumliche Isolierung von Lerngruppen gewährleisten wolle, ist reine Augenauswischerei. Wer bis zu 1500 Schüler wieder in einzelne Schulgebäude hineinlässt, kann in Pausen und Gängen sowie beim Betreten und Verlassen des Schulgebäudes enge Kontakte zwischen Menschen überhaupt nicht verhindern und einschränken. Thüringen und Sachsen gehen einen sehr gefährlichen Weg, wenn sie ihre Pläne zur vollständigen Öffnung von Schulen fortsetzen!“

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

 

Kretschmer kündigt vollständige Öffnung aller Schulen nach den Sommerferien an

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4 Kommentare
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Illy
3 Jahre zuvor

….und nicht nur bei den Lehrern!

…die grosse Frage, die sich nun ernsthaft stellt: „wie halten wir sie Kurve der Dummheit flach“
Es kann einem langsam nur Angst und Bange werden.

Pälzer
3 Jahre zuvor

Ramelow hat mehrere Aspekte der Gesellschaft im Blick, nicht nur den Schutz vor Covid19, und vermutlich hört er auch sehr auf die Stimmung der Leute. Die Linke vertritt natürlich den Teil des Volkes, der sich sowieso viel weniger abschotten kann, wenig Computerausstattung und keine großen Häuser hat und arbeiten gehen muss, um Geld zu kriegen.
Richtigerweise hängt die Entwicklung der Maßnahmen davon ab, wie sich die Seuche entwickelt. Bei uns gibt es derzeit 20 gemeldete Kranke unter 75000 Einwohnern.

Lisa
3 Jahre zuvor

Da fühl ich mich ja als Lehrerin besonders sicher. Dann hab ich die Möglichkeit mich andauernd testen zu lassen. Na toll, aber wenn ich positiv getestet werde, dann HABE ich das Virus und eine gute Chance, selbst zu erkranken oder meine Familie schon längst angesteckt zu haben! Dann ist es eh zu spät! Was nützt die blödsinnige Testung? Nur, um festzustellen, dass ich dann mal schleunigst nach Hause gehen soll? Na toll.

Marie
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lisa

Da hilft nur das Floriansprinzip: Hoffen, dass ein anderer positiv getestet und deswegen die Schule wieder dicht gemacht wird.