Werden Lehrer aus Risikogruppen bald zum Präsenzunterricht verpflichtet? Das erste Bundesland bereitet offenbar ihren Einsatz vor

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DÜSSELDORF. Schrittweise kehren die Schüler in den Präsenzunterricht an die Schulen zurück. Dort treffen sie aber nicht unbedingt auf all ihre Lehrer. Wenn die Lehrkräfte zu Risikogruppen gehören, brauchen sie nicht in die Schulen zu kommen. NRW-Schulministerin Gebauer will das ändern. Die GEW hat bereits Widerstand angekündigt. Der VBE zeigt sich irritiert, dass mit den Lehrerverbänden darüber bislang nicht gesprochen wurde.

Lehrkräfte über 60 sind vbislang om Präsenzunterricht freigestellt – sie sollen sich dafür zum Beispiel um den Fernunterricht kümmern. Foto: Shutterstock

Ältere oder vorerkrankte Lehrer in Nordrhein-Westfalen sind trotz der Corona-Pandemie verpflichtet, mündliche Abiturprüfungen abzunehmen, sofern sie kein ärztliches Attest vorlegen. Das stellte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch noch einmal im Schulausschuss des Landtags klar. Mündliche Prüfungen seien nicht mit Unterrichtsstunden vergleichbar. «Prüfungen sind kein Präsenzunterricht», betonte die Ministerin. An den Prüfungen nähmen in der Regel nur vier Personen teil. Die Hygiene- und Abstandsregeln könnten gewährleistet werden.

Gehören Prüfungen zum Präsenzunterricht?

Auf der Homepage des Schulministeriums ist allerdings etwas anderes zu lesen. Unter der Überschrift „Lehrkräfte – Arbeitsschutz und Dienstpflicht“ heißt es in den aktuellen Informationen zur Coronakrise wörtlich: „Unter den Begriff Präsenzunterricht fallen alle Tätigkeiten mit direkten Schülerkontakten, also auch die Abnahme von Prüfungen, Pausenaufsicht etc., nicht hingegen die dienstlichen Tätigkeiten, die von zu Hause aus erledigt werden können sowie die Teilnahme an Konferenzen.“

Gerade Eltern und Lehrerverbände sowie Lehrkräfte selbst hätten dafür geworben, dass die den Schülern vertrauten Lehrer auch die mündlichen Prüfungen abnähmen, sagte Gebauer nun. Vorerkrankte oder auch schwangere Lehrkräfte hätten aber «das ausdrückliche Recht», sich ärztlich bestätigen zu lassen, wenn sie wegen der Zugehörigkeit zur Risikogruppe die Prüfungen nicht abnehmen wollten. Bei der GEW, der größten Lehrergewerkschaft im Land, weiß man allerdings nichts davon, dass Lehrerverbände dafür geworben hätten, Angehörige von Risikogruppen bei mündlichen Prüfungen einzusetzen. Die GEW selbst hatte von einem «Wortbruch» gesprochen und sogar angekündigt, bei Bedarf für betroffene Lehrer Rechtsmittel einzulegen.

Derzeit sind knapp 30 % der Lehrer nicht im Präsenzunterricht

Keine konkreten Aussagen – auch nicht auf mehrmaliges Nachfragen der Opposition – machte Gebauer dazu, unter welchen Bedingungen künftig auch Lehrkräfte aus Risikogruppen im Präsenzunterricht eingesetzt werden sollen. «Wir können Präsenzunterricht sicher nicht auf Grundlage der Freiwilligkeit organisieren», sagte Gebauer allerdings. Sie verwies erneut auf jüngste Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI), die keine grundsätzlichen Einsatzbeschränkungen für bestimmte Altersgruppen oder Vorerkrankungen mehr vorsähen. «Ich habe immer gesagt, dass der Rat der Experten Grundlage ist für unsere Entscheidungen.»

Die Frage der Rückkehr der Lehrkräfte werde mit Personalräten und anderen Ministerien erörtert. Dann werde entschieden, wie es weitergehe, sagte Gebauer. Sie halte es aber für «selbstverständlich», dass möglichst viele Lehrer in den Präsenzunterricht zurückkämen, damit auch so viele Schüler wie möglich wieder direkt unterrichtet werden könnten. Konkrete Angaben, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, machte Gebauer nicht.

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Wegen der bisherigen Einsatzbeschränkungen für Pädagogen ab 60 Jahren beziehungsweise mit Vorerkrankungen sind nach früheren Angaben Gebauers derzeit knapp 30 Prozent der insgesamt rund 200.000 Lehrkräfte in NRW nicht im Präsenzunterricht.

VBE: Land muss seiner Fürsorgepflicht für Lehrer nachkommen

Der VBE zeigt sich irritiert darüber, zu diesem Thema bislang vom Ministerium nichts gehört zu haben. Erneut hätten die Bildungsgewerkschaften und -verbände zuerst aus der Presse wichtige Informationen erhalten, sagt VBE-Landesvorsitzender Stefan Behlau.

Und weiter: „Der VBE erwartet, dass die heute angekündigten Gespräche zu den Risikogruppen aufgenommen werden, denn für die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen muss Klarheit geschaffen werden. Wir erwarten, dass das Land NRW seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten nachkommt und eine transparente Aussage des Ministeriums terminlich so erfolgt, dass die betroffenen Lehrkräfte die Zeit bekommen, sich entsprechenden ärztlichen Rat einzuholen. Gerade bei Lehrkräften mit Vorerkrankungen muss im Einzelfall sehr genau geprüft werden, ob ein Einsatz vertretbar ist. Diese Entscheidung darf nicht auf die Schulleitungen abgewälzt werden, sondern Bedarf einer medizinischen Expertise.“

Seit Beginn der Coronakrise habe der VBE stets betont, für Gespräche zur Verfügung zu stehen, so Behlau. Diese müssen jetzt erfolgen. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Gebauer prüft Einsatz von allen Lehrern im Präsenzunterricht – auf Risikogruppen soll keine Rücksicht mehr genommen werden

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5 Kommentare
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dickebank
3 Jahre zuvor

Wenn ich wieder anfangen soll, dann gehe ich mit der gesamten Klasse ins Freibad. Die Übertragung von Aerosolen im Freien ist weniger gefährlich als in geschlossenen, schlecht gelüfteten Räumen.

Wie, das geht nicht, für Freibäder gibt es Corona-bedingt Einschränkungen?

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

In Sachsen-Anhalt wahrscheinlich bald nicht mehr.

OlleSchachtel
3 Jahre zuvor

Ich würde auch dafür plädieren, das Lehrer Ausflüge in die Natur mit ihren Klassen machen dürfen. Da wäre die Ansteckungsmöglichkeit geringer. Es braucht nicht zwingend ein Klassenzimmer zum Lernen.

Miriam Fawone
3 Jahre zuvor

Schade, dass Schulen sämtliche Regeln „von oben“ aufgedrückt bekommen, anstatt ihnen Freiräume zu geben die Regeln an ihre individuellen Gegebenheiten anzupassen.
Unsere Schule hat in der Corona-Zeit drei verschiedene Phasen durchlaufen:
I – die drei Wochen vor den Osterferien: Aufgaben wurden „wild“ verschickt per E-Mail, WhatsApp, Iserv und mittelmäßig bearbeitet.
II – die zwei Wochen nach den Osterferien: nur die 10er erhielten Präsenzunterricht, Videokonferenzen wurden zunehmend eingesetzt, ein Standard für den Austausch von Aufgaben und Lösungen wurde hergestellt – meiner Meinung nach die sinnvollste Phase
III – die letzten beiden Wochen: alle Schüler kommen abwechselnd, in Gruppen geteilt, 2 Tage die Woche für 4 Stunden in die Schule: kann man machen, ist für einige Schüler gut, für andere weniger. Ist für einige Lehrer gut, für andere weniger. Lernzuwachs geringer als in Phase III, aber soziale Kontakte tuen den Schülern gut.

Mein Vorschlag: einheitliche Tablets für Schüler und Lehrer, Leasing, damit mit den Geräten ordentlich umgegangen wird; wer Videokonferenzen machen möchte (egal ob Schüler oder Lehrer) macht dies, wer in die Schule gehen möchte, geht in die Schule.

Der Unterricht vom Klassenraum kann genauso an die Schüler zu Hause übertragen werden. Jeder könnte das tun, was er für sich richtig hält und ist motiviert das Beste aus dieser Zeit zu machen.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Miriam Fawone

Schule ist Behörde – und jetzt kommen Sie mit pragmatischen Lösungsvorschlägen. – Ja, wo kommen wir denn dahin. Das haben wird ja noch nie so gemacht- Und im übrigen, da kann ja jeder kommen und irgendwelche Vorschläge machen.