Mit nur zwölf Monaten Referendariat zum Lehrer – Verband schlägt Alarm

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SCHWERIN. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Mecklenburg-Vorpommern eine einschneidende Maßnahme vorbereitet: Der Vorbereitungsdienst für angehende Grundschullehrer, gemeinhin Referendariat genannt, wird von 18 auf nur noch zwölf Monate verkürzt. Der Landtag in Schwerin hat bereits zugestimmt. Der Verband bak Lehrerbildung, der bundesweit Lehrerausbilderinnen und Lehrerausbilder vertritt, schlägt Alarm. Er sieht einen Dammbruch. Die „versteckte Sparmaßnahme“ werde drastische Auswirkungen auf die Qualität der Lehrerausbildung haben.

Sind junge Lehrer mit einem verkürzten Referendariat gut für den Beruf vorbereitet? Foto: Shutterstock

Von Grundschullehrern bundesweit gab es unlängst viel Beifall für Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) dafür, die finanzielle Gleichstellung der Pädagogen in der Primarstufe gegenüber ihren traditionell besser bezahlten Kollegen am Gymnasium durchgesetzt zu haben. Das sei vorbildlich, so meinten die GEW und der VBE, Verbände also, die seit Jahren unter dem Motto „A13 für alle“ auch in anderen Bundesländern für eine Besserbezahlung der Grundschullehrer kämpfen. Was allerdings im Zuspruch unterging: Im Gegenzug streicht das Bildungsministerium das Referendariat für angehende Grundschullehrer zusammen. Es wird von 18 auf dann nur noch 12 Monate verkürzt.

„Wir bilden die erhöhten Anforderungen bereits stärker im Studium ab und wollen Grundschullehrkräfte noch besser auf ihre Tätigkeit vorbereiten“, so begründet Matin die Maßnahme „Wir intensivieren die Praxiszeit für angehende Grundschullehrkräfte schon während des Studiums.“ Dies sei ein wichtiger Schritt, um die Lehrerbildung im Grundschulbereich insgesamt zu verbessern.

„Persönlichkeit der angehenden Lehrerinnen und Lehrer stärken“

Ist es das? Widerspruch kommt jetzt vom Bundesverband (bak) Lehrerbildung, in dem bundesweit Lehrerausbilderinnen und -ausbilder organisiert sind. „Für uns steckt darin eine deutliche Qualitätsminderung“, sagt Bundesvorsitzender Helmut Klaßen gegenüber News4teachers. Er sieht in der Maßnahme eine „versteckte Sparmaßnahme“.

Klaßen bricht eine Lanze für das Referendariat: „Eine qualitativ hochwertige Lehrerausbildung wird vor allem durch die Zweite Phase gesichert. Es geht darum, eine starke kohärente Verschränkung zwischen Theorie und Praxis herzustellen. Dabei ist eine kontinuierliche personelle Begleitung und auch eine individuelle Beratung wichtig, auch um die Persönlichkeit der angehenden Lehrerinnen und Lehrer zu stärken. Das kann von den Universitäten nicht geleistet werden“, sagt er.

Ursprünglich habe das Referendariat bundesweit zwei Jahre gedauert – das ist lange vorbei. Klaßen: „Bayern ist heute das einzige Bundesland, das jetzt noch ein 24-monatiges Referendariat hat, allerdings mit einer anderen Ausbildungsstruktur als in den anderen Bundesländern. In den meisten Bundesländern liegt das Referendariat bei 18 Monaten.“ Und auch das sei schon zu kurz. Die hohen praktischen Ansprüche, die an den Beruf gestellt würden, seien nicht „mal eben“ zu vermitteln, „dafür sind 18 Monate schon das Minimum“. Und jetzt komme noch das große Feld „Bildung in der digitalen Welt“ mit hinein.

Wenn jetzt, wie in Mecklenburg-Vorpommern, nur noch ein zwölfmonatiges Referendariat absolviert werde, leide zwangsläufig die Ausbildungsqualität. „Wir nehmen in einem verkürzten Vorbereitungsdienst eine Überfrachtung der Ausbildungscurricula und der Anforderungen auf Kosten von Ausbildungstiefe, Können und Nachhaltigkeit wahr“, sagt Klaßen mit Blick auf Brandenburg, wo bereits seit einigen Jahren nur noch ein zwölfmonatiger Vorbereitungsdienst angeboten wird.

Praxis im Studium und Referendariat folgen unterschiedlichen Zielen

Unterstützung bekommt der bak Lehrerbildung vom Grundschulverband sowie von der GEW. Beide Organisationen kritisieren die Verkürzung des Referendariats. So sagt Ralph Grothe, Landesgruppenvorsitzender des Grundschulverbandes: „Wir raten dringend davon ab, diesen Schritt zu gehen. Selbst wenn, wie beabsichtigt, das 10. Semester an der Universität als Praxissemester angelegt würde, kann ein solches die schulpraktische Ausbildung nicht ersetzen. Aus schulorganisatorischer Sicht bleiben nur zehn Monate übrig, um das praktische Rüstzeug für die spätere berufliche Laufbahn zu legen, in denen schon die allerersten eigenen Unterrichtsversuche gleich prüfungsrelevant sind.“

Ähnlich sieht das auch die GEW. Landesvorsitzender Maik Walm erklärt: „Dem Wunsch, die Ausbildung kurz zu halten, wird, noch dazu ohne Not, die Lernzeit im Referendariat geopfert. Das geht zu Lasten der Ausbildungsqualität und, im Umkehrschluss, später zu Lasten der Bildungsqualität für unsere Kinder.“ Er betont: „Praxis im Studium und Praxis im Referendariat folgen unterschiedlichen Zielen.“ Sie seien deshalb nicht einfach austauschbar. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

„Das ist nicht mal eben zu machen“: Warum der schulpraktische Teil der Lehrerausbildung so wichtig ist – ein Interview

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4 Kommentare
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dickebank
3 Jahre zuvor

Das Referendariat ist der Vorbereitungsdienst für Beamte des höheren Dienstes.
Wenn die Schulministerien die lehrkräfte nicht mehr verbeamten wollen, dann müssen sie nur den Vorbereitungsdienst ersatzlos streichen und Absolventen von Lehramtsstudiengängen die lehrberechtigung auf Grudlage des Hochschulabschlusses zugestehen.

Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Wer würde sich denn freiwillig so einen Vorbereitungsdienst antun?

TM
3 Jahre zuvor

Schade eigentlich, dass Mecklenburg nun auch diesen Irrweg geht. 12 Monate bedeutet nach Abzug der Ferien, Feiertage und unter Beachtung des Prüfungszeitraumes für ReferendarInnen eine effektive Ausbildungszeit von ca. 7 Monaten. Die Berechnungen lagen in Brandenburg vor, wurden aber ignoriert. Ergebnis: Das Referendariat ist de facto keine Ausbildungszeit mehr, sondern nur noch eine erste Leistungsfeststellung unter Praxisbedingungen, danach reine Prüfungsvorbereitung. Aus Fehlern lernen entfällt wg. Zeitmangel. 3 Unterrichtsbesuche pro Fach in durch die Fachseminarleiter ist nichts, was wirklich helfen kann. Die schwachen Refs freuen sich, die stärkeren leiden. So fördert man perfekt Mittelmaß. Und wie man auf die Idee kommen kann, die UNI würde das vorab schon machen ist mir schleierhaft: Echte Verantwortung kann man erst im Referendariat übernehmen.

Julian Beyerhaus
1 Jahr zuvor
Antwortet  TM

Was genau meinst du mit „die schwachen Refs freuen, sich, die stärkeren leiden“?