Philologen-Chefin fordert Kultusminister auf: Machen Sie die Schulen Corona-sicher!

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BERLIN. Angesichts der jüngsten Telefonkonferenz der Kultusminister zum weiteren Umgang mit der Corona-Krise und der vorliegenden Expertise der Friedrich-Ebert-Stiftung fordert die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, die Kultusminister der Länder auf, nicht vorschnell ausschließlich auf Präsenzunterricht zu setzen – sondern die Voraussetzungen für gelingenden Unterricht unter verschiedenen Bedingungen zu schaffen. Sonst drohe im kommenden Schuljahr weiteres Chaos.

Rechnet auch fürs kommende Schuljahr mit Corona-bedingten Schwierigkeiten in den Schulen: Philologen-Chefin Susanne Lin-Klitzing. Foto: Deutscher Philologenverband

Wie sieht das nächste Schuljahr aus? Von den Kultusministern kam bislang dazu wenig. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung wollte es hingegen genauer wissen – und hat eine prominent besetzte Expertenkommission aus Wissenschaft, Schulpraxis, Eltern- und Schülerorganisationen und den Schulträgern zusammengestellt. Die haben ihre Analyse nun präsentiert (News4teachers berichtet ausführlich über das Papier – hier geht es zu dem Beitrag). Klar wird: „Wohl selten war die Vorbereitung des kommenden Schuljahrs so wichtig wie jetzt.“

Die Planungen sollten nicht von einer Wiederkehr des gewohnten „schulischen Regelbetriebs“ ausgehen. Ausgehend von der jeweiligen Infektionstätigkeit, der Gewährleistung einer effektiven Nachverfolgung der Kontaktpersonen sowie den vorhandenen freien Kapazitäten im kurativen Gesundheitssektor, empfiehlt die Kommission die Unterscheidung von drei Szenarien für das Schuljahr 2020/21 – nämlich: 1. Präsenzunterricht als Regelfall, 2. Kombination von Präsenz- und Fernunterricht, 3.
Fernunterricht als Regelfall.

Schulschließungen von Göttingen als exemplarischer Fall

„Schaffen Sie die Voraussetzungen für einen pandemiesicheren Unterricht“, fordert Lin-Klitzing nun die Kultusminister auf. „Schaffen Sie die Voraussetzungen für gelingenden Unterricht in drei möglichen Szenarien: Für den Regelfall des Präsenzunterrichts, für den Fall des kombinierten Präsenz- und Fernunterrichts und für den Fall des Fernunterrichts! Die aktuellen Ereignisse in Göttingen zeigen, dass Schulen in die Lage versetzt werden müssen, nahtlos zwischen diesen Fällen zu wechseln.“ In Göttingen wurden alle Schulen und vier Kitas kurzfristig geschlossen, nachdem sich Dutzende Kinder bei privaten Feiern zum Zuckerfest mit dem Coronavirus infiziert hatten (News4teachers berichtet auch darüber umfassend – hier).

Für den Regelfall des Präsenzunterrichts brauche die Kultusministerkonferenz ein aktualisiertes Hygienekonzept, denn das bisher vorgelegte Rahmenkonzept berücksichtige zum Beispiel die Aeorosolbelastungen im Präsenzunterricht nicht ausreichend, so Lin-Klitzing. In den vergangenen Tagen hatten Virologen davor gewarnt, dass Infektionen über Schwebeteilchen in der Raumluft zu wenig beachtet würden (hier berichtet News4teachers über die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler dazu).

Im Regelfall des Präsenzunterrichts, sagt Lin-Klitzing, seien bauliche (Sanitärbereich) und räumliche Maßnahmen (Waschbecken in den Klassen und verkleinerte Gruppengrößen) umzusetzen sowie notwendig mehr Lehrpersonal einzustellen. Der Philologenverband fordert hier die Einstellung der jetzt frisch ausgebildeten Referendare. Im Bereich der weiterführenden Schulen gibt es gemäß der KMK-Statistik genügend einzustellende Bewerber und Bewerberinnen. „Lehrkräftemangel kann hier keine Ausrede sein!“, erklärt Lin-Klitzing.

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Für den Fall des kombinierten Präsenz- und Fernunterrichts müssten Schulen, Schüler und Lehrkräfte nun tatsächlich mit der notwendigen digitalen Infrastruktur, digitalen Endgeräten, datenschutzkonformen Lernplattformen und Konferenzsystemen sowie „digitalen Hausmeistern“ für die Gerätewartung ausgestattet werden, fordert die Philologen-Chefin.

Fällt die überfällige Digitalisierung der Schulen schon wieder aus?

„Das ist nach wie vor flächendeckend nicht der Regel-, sondern der Ausnahmefall und darf angesichts des Drucks, zum Präsenzunterricht zurückkehren zu wollen, nicht übersprungen werden. Ich sehe die Gefahr ganz deutlich, dass nun nicht einmal mehr die Sommerferien zu einer entsprechend notwendigen ‚pandemiesicheren‘ digitalen Ausrüstung genutzt werden, sondern dies wegen des gesellschaftlich verständlichen Drangs, zum Präsenzunterricht zurückzukehren, erneut vernachlässigt wird. Die zeitangemessene digitale schulische und unterrichtliche Ausrüstung für die knapp 11 Millionen Schüler des deutschen Bildungssystems könnte dem Druck nach Präsenzunterricht – und vielleicht auch dem Wunsch, hier einfach Geld zu sparen – zum Opfer fallen“, befürchtet Lin-Klitzing, „von zu erstellenden veränderten didaktischen Konzepten auch für Fortbildungen, die die Kombination von Präsenz- und Fernunterricht angemessener als bisher abbilden müssen, ganz zu schweigen.“

Für den Fall des Fernunterrichts – auch im Einzelfall zu schließender Schulen – müssten dieselben digitalen Grundvoraussetzungen gelten wie für den Fall des kombinierten Präsenz- und Fernunterrichts, wenn ein „digital unterstütztes Lernen von Schreibtisch zu Schreibtisch“, nämlich vom Schreibtisch der Lehrkraft zu den Schreibtischen der Schüler und dieser untereinander, gelingen soll.

„Nutzen Sie die Sommerferien für die baulichen, räumlichen Maßnahmen und die digitale Ausstattung jeder Schule!“, appelliert die Verbandsvorsitzende an die Kultusminister der Länder und an die Kommunen, „sonst bleiben die Schulen auf die möglichen Szenarien der Corona-Krise unzureichend vorbereitet und es werden die Chancen, die die Krise für eine Erneuerung in den Schulen bietet, nicht genutzt!“ News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Wie Fernunterricht als Videokonferenz klappt – und welche Rolle die Eltern dabei spielen: Ein Lehrer berichtet aus seiner Praxis

 

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3 Kommentare
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Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Im Gegensatz zu den Interessengruppen der Autoindustrie stehen die der Lehrerinnen und Lehrer bei den Kultusministern anscheinend vor verschlossener Tür. Wie wärs mal mit einer Kaufprämie für Schul-IT? Nur mal so als Anregung.

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Das Problem ist, dass die Kultusminister die falsche Adresse sind. Die Finanzierung dieser Forderungen obliegt überwiegend den Kommunen als Schulträger.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Nicht unbedingt; BY hat sowohl staatliche als auch kommunale GY. Schule ist halt Ländersache, und das betrifft auch die Organisation des Schulwesens.