Scheeres: Schulen brauchen ein Notfallszenario – falls die zweite Welle kommt

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BERLIN. Gerade erst hat Berlins Bildungssenatorin die Rückkehr zum Normalbetrieb an den Schulen angekündigt. Gleichzeitig pocht sie darauf, dass die Lehrer sich auf den Fall vorbereiten, in dem das alles wieder in Frage steht.  Kritik kommt von der GEW. Sie vermisst konkrete Pläne – von der Senatorin. Klar ist nur: Komplette Schulschließungen schließt Scheeres für die Zukunft aus.

"Blicken wir doch einmal in die anderen Bundesländer": Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Foto: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie
„Die Schulen müssen vorbereitet sein“: Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Foto: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie

Berlins Schulen sollen nach den Sommerferien zum Normalbetrieb zurückkehren (News4teachers berichtete ausführlich über die Ankündigung, und zwar hier) – aber was passiert, wenn die Infektionszahlen im Laufe des Schuljahres erneut nach oben schnellen und die gefürchtete zweite Welle der Corona-Pandemie kommt? Die Schulen dann wieder komplett zu schließen, ist für Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) keine Alternative. Die Senatsverwaltung habe sich mit einem Plan B für den Fall auseinandergesetzt, dass sich die Situation dramatisch zum Schlechteren verändern sollte, sagte Scheeres im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses. «Den müssen wir auch in der Tasche haben», so die SPD-Politikerin. «Die Schulen müssen vorbereitet sein, und hier geben wir auch klare Standards vor.»

Die Hälfte des Unterrichts muss als Präsenzunterricht stattfinden

Für den Fall, dass der Regelunterricht wegen der Infektionslage nicht mehr möglich sein sollte, sei die Vorgabe, dass die Hälfte des Unterrichts als Präsenzunterricht stattfinden müsse, so die Senatorin. Es werde außerdem Standards geben für das Unterrichten zu Hause. Viele Lehrkräfte hätten in den vergangenen Monaten weit über das Maß hinaus gearbeitet. «Aber es gab auch den ein oder anderen Fall, wo man sagt „Geht gar nicht“, wenn Aufgaben für drei Wochen abgeliefert werden und die Kinder überhaupt keine Orientierung haben, wann packe ich denn welche Mathe-Aufgabe an zum Beispiel», sagte Scheeres.

So sollten von den Schulen Wochenpläne erarbeitet werden, etwa dazu, was in Mathematik in welcher Woche geschafft werden müsse. Vorgegeben werde auch, dass sich die Lehrkräfte mindestens zweimal in der Woche bei den Kindern zu Hause melden müssten, sagte Scheeres, die die Rückkehr zum Normalbetrieb ab dem neuen Schuljahr am Dienstag angekündigt hatte.

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Lehrer sollen planen, wie sie den Fernunterricht gestalten

Wichtig sei, dass sich die Schulen auch darauf einstellten, dass es einzelne Infektionsfälle geben könne. «Es kann der ein oder andere Fall eintreten, dass wir eine Lerngruppe schließen müssen und die Lerngruppe wird ein, zwei Wochen in Quarantäne geschickt», sagte die Senatorin. «Dann werden die Kinder zu Hause beschult.» Die Schulen müssten sich Gedanken machen, wie der Unterricht in diesen Fällen gestaltet werde. Die Senatsverwaltung hat am Mittwoch ein Schreiben mit entsprechenden Hinweisen an die Schulleitungen geschickt.

Der Landesschülerausschuss hat die Überlegungen der Senatorin zu den Notfallszenarien kritisiert. Die Bildungsverwaltung weise die Schulen an, für diesen Fall Konzepte für eine Kombination aus Präsenzunterricht und dem Lernen zu Hause zu erarbeiten, ohne Mindest- und Qualitätsstandards zu setzen, teilte der Landesschülersprecher Miguel Góngora am Mittwoch mit.  «Diese Herangehensweise ist fahrlässig und könnte im Falle einer zweiten Coronawelle zu einer erneut verstärkten Bildungsungerechtigkeit in Berlin führen.» Die Schüler fordern die Senatsverwaltung außerdem auf, die Digitalisierung voranzutreiben und den Lehrkräften die benötigten Fortbildungen zu ermöglichen. dpa

Die Position der GEW

Die Berliner Schulen sollen mit Beginn des neuen Schuljahres zum Normalbetrieb zurückkehren – ohne Abstandsregel. Die GEW übt massive Kritik an der am Dienstag verkündeten Entscheidung des rot-rot-grünen Senats.

Zwar sei das Infektionsgeschehen in Berlin sei so, dass es kaum zu rechtfertigen wäre, die Schulen nicht weiter zu öffnen, sagte der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann. Es sei deshalb richtig, über Lockerungen nachzudenken. «Frau Scheeres reagiert aber nur auf den Druck der Elternschaft. Sie verliert völlig die Beschäftigten aus dem Blick.» So rate das Robert Koch-Institut noch nicht dazu, die Abstandsregeln fallen zu lassen, wie die Senatsentscheidung es vorsieht. «Das heißt, sie setzt sich über dessen Empfehlungen hinweg. Das ist fragwürdig», sagte Erdmann. Die Gefahr, Schulen in Berlin bei Infektionsfällen wieder schließen zu müssen – wie von Scheeres angesprochen -, sei durchaus realistisch. Dafür habe die Senatorin allerdings keine ausreichenden Pläne vorgelegt.

Lehrer arbeiten auf Privatrechnern – ohne dienstliche E-Mail-Adresse

«Wir hätten uns gewünscht, dass die Senatorin Vorsorge dafür trifft, dass der Online-Unterricht halbwegs funktioniert ohne die Startschwierigkeiten, die wir jetzt erlebt haben», sagte der GEW-Vorsitzende. Nötig sei unter anderem eine Strategie, wie Lehrkräfte mit Technik ausgestattet werden können, die kompatibel sei mit dem, was die Schüler benutzten. «Bisher machen die Lehrkräfte alles mit eigenen Geräten», sagte Erdmann. Die Bildungssenatorin habe es noch nicht einmal geschafft, dass sie eine dienstliche E-Mail-Adresse erhielten.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Berliner Kitas und Schulen kehren zum Normalbetrieb zurück – ohne Abstandsregel

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8 Kommentare
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Lisa
3 Jahre zuvor

„Vorgegeben werde auch, dass sich die Lehrkräfte mindestens zweimal in der Woche bei den Kindern zu Hause melden müssten […].“
– Sollen die Lehrerinnen jetzt z.B. dientags und freitags jeweils alle 24 Kinder anrufen oder genügt eine E-Mail an die Eltern? Vom privaten Telefon aus sind das rein rechnerisch 24 mal mindestens 5 Minuten = 120 Minuten… Aber wir haben es ausprobiert: Erst dauerte es, bis Mama das Kind ans Telefon geholt hatte (2min), dann war der Junge sehr wortkarg wegen der ungewohnten Situation (3min) und schon war die Zeit um und die Lehrerin musste auflegen, weil sie ja noch die anderen Kinder anrufen (und eingesandte Aufgaben korrigieren und den Arbeitsplan vorbereiten) musste… Wie sich Leute so etwas vorstellen, die weder eigene Schulkinder haben noch in der Schule arbeiten!

dickebank
3 Jahre zuvor

Dann teilen sich eben 89 Lehrkräfte die fünf Amtsleitungen und dei 10 Anschlüsse in ihrer Schule. Das ebdeutet dann eben auch das einige Lehrkräfte Telefon-Slots (Sprechzeiten) irgendwo zwischen 14:00 h und 7:00 Uhr am nächsten Morgen haben. Da den Eltern doch der Kontakt mit der schule so wichtig ist, werden sie bestimmt nichts gegen einen Anruf zwischen 2:50 h und 3:00 h haben. In so schweren zeiten müssen eben alle Opfer für die Bildung „unserer Kinder“ bringen:)

Palim
3 Jahre zuvor

„Kritik kommt von der GEW. Sie vermisst konkrete Pläne – von der Senatorin.“
Ja, habe ich auch zuerst gedacht nach der Überschrift. Wenn man dann liest, was die konkreten Pläne vorsehen, wünscht man sich das nicht mehr.

Es werden Forderungen an die Lehrkräfte gestellt ohne feste Standards für die Mittel zu setzen.
Die Ausstattung der Schulen bedingt aber deren Möglichkeit, das liegt nicht allein in den Händen der Lehrkräfte.

Man hätte auch schreiben können:
– 1 Drittel des Unterrichts muss als Präsenz erfolgen, der Rest der Zeit steht den KollegInnen für die aufwändige Organisation des HomeSchoolings und die zeitintensive telefonische Betreuung der SuS zur Verfügung.
oder
– Schulen, die keine Unterrichtsvorsorgung von 110% haben, werden im Präsenzunterricht Abstriche machen müssen. Dies ist dem Ministerium bekannt und es sorgt dort schnellstmöglich für einen Ausgleich durch Lehrkräfte oder zumindest weiteres Personal, das spezielle außerunterrichtliche Angebote zum Fordern und Fördern stellen kann.

– Die Schulen sollen sich um digitale Möglichkeiten kümmern, deswegen werden durch das Ministerium bis ca. 6 Wochen vor Schuljahresbeginn alle Lehrkräfte einheitlich mit Dienst-Geräten ausgestattet, zeitlich unbefristete und kostenlos abrufbare Fortbildungen in der kommenden Woche zur Verfügung gestellt und Content für den Unterricht als Orientierung angeboten.
Ebenso erhalten die SchülerInnen die Möglichkeit, über die Schulbuchfreiheit Geräte zu bekommen, zu deren Bedienung Tutorials veröffentlicht werden. Bei Problemen stehen MitarbeiterInnen des Ministeriums über eine Hotline werktags von 7-20 Uhr zur Verfügung. Die Abwicklung der Ausleihe erfolgt dezentral durch MitarbeiterInnen des Ministeriums und ist an eine Unterweisung im Datenschutz gebunden.

– Und schön wäre auch ein Satz gewesen wie: „Viele Lehrkräfte haben in den vergangenen Monaten weit über das Maß hinaus gearbeitet. Deshalb vertrauen wir auf die sinnvolle Einschätzung der Lehrkräfte vor Ort und nehmen deren Ratschläge an. Zudem nehmen wir unser Fürsorgepflicht ernst und sehen in den Sommerferien die einzige Möglichkeit und dringend gebotene Maßnahme, unseren Lehrkräften die notwendige Entlastung zu gewähren, sodass sie die angesammelten Überstunden abbauen können, damit die Lehrkräfte zum neuen Schuljahr Kraft haben, da weiterhin Neuerungen und Improvisation gefordert sein werden.“

Immer schön den Druck, die Organisation und die Arbeit weiter an die Lehrkräfte geben, statt mal zu überlegen, wo man selbst im Minsterium Möglichkeiten schaffen kann, die Lage zu verbessern und die Lehrkräfte zu unterstützen.
Und hinterher dann einen Grund finden, warum „die Schulen“ das denn alles nicht umsetzen konnten oder wollten.

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Frau Scheres handelt sehr nachvollziehbar. Das Öffnen der Grundschulen und Kitas und die Wahrscheinlichkeit einer „zweiten Welle“ sind zwei Seiten derselben Medaille. Wenn alles geöffnet wird, sollte man realistisch sein und mit einer zweite Welle rechnen.

m. n.
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Ach ja, die armen Lehrer!
Ich verstehe alle Klagen, die sich um pädagogische Fragen drehen und die Tatsache, dass die Lehrer mal wieder völlig unvorbereitet und auf sich allein gestellt sind. Da liegt mal wieder vieles im Argen.
Das Geheule wegen besonderer Gesundheits- und Lebensgefahren und die Angstmacherei mit „einer zweite Welle“ verstehe ich aber nicht. „Realistisch sein“ statt heulsusig sieht anders aus.

dickebank
3 Jahre zuvor
Antwortet  m. n.

Superspreader ==> Durch lautes Sprechen, Singen etc. in geschlossenen Räumen, werden durch bestimmte Personen, vor allem solchen mit einer lauten Stimme, deutlich mehr Tröpfchen und Aerosole verteilt.

Unterrichten wird aber ohne lautes Sprechen in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen nicht gehen -außer der Anteil des Präsensunterrichtes wird zurückgefahren.

Wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber zur Einhaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen auffordern, ist das kein Rumgeheule. Wenn dies in aller Öffentlichkeit passiert, dann ist das der tatsache geschuldet, dass die Arbeitgeber – hier Schulministerien – Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Vertreter der betroffenen Gruppen treffen. Bei Schule sind das die Hauptpersonalräte als Vertretungen der Lehrkräfte sowie Elternverbände und die jeweilige Landesschülerschaft.

Besonders stößt dabei auf, dass für die Bediensteten der obersten Schulverwaltung (Ministerium) und die der oberen Schulverwaltung (Landesschulbehörde/Regierungspräsidien) andere Corona-bedingte Regelungen getroffen werden als für die „unteren Instanzen“ aka Schulen.

Lehrerberlin
3 Jahre zuvor

Bei uns wird man traditionell zum Teil dafür bezahlt sich zu ärgern. Das wird von der Arbeitszeit abgezogen. So wie der Ton grade kippt und alles immer verrückter wird, bleibt bald nur noch wenig Kernarbeitszeit übrig.
😉
Das wird ein sehr sehr produktives Schuljahr 20/21 in Berlin. Zumindest in der Fantasie der Verwaltung…
Ich kuck mir das mittlerweile an wie son schlechten Film und fühl mich so was von außen vor und unbeteiligt, dass es richtig entspannt is so langsam.
Das ist eigentlich ganz nice, ist der Ruf erst ruiniert usw. Ich feier das..

Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Ich kann auf einem Privatgerät niemals Datenschutzkonform arbeiten. Noch dreister ist, dass im Grunde alle Problematiken an mich, die Lehrkraft, ausgelagert werden: Ich muss dafür sorgen, dass in meinem privaten Umfeld die Daten der Schüler sicher sind, werde dafür aber weder bezahlt noch entschädigt.