Streit um angehobene Noten im Mathe-Abi – Meidinger kritisiert Ungerechtigkeit

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BERLIN. Nachträgliches Notenlifting beim Mathematikabitur scheint in Deutschland mittlerweile regelmäßige Praxis in einigen Bundesländern zu werden – meint jedenfalls der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Er kritisiert die Entscheidung der Schulministerien in Sachsen und Bremen, die Abiturnoten in Mathematik um einen bzw. zwei Punkte anzuheben. Bereits im Jahr 2019 waren in zwei Bundesländern die Abiturnoten nachträglich angehoben (Meidinger: „geschönt“) worden.

Welchen Sinn macht ein bundesweiter Aufgabenpool, wenn einzelne Bundesländer die Ergebnisse dann nachträglich anheben? Foto: Shutterstock

Meidinger weist darauf hin, dass es bei der Notenanhebung ausdrücklich nicht um den Ausgleich von Corona-bedingten Nachteilen ging – dann hätten ja alle Bundesländer Grund gehabt, Abiturnoten anzuheben –, sondern darum, dass die Schülerinnen und Schüler aus diesen Bundesländern nach Angabe der Ministerien mit Aufgabenformaten aus dem länderübergreifenden Aufgabenpool nicht zurechtgekommen seien.

„Weitere Ungerechtigkeiten in der Notengebung“

Dazu erklärt Meidinger: „Ganz abgesehen davon, dass jeder nachträgliche, nur in einzelnen Bundesländern vorgenommene Eingriff in die Notengebung zu weiteren Ungerechtigkeiten führt, stellt sich jetzt doch die Frage, was ein länderübergreifender Aufgabenteil wert ist, der eigentlich für mehr Vergleichbarkeit sorgen soll, anschließend aber durch Notenlifting konterkariert wird. Wenn jetzt die Bremer Schulsenatorin ankündigt, dass ihr Bundesland generell den länderübergreifenden Aufgabenpool aussetzt, dann gibt es nur eine Schlussfolgerung: Der Aufgabenpool steht kurz vor dem Scheitern!“

Der Lehrerverbands-Präsident fordert die Kultusministerkonferenz auf, schnell eine Entscheidung darüber zu treffen, wie sie zukünftig ein gerechtes Abitur in Deutschland sicherstellen will, das auf gleichen Maßstäben und auf gleichen oder absolut vergleichbaren Aufgabenstellungen beruht. Dieser Auftrag an die Länder gehe schließlich eindeutig aus dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Abitur hervor.

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Meidinger betont: „Es nutzt wenig, wenn sich die KMK wie auf der letzten Sitzung für die Verabschiedung gemeinsamer Abitur-Bildungsstandards für die Naturwissenschaften feiert, bei der konkreten und praktischen Frage eines bundesweit vergleichbaren, gerecht benoteten Abiturs aber regelmäßig versagt.“

Aufbau der Aufgaben aus dem zentralen Pool sei schwierig gewesen

Weil der Notendurchschnitt bei den Abiturprüfungen im Fach Mathematik schlechter ist als üblich, hebt die Bremer Schulsenatorin die Noten um jeweils zwei Punkte an. Die Aufgaben aus dem zentralen Abitur-Pool der Bundesländer seien offenbar wegen des Aufbaus und der Verständlichkeit der Texte sehr schwierig gewesen, hieß es seitens der Bildungsbehörde. Die Maßgabe, vom kommenden Schuljahr an die Pool-Aufgaben des Berliner Instituts für Bildungswesen (IQB) nehmen zu müssen, werde ausgesetzt.

In der vergangenen Woche hatte bereits Sachsen die Abiturnoten im Fach Mathematik um jeweils einen Punkt angehoben. Eine Erhebung bei den Gymnasien habe ergeben, dass der Notendurchschnitt im Leistungskurs im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Punkte schlechter gewesen sei, so begründete das Kultusministerium den Schritt. Schon im vergangenen Jahr wurden die Mathe-Noten in zwei Bundesländern angehoben. News4teachers / mit Material der dpa

Wirrwarr ums Mathe-Abi: Hamburg vergibt bessere Noten, Nachbarländer nicht – Philologen stellen gemeinsamen Aufgabenpool infrage

 

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7 Kommentare
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Gümnasiallehrer a.D.
3 Jahre zuvor

Die Sntwort kennt Meidinger doch selber. Ich bin sicherlich der letzte, der sagt, dass Abitur sollte weiterhin in einigen Bundesländern so vergeben wie bisher: Nämlich fast schon geschenkt.

Auf der anderen Seite wird von Meidinger verkannt, dass ein Bremer Schüler in der Regel andere Startbedingungen hat als ein Schüler aus Bayern. Selbst in einzelnen Bezirken der Stadtstaaten gibt es gewaltige Unterschiede.

Genau deshalb sollte auch mal die ehrliche Frage gestellt werden, ob es wirklich einen „echten“ Vergleich geben kann oder ob das ganze nur Wunschdenken ist und auch vermutlich auch bleiben wird. Warum? Weil es immer wieder Minister geben wird, welche die Note anheben.

biolehrer
3 Jahre zuvor

Vergleichbarkeit bekommt man nur, wenn man nicht so inflationär viele Schüler gleich auf das Gymnasium unterrichten würde. Manche Schüler benötigen einfach noch ein Jahr länger. Dafür gibt es Berufliche Gymnasien, oder Fachoberschulen und Berufskollegs etc.. Zudem sollten die Schüler und die Eltern aufgeklärt werden, dass man auch die FH-Reife mit einer Ausbildung kombinieren kann. Ich bin nicht dafür, dass immer so rumgemurkst wird. Der Übertritt in die 11. Klasse eines Standardgymnasiums sollte nur den Schülern mit guten Noten erlaubt sein. Die restlichen Schüler können auf die FOS, aufs BG oder eine Ausbildung beginnen.

Absenkung der Noten sollte generell nicht mehr erlaubt sein (Schulspezifisch aber schon).
Das ist alles falsch verstandene Gerechtigkeit, die am Ende nur noch zur reinen Verhandlungssache verkommt.

Wertschätzend ist das weder für die Schüler noch für die Lehrer.

Felix
3 Jahre zuvor
Antwortet  biolehrer

Zum Thema: „inflationär viele Schüler gleich auf das Gymnasium unterrichten“. In vielen Bundesländern entscheiden die Eltern unabhängig von der Empfehlung der Grundschule, auf welche weiterführende Schule ihr Kind gehen soll. Vielleicht sollten wir dazu übegehen, auch die Eltern entscheiden zu lassen, ob jemand die Uni besuchen soll und Eltern am besten auch gleich mit in den Hörsaal setzen.

GriasDi
3 Jahre zuvor

Ein schönes Interview zu diesem Thema findet sich auch hier:

https://www.focus.de/familie/eltern/familie-heute/brauchen-wir-das-abi-paedagogik-professorin-abitur-ist-niveaulos-und-ungerecht-der-reine-betrug_id_12133118.html

Zitat aus dem Interview:
„Die wissenschaftlichen Befunde sind spärlich, aber eindeutig. Eine Studie für Schleswig-Holstein zeigt, dass dort nur etwa ein Viertel der Abiturienten tatsächlich Abiturniveau erreicht.“

Pälzer
3 Jahre zuvor

Am Ende geht nur: die Universität prüft und lässt die besten zum Studium zu. Erst dann wird der Anreiz groß, den Schülern die beste Ausbildung zu bieten. Die Abi-Note ist dann egal, leider wird der Aufwand für die Gesamtgesellschaft groß. Finnland, sagt man, macht es so.

Felix
3 Jahre zuvor

„Die Aufgaben aus dem zentralen Abitur-Pool der Bundesländer seien offenbar wegen des Aufbaus und der Verständlichkeit der Texte sehr schwierig gewesen“,
ernsthaft? Dann doch bitte die Deutschnote um zwei Punkte nach unten korrigieren.

Fanny
3 Jahre zuvor

Schön, dass es keine Noten Erhöhung in allen Bundesländern gibt, dann hätte ich mir jetzt meine Nachprüfung in Mathe ersparen können…