Corona-Studie in Kitas: Infektionsrisiko für Kinder und Erzieherinnen weiterhin unklar

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DÜSSELDORF. Welche Rolle spielen Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus? Diese Frage bleibt auch weiterhin ungeklärt. Eine der bundesweit größten Studien bei Kita-Kindern in Düsseldorf, die die dortige Uniklinik nun veröffentlicht hat, konnte keine eindeutige Antwort liefern.

Eine großangelegte Corona-Studie im Kita-Bereich deckte lediglich eine positive Infektion auf, doch das wissenschaftliche Team ist sich unsicher . Illustration: Shutterstock

Bei einer großen Corona-Studie unter mehr als 5.200 Kindern und Beschäftigten in Düsseldorfer Kitas ist in fast 35.000 Proben nur eine Infektion bei einem Kind gefunden worden. Das teilte die Düsseldorfer Uniklinik mit. Allerdings habe es nach Angaben des Gesundheitsamtes der Stadt während des vierwöchigen Studienzeitraums in den 115 beteiligten Einrichtungen weitere Corona-Infektionen bei Kindern und Beschäftigten gegeben, die jedoch nicht an der Studie teilgenommen hätten. Insgesamt wurden demnach zehn Neuinfektionen verzeichnet – zwei beim Personal und acht bei Kita-Kindern.

Die Studie wurde finanziell vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration unterstützt. Ziel war es, verlässliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob es in den Kita-Gruppen zu neu auftretenden Corona-Fällen kommt und dadurch Infektionsketten im Umfeld ausgelöst werden. Die Auswertung zeige, dass im Studienzeitraum die Häufigkeit von Neuinfektionen in den Kitas auf dem gleichen Niveau wie für die Stadt Düsseldorf insgesamt gelegen habe, erklärte Professor Jörg Timm, Direktor des federführenden Instituts für Virologie an der Uniklinik.

In einem Fall habe es Hinweise darauf gegeben, dass es innerhalb der Kita zu einer Übertragung von Sars-CoV-2 auf ein weiteres Kind und von dort auf Haushaltsangehörige gekommen sei. „Auf dieser Grundlage von erfreulich wenigen Infektionen ist eine klare Aussage dazu, welche Bedeutung Kinder als Infektionsquelle haben, leider nicht möglich“, sagte Timm.

Rahmenbedingungen der Studie

An der Modellstudie hatten vom 10. Juni bis 7. Juli 3.955 Kinder und 1.255 Beschäftigte teilgenommen. Die Studie fiel den Autorinnen und Autoren zufolge in die Zeit des bundesweit niedrigen Infektionsgeschehens. Sie fand im Zuge des eingeschränkten Regelbetriebs statt, der mit quantitativen und qualitativen Beschränkungen verbunden war. Kitas durften Kinder unter anderem nur unter Einhaltung des Hygienekonzepts und in festen sowie räumlich voneinander getrennten Gruppen betreuen. Über einen Zeitraum von vier Wochen wurden die beteiligten Kinder und Erwachsenen zweimal wöchentlich auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus untersucht. Das Labor der Uniklinik analysierte fast 35.000 Spuckproben. Insgesamt sind in den 115 beteiligten Kitas mehr als 8.100 Kinder angemeldet.

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In der Studie wurde nur ein sechsjähriges Kind positiv auf Corona getestet. Nach Bekanntwerden der Infektion wurden auch die Mutter und ein Geschwisterkind positiv getestet. Die Kita-Kinder, die in den an der Studie beteiligten Einrichtungen positiv getestet wurden, aber nicht zu den Testpersonen gehörten, hatten sich meist im häuslichen Umfeld angesteckt.

Die Gründe für die überraschend geringe Zahl von nur einem positiven Fall in der Testreihe im Vergleich zur anlassbezogenen Untersuchung sind nach Angaben der Autorinnen und Autoren nicht vollständig geklärt. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass ein freiwilliges regelmäßiges Test-Screening beim aktuellen Infektionsgeschehen für die Ermittlung von Corona-Fällen „nicht überlegen“ sei. „Der Aufwand steht dabei aktuell in keinem günstigen Verhältnis zum Nutzen.“ Das könnte sich ihrer Ansicht nach allerdings bei steigenden Neuinfektionszahlen ändern.

Positives Fazit von Familienminister Stamp

Nach der Öffnung der Kitas in Nordrhein-Westfalen am 8. Juni im eingeschränkten Regelbetrieb ist das Infektionsgeschehen nach Erkenntnissen aus der Studie nicht überproportional gestiegen. Familienminister Joachim Stamp (FDP) erklärte: „Die bisherigen Studienergebnisse geben keinen Anlass davon auszugehen, dass von Kita-Kindern ein erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht oder im Umfeld Infektionsketten ausgelöst werden, obwohl das geltende Abstandsgebot in der Kindertagesbetreuung nicht eingehalten werden kann.“

Insgesamt wurden im Studienzeitraum in Düsseldorf 501 Corona-Infektionen an das Gesundheitsamt gemeldet. Darunter waren 32 Infektionen bei Kindern im Kita-Alter. 16 von diesen infizierten Kindern waren in einer Betreuungseinrichtung.

Das Institut für Virologie veröffentlichte am Donnerstag, 23. Juli, zunächst das Manuskript zur Studie (hier ist es einsehbar), das – wie im Wissenschaftsbetrieb üblich – noch von unabhängigen Forscherinnen und Forschern begutachtet wird. Danach kann es noch verändert werden. dpa

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Andrea Kümmel
3 Jahre zuvor

Ich als Erzieherin bin bei diesem Thema völlig zwiegespalten. Einerseits bin ich froh, die Kinder wieder betreuen zu können. Wir arbeiten wieder im Normalbetrieb. Abstand zu halten, ist bei der Arbeit mit kleinen Kindern nicht möglich. Ob der Abstand zu meinen KollegInnen, um den wir uns bemühen, mir hilft, mich nicht anzustecken, möchte ich bezweifeln. Etliche unserer Eltern arbeiten in der Gastronomie. Ich glaube nicht, dass die Hygienemaßnahmen uns wirklich helfen, wenn wir im Herbst und Winter nicht mehr den ganzen Tag draußen mit den Kindern spielen können. Ich bin 55 Jahre alt, mein Mann 65. Ich möchte mich nicht infizieren. Die Unsicherheit ist schon sehr groß.

Angelika Mauel
3 Jahre zuvor

Mich beschäftigt auch die Frage, wie von diversen Infekten gesundheitlich angeschlagene Erzieherinnen eine Infektion mit Coronaviren verkraften werden. Im Herbst werden wieder verstärkt Viren in den feucht-warmen Gruppenräumen kursieren und wir können wirklich nicht darauf vertrauen, dass alle Eltern den Kindergarten wahrheitsgemäß über Symptome oder eine Erkrankung mit COVID 19 informieren werden. Der Druck auf Eltern ist bedingt durch die so genannten „Corona-Ferien“ gestiegen und zu viele Eltern wollen einfach glauben, dass Coronaviren ihren Kindern nicht wirklich schaden könnten und was sie bei Erzieherinnen, Lehrern und deren Familien anrichten können, wird ausgeblendet.
Wer ältere Familienangehörige hat oder selbst zu einer Risikogruppe gehört, sollte sich bloß nicht verheizen lassen.
Meine pflegebedürftige Mutter habe ich leider einmal mit Keuchhusten angesteckt. Sie hat sich ein halbes Jahr gequält und zum Glück ist keine zum Tod führende Komplikation (Platzen eines Gefäßes im Gehirn) aufgetreten. Wir wissen noch so wenig über die Spätfolgen von COVID 19, aber dass wir in der Vergangenheit schon oft genug von der Politik verschaukelt wurden, werden wir hoffentlich nicht vergessen.

Fr. M.
3 Jahre zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Oh weh, bei Ihrem Kommentar fühle ich mich sofort zu dem Gedanken angeregt:
Lasst uns um Himmels Willen die Schulen wieder schließen oder geschlossen halten.

Angelika Mauel
3 Jahre zuvor
Antwortet  Fr. M.

Mein Anliegen ist es, mehr nach dem Alter und dem Entwicklungsstand der Kinder zu differenzieren. Kinder waren für mich noch nie „Virenschleudern“, ich kritisiere allerdings, wie miserabel sie immer wieder untergebracht werden. In Schulen dürfen zum Teil die Integrationshelfer nur auf einem Höckerchen sitzen und müssen jedes Mal aufstehen, wenn ein Kind zur Toilette muss. (Abstand???) Und Krippenkinder wird in Deutschland weniger PLatz zugebilligt als in anderen Ländern. Bitte fühlen Sie sich auch zu einem anderen Gedanken angeregt: Bitte lasst uns um Himmels Willen den Kindern drinnen und draußen mehr Platz zugestehen! – Und wenn das nicht klappt, kann man nur hoffen, dass Fachkräfte sich wehren und wenn das auch nicht hilft, kann die Kündigung eine sinnvolle Alternative sein.

Frau M., würden Sie solche Konditionen in der Kinderbetreuung akzeptieren? http://www.kindergartenkritik.de/blog/erst-mal-einfach-anfangen http://www.kindergartenkritik.de/blog/nobody-is-perfect Da ich Erzieherin gelernt habe, ist mir der Bereich der Kindergärten vertrauter als der der OGS, obwohl ich auch dort schon gearbeitet habe.

Darf ich fragen, wie Sie als Lehrerin zu den Schulöffnungen und den in Schulen geltenden Regeln stehen? Ich fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln und finde, dass Eltern und Pädagogen noch nicht besonders erfolgreich darin waren, Kindern und Jugendlichen davon zu überzeugen, dass sie sich selbst und andere besser schützen könnten.

Angelika Mauel
3 Jahre zuvor

Noch keine Antwort von Frau M. – Schade.
Da wir noch zu wenig über die tatsächlichen Infektionsgefahren wissen, habe ich diese in meinem Artikel https://www.erzieherin.de/aktuelle-nachrichten.html auch nicht behandelt. Aber dass die Erzieherinnen sich hin- und herdirigieren lassen, sehe ich nicht als Glanzleistung von Politikern an. Und mir ist es ein Anliegen, dass Erzieherinnen nicht mehr versuchen, es allen Seiten Recht zu machen. Die Interessen von Eltern und ihren Kindern sind ebensowenig deckungsgleich wie Elternwünsche und unsere Erwartungen. Eltern reden sich die Betreuung ihrer Kinder in großen Gruppen viel zu oft schön und die Kinder kennen ja leider kaum bessere Kitas als die, die sie besuchen.
Langfristig glaube ich nicht, dass Erzieherinnen die derzeitigen Verschlechterungen des Personalschlüssels hinnehmen werden.