Hautfarbe? Wie Buntstifte gegen Rassismus helfen können

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BERLIN. Schweinchenrosa. Es ist ein Wort, auf das der Berliner Start-up-Gründer Malte Bedürftig allergisch reagiert. Denn lange Zeit schien Rosa als Hautfarbe-Stift an deutschen Schulen die einzige Möglichkeit zum Ausmalen von Gesichtern und anderen Hautpartien zu sein. „Ein Skandal“, findet Bedürftig. Denn für ihn fängt Rassismus da schon an. 2016 nahm sich der Berliner vor, daran etwas zu ändern.

Das Berliner Start-up „GoVolunteer“ hat verschiedene Hautfarben-Buntstifte entworfen, damit Kinder beim Malen Vielfalt besser darstellen können. Foto: shutterstock/Pusteflower9024

Nun steht er in Flip-Flops und kurzer Hosein seinem Büro. Das „Machwerk“ im ehemaligen Münzprägewerk in Berlin-Mitte bietet gemeinnützigen Initiativen kostengünstigen Arbeitsraum, Tischkicker inklusive. Der Co-Working-Space ist eines der Projekte von Malte Bedürftigs Start-up „GoVolunteer“. Das organisierte zunächst ehrenamtliche Arbeit und vertreibt nun auch Bunt- und Wachsmalstifte zum Ausmalen von Hautpartien in Kinderbildern. Ganz bewusst gibt es nun mehr als „schweinerosa“ – wie der Gründer die Farbe nennt.

Mit Freunden hat er recherchiert, ob es möglich sei, eine Serie mit verschiedenen Hautfarben-Buntstiften herzustellen. Eine Freundin entwarf das Design, mit einem großen Stiftehersteller entstand das Set. Das bietet nun zwölf Farben, neben braun und gelb gibt es auch ein Weiß zum Mischen und ein Rot für die Wangen. 2017 begann „GoVolunteer“ die Stifte über die eigenen Social-Media-Kanäle zu vermarkten – mit Erfolg.

Es geht ihm nicht um Profit

Inzwischen seien 35.000 Stifte-Packungen an Interessenten verkauft, berichtet Bedürftig. Eltern bestellten sie besonders gern, auch Kitas und Schulen zeigten Interesse. Politiker, Sportler und Künstler zählten zu den Botschaftern von „GoVolunteer“ – darunter auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.

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Das Team hat nun elf feste Mitarbeiter und 35 Ehrenamtliche, die über Crowdfunding und Förderungen bezahlt werden. Das Start-up wolle kein Geld verdienen, sagt der Gründer. Die Erlöse durch den Stifteverkauf flössen in gemeinnützige Integrationsprojekte. Soziales Engagement liege bei ihm in der Familie. „Meine Eltern sind beide Lehrer. Und sie sind bewusst an die Hauptschule gegangen.“ Er selbst half in der Flüchtlingskrise in einer Unterkunft. Das brachte ihn auf die Idee der digitalen Plattform für Ehrenamtliche.

Wie nötig beim Thema Vielfalt wohl auch das Stifte-Set ist, zeigt sich an Reaktionen. Manchmal werde das Entwickler-Team bedroht, regelmäßig gebe es Hasskommentare im Netz, sagt der Gründer. Trotzdem machten sie weiter. Denn es gebe auch viel Zuspruch. Im Zuge der Proteste von „Black Lives Matter“ stieg das Interesse weiter. Neue Sponsoren seien aber nötig, sagt Bedürftig. Denn er will die Stifte auch kostenlos an Schulen oder Kitas abgeben.

Vielfalt realistisch abbilden

Nach Ansicht des Berliner Kinderschutzbundes sind Hautfarbenstifte wichtig, um Vielfalt realistisch abzubilden. „Genauso wie über Sprache teilen wir Kindern auch über Spiel- und Lernmaterialien mit, wer in unserer Gesellschaft als zugehörig und wer als nicht zugehörig definiert wird“, sagt Sozialarbeiterin Cynthia Amosse. Glücklicherweise gebe es mittlerweile auch Puppen und Spielfiguren mit unterschiedlichen Hauttönen. Beim Thema Malen halte sich der rosafarbene Stift jedoch noch hartnäckig. „Hier sind Selbstreflexion und Aufklärung dringend nötig“, ergänzt Amosse.

Beim Thema Diskriminierung sei es aber nicht allein wichtig, Kinder zu sensibilisieren – sondern auch die Erwachsenen. „Schließlich kommen Kinder ganz unvoreingenommen auf die Welt“, sagt Stephan Knorre, Sprecher des Kinderschutzbundes. Ausgrenzung lernen sie von Erwachsenen. Erwachsene sind Vorbilder, deren Handeln, Denken und Sprechen Kinder beeinflusst. Auch Malte Bedürftig findet es wichtig, dass Erwachsene mehr auf ihre Sprache achten. Was grenzt aus? Für ihn fängt es mit dem Wort „Hautfarbe“ schon an. Lukas Dubro, dpa

Rassismus ist ein Alltagsphänomen – auch in der Schule. Dort betrifft er Lehrer und Schüler mit Migrationshintergrund gleichermaßen

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4 Kommentare
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Georg
3 Jahre zuvor

„Neue Sponsoren seien aber nötig, sagt Bedürftig.“

Das Highlight des Artikels.

Und jetzt ernsthaft: Warum? Jedes umfangreiche Malset enthält diese Farbtöne, noch dazu andere Farben, um den Figuren auch Kleidung zu malen. Andernfalls wären sie nackt und das könnte als Sexismus ausgelegt werden.

Palim
3 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Jedes normale Buntstiftset, z.B. in fertig gefüllten Federtaschen, enthält eher orange, rosa, pink und lila als Hautfarbe. Die muss man in der Regel zusätzlich kaufen und IMMER fragen die Kinder untereinander danach, weil nur wenige einen solchen Stift besitzen.

Wo kann man die Buntstifte kaufen?

Lisa
3 Jahre zuvor

Das ist doch nicht neu. Die gibt es schon von namhaften Herstellern in guter Qualität:
„Staedtler Noris Club Menschen der Welt – Farbe sortiert (12 Stück)“, Set mit 12 Hautfarben-Varianten, Kartonetui.
Und als Filzstifte gibt es mindestens die „Copic Ciao 6er Set Hautfarben“.

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lisa

Danke für den Hinweis. Die Staedler-Stifte sind nicht nur deutlich günstiger als die aus dem Artikel, außerdem bei amazon schon seit 2015 und damit länger verfügbar. Über die Qualität kann ich nichts sagen, Staedler hat aber den Ruf einer sehr guten Qualität. Die ersten beiden Punkte machen das Startup mehr oder weniger überflüssig.