KOBLENZ. Die coronabedingten Schulschließungen haben der viel beschworenen Erziehungspartnerschaft von Schule und Elternhaus eine neue Bedeutung eingebracht. Viele Eltern haben im Homeschooling zwangsläufig eine wesentlich aktivere Rolle im Lernprozess ihrer Kinder übernommen. Die Universität Koblenz-Landau hat sie nach ihren Erfahrungen befragt.
Die Corona-Pandemie hat an vielen Stellen das Verhältnis von Lehrern und Eltern auf eine neue Grundlage gestellt. Viele Eltern haben seit den bundesweiten Schulschließungen zwangsweise einen besseren Begriff davon, was unterrichten bedeutet. Doch auch die meisten Lehrer haben sich der neuen Herausforderung gestellt, den Unterricht angepasst an die neue Situation zu konzipieren. Wie das Unterrichten zu Hause aus Sicht der Eltern funktioniert haben Wissenschaftlerder Universität Koblenz-Landau untersucht. Ein Viertel der befragten Eltern sehen ihre Beziehung zu ihrem Kind durch das Homeschooling als belastet an, so ein zentrales Ergebnis.
Der Fokus der HOMEschooling 2020-Studie lag neben den täglichen Herausforderungen und dem Gelingen des Unterrichtens zu Hause auf der Unterrichtsqualität. „Wir wollten wissen, ob und wie im Zuge des Homeschoolings guter Unterricht gewährleistet werden kann und fragten unter anderem nach der Qualität der Aufgaben, der Häufigkeit und Strukturiertheit der Aufgabenübermittlung oder dem Feedbackverhalten der Lehrkräfte“, so die Koblenzer Bildungsforscherin Anja Wildemann, mit Ingmar Hosenfeld vom Zentrum für empirische pädagogische Forschung (zepf) Leiterin der Studie.
Die Mehrheit der Eltern wünscht sich laut Studienergebnis mehr Rückmeldungen durch die Lehrkräfte. Rund die Hälfte erkannte keinen regelmäßigen Rhythmus in der Aufgabenübermittlung durch die Lehrer; auch nahmen sie die Lernaufträge als wenig abwechslungsreich wahr. Positiv empfanden die Eltern mehrheitlich die Klarheit der Aufgabenstellung, die es den Kindern ermöglichte, die Aufgaben selbstständig zu bearbeiten.
Mehr als nur Kuchenbacken: Was einen guten Elternvertreter ausmacht
Insgesamt hat der zeitliche Umfang der Lernbetreuung durch die Eltern deutlich zugenommen. Gaben knapp die Hälfte der Eltern an, vor Corona maximal 30 Minuten mit den Schulaufgaben des Kindes verbracht zu haben, waren es beim Homeschooling bei 24 Prozent bis zu einer Stunde, bei 26,7 Prozent bis zu zwei Stunden und 25 Prozent investierten bis zu drei Stunden täglich. Mit über 80 Prozent waren mit deutlicher Mehrheit Mütter für das Homeschooling zuständig.
Im Hinblick auf die Lernmotivation der Kinder und Jugendlichen ergab sich ein fast ausgewogenes Bild: Mit 48,5 Prozent waren laut Einschätzung der Eltern etwas weniger als die Hälfte sehr oder ziemlich motiviert, bei etwas mehr als der Hälfte (51,1 Prozent) fehlte es an Motivation.
Schülerrat: Lehrer und Schüler brauchen direkten Kontakt – keine Videokonferenzen
Im Vergleich zum normalen Schulalltag waren besonders die Interaktionen in den Lerngruppen eingeschränkt. Knapp 60 Prozent der Eltern geben an, dass sich ihre Kinder nicht mit Mitschülern austauschten. Einen mehrmaligen Austausch pro Tag gaben 9,7 Prozent der Eltern an, 14,1 Prozent benannten einen Austausch mehrmals pro Woche. Lernunterstützung der Kinder durch die Lehrkräfte sahen fast 75 Prozent der Eltern besonders durch E-Mail-Kontakt geleistet. Außerdem wurden Materialien zum Download (54,5 Prozent), Internetseiten (41,6 Prozent), Youtube-Videos (28,9 Prozent) und eigene Videos (15,4 Prozent) zur Verfügung gestellt.
„Auf Grundlage der Studie sehen wir zwei zentrale Entwicklungsbereiche für weiteres Homeschooling oder einen Wechsel aus Präsenz- und Distanzunterricht“, so Ingmar Hosenfeld, „die Strukturiertheit der Lehr-Lern-Angebote und das Feedback“. Die Forschenden empfehlen, die Aufgaben in Form von Wochenplänen in einem festen Rhythmus zu übermitteln. Das könne einen wichtigen Beitrag leisten zum selbstregulierten Lernen sowie zur Orientierung der Schüler und durch die bessere Planbarkeit auch zur Entlastung der Eltern. Außerdem sollte es seitens der Lehrkräfte eine enge Verzahnung von Aufgabenübermittlung und individuellem Feedback geben, damit jede Schülerin und jeder Schüler den eigenen Wissensstand und Lernbedarf kennt und angemessen weiterentwickeln kann.
Einen weiteren wichtigen Faktor für gelingenden Unterricht zu Hause sehen die Forscher in der Lernmotivation. „Ein Großteil der teilnehmenden Eltern hat ihre Kinder durch soziale und kommunikative Zugewandtheit zum Lernen motiviert. Das ist ein guter Weg“, unterstreicht Wildemann. Darüber hinaus spiele Partizipation eine große Rolle. „Wenn Eltern und Kinder gemeinsam die Lernwoche planen, agieren sie partnerschaftlich. Das erhöht bei den Kindern in der Regel die Akzeptanz und Motivation“, erklärt Hosenfeld. Einen wichtigen Rat haben beide für Eltern: Sich selbst nicht so stark unter Druck setzen, denn Eltern sind in erster Linie genau das: Eltern und eben keine Lehrkräfte.
An der Studie teilnehmen konnten alle in Deutschland wohnhaften Eltern, deren Kinder allgemeinbildende Schulen besuchen. Zwischen Anfang April und Anfang Mai 2020 haben 4.230 Eltern an der Befragung teilgenommen, davon größtenteils Mütter. Von den Kindern und Jugendlichen besuchen 43,1 Prozent eine Grundschule und 52,6 Prozent eine weiterführende Schule, davon 64,9 Prozent ein Gymnasium. (zab, pm)
Die Studie finde ich gut und zeigt mit Blick auf die Praxis, was gut läuft und an was man sich – sollte wieder die Situation entstehen – orientieren kann.
Grenzen sehe ich bei der individuellen Betreuung in der Ferne. Wir an der Grundschule korrigieren normalerweise jede Hausaufgabe und fast jede Schularbeit der Kinder mehr oder weniger intensiv je nach Aufgabenstellung. Schon das ist mit normalem Unterricht zeitlich grenzwertig.
Wenn man jedes Produkt der Schüler über den digitalen Weg korrigiert, dauert das zeitlich so lang, dass man das nicht schafft. Es kommt dazu, dass man die Arbeiten entweder digital bearbeitet oder händisch, einscannt und wieder schickt. Dazu muss man das Ganze vorher ausdrucken. Mann kann auch einen Kommentar über Mail schicken. Auch das dauert länger, denn im Unterricht hätte man vieles davon dem Kind mündlich gesagt.
Ein Mittelweg wäre – so wie viele das getan haben – eine Lösung zur Selbstkontrolle zur Verfügung zu stellen und stichpunktartig Arbeiten einzufordern. Aufgaben, wo es keine festgelegte Lösung gibt, müssen selbstverständlich der Lehrkraft zugänglich gemacht werden.
Diesen Tippfehler muss ich verbessern: Natürlich „man“
Auch hier noch einmal.
Realistisch die Bedingungen der Lehrer einschätzen und etwas rechnen hilft.
Zitat: „Die Mehrheit der Eltern wünscht sich laut Studienergebnis mehr Rückmeldungen durch die Lehrkräfte.“
Das kann vll. eine Lehrkraft leisten, die nur 30 Schüler hat, wobei auch das bei etlichen Fächern eher schwierig sein dürfte. Eine Lehrkraft einer weiterführenden Schule hat aber ziwschen 200 und 300 Schüler! Jetzt kann sich jeder selbst ausrechnen, was es bedeutet, wenn der Lehrer dort sich nur 10 Minuten für jeden Schüler Zeit nimmt, dann ist das Stundenkontingent nämlich aufgebraucht, und zu dieser Zeit hat der Lehrer noch keine neuen Aufgaben erstellt, noch keine Notbetreuung abgehalten, noch nicht die Präsenzschüler unterrichtet.
Das ganze Konstrukt in unserem Schulsystem funktioniert nur, weil der Lehrer die Möglichkeit hat, zu 30 Schülern gleichzeitig zu sprechen und mit ihnen gleichzeitig zu arbeiten. Zeit hat er dann nur noch um auf wenige massive Problemfälle einzugehen. Das System funktioniert nicht mehr, wenn der Lehrer plötzlich 300 Schüler individuell betreuen soll, egal übrigens wie engagiert ein Lehrer ist. Einfachste Mathematik reicht hierfür, wenn man es denn verstehen möchte.
Eltern sehen halt nie das ganze System. Sie sehen nur ihr Kind und was das an Lehrerzeit abbekommt.
Mit Recht tun sie das, denn die vorgeschriebenen Klassenstärken für die Kinder von heute sind viel zu groß.
Beschreiben Sie doch besser mal die Vorteile des „ganzen Systems“, anstatt sie zu suggerieren.
Nur was nützen Klassenstärke zwischen 12 bis 16 Schüler*innen, wenn nur jede dritte Gruppe vollumfänglich mit Lehrerstunden besetzt werden kann?
Ist wie bei der Müllabfuhr, wenn Sie die Abfuhrbezike verkleinern und nicht mehr Fahrzeuge und personal einsetzen, wird die Müllmenge auch nicht weniger.
Insofern ist die Forderung nach zusätzlichen Räumen, die von vielen eingefordet wird, der richtige Weg. Es müssen eben nur die richtigen Räumlichkeiten sein. Ich denke da an die westfalenhallen in DO oder die Lanxess-Arena in K. Überall stehen derzeit ungenutzte Messehallen, Schützenhallen, Eventlocation leer und ungenutzt herum. Abstand halten und Unterrichten mit einem Minimum an Lehrkräften – alle Probleme gelöst.
Videobegleitung, chatunterstützter Unterricht, Schülereigenkorrektur mit lehrererstelltem Material, Lernportfolio, gegenseitige Korrektur von in Kollaboration erstellten Dokumenten etc. – es gibt auch an weiterführenden Schulen Möglichkeiten, im Fernunterricht Feedback zu geben. Sicher nicht so bequem wie im Präsenzunterricht, aber es geht. Zudem dürfte es auch vor Ort ein Ding der Unmöglichkeit sein, in 45 Minuten jedem der vielleicht 30 SuS eine hinreichende Korrektur zuteil werden zu lassen. Auch hier ist methodische Vielfalt gefragt.
Schön, das Sie offensichtlich der Meinung sind, dass alles geht, wenn man nur entsprechend will.
Videobegleitung und chatgestützter Unterricht funktioniert nur leider nur auf rein freiwilliger Basis sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern. Der Lehrer begeht dabei u.U. einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Ich selbst habe Unterricht per Videokonferenz gemacht, Kollegen auch, und in der Regel war ca. 1/3 bis 2/3 der Schüler nur anwesend. Die Akzeptanz sank übrigens mit steigendem Alter.
Aber was sicherlich hilft ist einfach irgendeinen Universalbegriff wie „methodische Vielfalt“ in den Raum zu werfen, das ist natürlich immer die Lösung für alles.
Zuerst schreiben Sie übrigens, dass es auch im Klassenverband nicht möglich sei, dann aber auf einmal doch durch methodische Vielfalt.
Sie haben doch meine Rechnung oben gesehen. Nennen sie mir eine einzige Methode, die es ermöglicht, im Fernunterricht per Email, jedem Schüler ein Feedback zu geben, wenn ich nicht mehr als 5 Minuten für den Schüler opfern kann (inklusive durchsicht der Rückmeldungen). Sie werden keine Methode finden, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen funktioniert!
Warum habe ich zu spät von dieser Studie erfahren? Ich hätte gerne mitgemacht. Bei uns hat Homeschooling sehr gut geklappt. Mein Kind hat viel mehr gelernt, als in der Schule. Vom Stoff her für mich kein Problem. Mein Kind mochte es lieber, als zur Schule gehen. Wir überlegen auszuwandern, damit wir immer Homeschooling machen können.
Sogar die Kleinen wollten mitlernen. Es war für uns eine schöne Zeit.
Ihr Kommentar freut mich, Lisa, denn ich bin schon lange Anhängerin des Homeschoolings. Leider wird es seit Jahren und Jahrzehnten schlechtgeredet durch beliebte Meldungen über schlimme Sekten, die vor allem auf Homeschooling drängten, um ihre Kinder vor „bösen“ weltlichen Einflüssen zu schützen und sie in ihrem angeblich einzig wahren Glauben zu erziehen.
Dieses verbreitete Sekten-Bild von Homeschooling bestimmt bis heute seinen schlechten Ruf.
Wenn ich noch jung wäre, würde ich möglicher Weise ebenfalls über Auswanderung nachdenken, u. a. wegen der Erlaubnis von Homeschooling in vielen anderen Ländern.
Nur oder besonders in Deutschland herrscht eine Staatsgläubigkeit, auch in der Erziehung, die ich in manchen Bereichen nicht mehr nachvollziehen kann.
Wir haben auch profitiert. Eines unserer Kinder hat Legasthenie. Für ihn war Schule immer furchtbar. Er bekam endlich die Zeit die er brauchte und geht jetzt mit dem Schulstoff viel selbstbewusster um. In der Schule bekam er in der Vergangenheit leider kaum Unterstützung. Wir hoffen, dass die Zeit ihn nachhaltig stärkt.
Unterstützung in der Schule ist auch immer auf das Nötigste beschränkt und auf die breite Maße an Schülern ausgerichtet. Wenn man irgendwie die Möglichkeit hat, seine Kinder selbst durch Kurse o.ä. individuell zu fördern, sollte man dies auch immer machen!
Der Grund ist allerdings nicht, dass Lehrer dies nicht möchten, sondern dass es zeitlich einfach leider nicht möglich ist. Viele meiner Kollegen wachsen diesbezüglich jahrelang über sich hinaus, bis irgendwann der Burnout ruft.
es war gar nicht gut weil wir nichts gelernt haben 🙁
Schon blöd, dass man nur für sich selber lernen kann.
Wenn Lehrkräfte denn Lernbegleiter sein sollen, dann ist es unerheblich, ob die lernbegleitung analog oder digital erfolgt. Für die Lernatmoshäre in den heimischen Vier-Wänden hat der Lernbegleiter keine Zuständigkeit. Anregende Problemstellungen lassen sich auch digital an den Mann/die Frau bringen. Was beim Lernen auf Distanz verloren geht oder sich aufwendiger gestaltet, sind Methoden, die einen direkten Austausch zwischen den SuS ermöglichen sollen. Aber auch im „home-office“ haben die SuS ja die Möglichkeit sich unter einander auszutauschen. Aber die Möglichkeit sich über Unterrichtsinhalte via Chat auszutauschen erscheint den meisten SuS denn doch als zu schräg bzw. ein no-go zu sein.