KAISERSLAUTERN. Mehr Endgeräte und Breitbandanschlüsse sind nicht alles, sagt der Leiter des Fraunhofer-Instituts IESE in Kaiserslautern und frühere Präsident der Gesellschaft für Informatik, Prof. Peter Liggesmeyer. Die Corona-Zeit biete allerdings eine große Chance, um die darüber hinaus notwendigen Konzepte zu entwickeln. Medienkompetenz sollte ihm zufolge früh vermittelt werden – schon ab dem Kindergarten.
Die Diskussion über digitale Bildung sollte nach Ansicht des Informatikers Peter Liggesmeyer den Fokus auf die Entwicklung sinnvoller Lehrkonzepte legen. «Allein mehr Endgeräte und Bandbreite reichen nicht aus», sagte der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern. «Für eine sinnvolle digitale Bildung fehlt noch ein stimmiges Konzept.»
Bildungssystem ist wie ein Supertanker – schwer umzusteuern
Allerdings sei das Bildungssystem in Deutschland wie ein Supertanker, der nur schwer auf einen neuen Kurs zu bringen sei, sagte der Professor am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern. «Das ist ein dickes Brett, das wir da bohren.» Und es sei viel einfacher, Endgeräte und Breitbandanschlüsse zu fördern als die Entwicklung digitaler Inhalte und Konzepte, fügte Liggesmeyer mit Blick auf den Digitalpakt des Bundes mit den Ländern hinzu.
Digitalisierung in der Bildung sei kein Selbstzweck, betonte der Wissenschaftler im Gespräch. Dies gelte ja auch für andere Bereiche wie die Produktion. «Daher müssen wir in der Bildung intensiv darüber nachdenken, wie Digitalisierung gestaltet werden soll, damit sie auch einen Nutzen bringt.» Als Beispiel nannte Liggesmeyer Blended-Learning-Konzepte, die analoge und digitale Instrumente miteinander verschränken. So könnte etwa im Biologie-Unterricht analog vermittelt werden, wie ein Herbarium angelegt wird. Digitale Mittel sollten dort hinzukommen, wo dies gut funktioniere.
Für eine enge Verbindung der Möglichkeiten plädiert auch eine Handreichung des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz zum onlinegestützten Unterricht. «Versuchen Sie nicht, den Präsenzunterricht virtuell abzubilden», lautet eine zentrale Empfehlung. Schülerinnen und Schüler sollten nicht mit interaktivem Übungsmaterial erschlagen werden. «Zentral ist aber, dass die Schülerinnen und Schüler selbst etwas machen.»
Als Professor selbst komplett auf digitale Lehre zurückgeworfen
Als Professor ist Liggesmeyer in diesem Semester ganz auf die digitale Lehre zurückgeworfen. «Wir nutzen dies, um Erfahrungen zu sammeln und zu bewerten, was gut und was weniger gut funktioniert hat.» Für die akademische wie für die schulische Bildung erwarte er, «dass wir nicht wieder zu dem Status der Vor-Corona-Zeit zurückkehren werden, sondern dass wir eine Mischung aus klassischer und digitaler Lehre haben werden.» So werde er die Vorlesungszeit mehr für Fallstudien, Fragen und Diskussionen nutzen, während Lehrinhalte auch digital oder im Video zur Verfügung gestellt werden können.
«Die Corona-Zeit bietet uns die große Chance, vorwärts zu gehen und eine seit vielen Jahren geführte Diskussion zu Ende zu führen, endlich Nägel mit Köpfen zu machen», sagte der Institutsleiter. Nötig seien zwei verschiedene Ansätze: «Zum einen sollten wir auf der Grundlage sinnvoller Lehrkonzepte gezielt die digitale Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten verstärken. Zum anderen sollte die Bildung über Digitalthemen von Anfang an vorgesehen werden, wenn möglich ab dem Kindergarten.»
Das Wissen über Digitales sollte zu einem ähnlichen Schulfach gemacht werden wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Als Kulturtechnik müsse der Umgang mit digitalen Inhalten von klein auf erlernt werden. «Das bedeutet nicht, dass alle Informatiker werden sollen. Es wird ja auch nicht jeder Schriftsteller, der schreiben kann.»
Die vergangenen Monate hätten deutlich gemacht, dass ein Digitalisieren analoger Lerninhalte noch nicht zu überzeugenden Ergebnissen führe. «Ebenso haben wir auch engagierte Lehrer, die ein vernünftiges digitales Lernkonzept entwickelt haben», sagte er.
An der Entwicklung digitaler Lehrkonzepte sollten alle Beteiligten mitwirken, das könne schwer von oben herab verordnet werden, sagte Liggesmeyer. «Aber das müsste von oben anders als bisher unterstützt werden.» dpa
Digitalisierung der Schulen ist wichtig ja.
Aber trotzdem immer auf dem Boden bleiben. Ich sehen Schulen bei denen Sachen angeschafft werden – frei von Sinn und Versand.
Habe manchmal den Eindruck, hauptsache es sieht am Tag der offenen Tür toll für die Eltern aus, was da so alles in den Klassenzimmern hängt.
Bitte vorher immer genau überlegen, welchen Mehrwert hat die Lösung – für Lehrer und vor allem für den Lernzuwachs der Schüler !!!
Es mag toll sein mit einer Virtual Reality Brille in Geschichte durch das 3. Reich zu laufen. Aber bei einer Brille kann das halt immer nur ein Schüler pro Klasse…
Super Lösung – hier auch schon öfters gelesen – eine Tablet / Beamer Lösung hat alles was man braucht.
„Die Schulen“ schaffen allerdings gar nichts an.
In der Regel liegt die Entscheidung bei Schulträgern, also der Verwaltung der Kommune, bei Menschen, die mit den angeschafften Geräten nie arbeiten werden und in der Regel nie im Unterricht sind.
Manchmal wird an den Schulen nach Wünschen gefragt oder es findet ein Austausch statt, manchmal beißt man aber auch auf Granit mit der Darstellung nützlicher Anschaffungen.
Im übrigen finde ich es richtig, der Medienkompetenz Zeit einzuräumen, statt zu erwarten, dass alles nebenher und zusätzlich zu allen anderen Inhalten vermittelt wird.
Wenn dies grundlegend erfolgt, kann man es in anderen Fächern nutzen, wie beim Lesen, Schreiben und Rechnen auch.
Seit jeher wird verkannt, dass das Fach Informatik prädestiniert dafür ist, die Medienkompetenz zu fördern und zu vermitteln – eigentlich ein Schlüsselfach des Jahrhunderts und sehr wichtig für den Wirtschaftserfolg dieser Nation. Als bestes Beispiel sei hier der Umbruch in der Automobil und Energieindustrie zu nennen. Seit jeher ist Informatik aber auch nur im Wahlpflichtbereich zu finden.
Finde den Fehler.
Zitat:
„Als Beispiel nannte Liggesmeyer Blended-Learning-Konzepte, die analoge und digitale Instrumente miteinander verschränken. So könnte etwa im Biologie-Unterricht analog vermittelt werden, wie ein Herbarium angelegt wird. Digitale Mittel sollten dort hinzukommen, wo dies gut funktioniere.“
Worthülsen, wie von fast allen, die sich dazu äußern – nix konkretes, keine Beispiele, welche digitalen Mittel sollten dazukommen?
Wer entwickelt denn die Blendet-Learning-Konzepte, die adaptive Lernsoftware? Sollen das LehrerInnen machen? Leute, die so etwas können (die Entwicklung solcher Software) werden in der Wirtschaft hoch bezahlt. Warum sollte jemand also eine solche Software – vielleicht noch für ein Klatschen vom Balkon – für die Schulen entwickeln?
Wo sind denn zum Beispiel die digitalen Konzepte der Didaktik-Lehrstühle an den Unis? Wo sind die Entwicklungen in diese Richtung von den Unis?
Leerstühle – finde den Fehler.
Zitat:
„So werde er die Vorlesungszeit mehr für Fallstudien, Fragen und Diskussionen nutzen, während Lehrinhalte auch digital oder im Video zur Verfügung gestellt werden können.“
Ist das schon Digitalisierung, wenn analoge Medien digital zur Verfügung gestellt werden?
Da hätte ich von einem Star-Informatiker aber mehr erwartet. So machen es nämlich viele.
@News4Teachers Autoren:
Was macht einen Informatiker zu einem „Star-Informatiker“?
Herausgehobene Funktionen wie die Leitung eines Fraunhofer-Instituts und die (ehemalige) Präsidentschaft der mit 20.000 Mitgliedern größten Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum. Herzliche Grüße Die Redaktion
Denkt bei all der Digitalisierung auch noch jemand an die reale Welt? Zum Beispiel im Biologieunterricht? Ich würde mir Schnecken oder Insekten ja lieber in echt anschauen als virtuell auf einem Tablet.
Vor allem junge Schüler müssen die Welt erstmal mit allen Sinnen be-greifen. Vom Wischen über ein Tablet lernen sie nichts.
Analoge Lernmittel mögen umständlichet erscheinen, aber sie sind real. Man kann sie mit allen Sinnen wahrnehmen.
Vergessen wir nicht, dass diejenigen, die heute über Digitalisierung entscheiden, mit analogen Lernmitteln groß geworden sind. Ihre Gehirne hatten ganz andere Möglichkeiten, sich zu entwickeln, weil sie noch „umständlich“ mit Papier und Stift hantieren mussten. Aber dieses Umständliche bleibt im Gehirn viel besser hängen. Such beim Reifen einer Frucht gibt es keine Abkürzung und keinen Schleichweg.
Was Medienkompetenz angeht, stelle ich immer wieder fest, dass das Problem nicht darin besteht, irgendwelche Knöpfe nicht drücken zu können. Es hapert an der Fähigkeit, sinnerfassend zu lesen, aus einem Überangebot an Informationen die richtigen auszuwählen, weil Wissensgrundlagen fehlen etc.