Philologen: Schulträger können Gesundheitsschutz nicht gewährleisten

14

HANNOVER. In einer Woche enden die Sommerferien in Niedersachsen, und es kommt zum Test: Wie gut sind die Schulen auf einen Regelbetrieb unter Corona-Bedingungen vorbereitet? Der Philologenverband stellt für die Vorbereitung ein schlechtes Zeugnis aus. Von einer sicheren Rückkehr zum Normalbetrieb könne unter den derzeitigen Umständen keine Rede sein, heißt es. Der Verband fordert einen Kristenstab unter Einbeziehung von Lehrern, Eltern und Schülern.

Reichen die Vorbereitungen aus, um den Gesundheitsschutz an Schulen zu gewährleisten? Lehrer sind skeptisch. Foto: Shutterstock

Das niedersächsische Kultusministerium geht für den Unterricht ab kommendem Donnerstag (27. August) von einem «eingeschränkten Regelbetrieb» aus. Es wird in voller Klassenstärke unterrichtet; es gilt kein Mindestabstand, dafür gibt es feste Lerngruppen; für Hygiene muss gesorgt sein.

Kurz vor dem Schulstart stelle sich die Frage, ob die Vorbereitungen für einen „eingeschränkten Regelbetrieb“ unter Corona-Bedingungen ausreichend seien „oder ob wir uns auf weitergehende Einschränkungen einstellen müssen“, fragt nun der Philologenverband. – und antwortet selbst: Von einer sicheren Rückkehr zu einem „normalen“ Schulbetrieb könne unter den gegebenen Umständen kurz vor dem Schulstart weiterhin keine Rede sein. Stark steigende Infektionszahlen in den Bundesländern und die Aussetzung von Lockerungen in Niedersachsen nährten Befürchtungen bei Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften, dass die Hygieneauflagen verschärft werden müssen.

„Wir fordern bestmöglichen Gesundheitsschutz für Schüler und Lehrer“

„Wir fordern den bestmöglichen Gesundheitsschutz für Schülerinnen und Schüler wie für Lehrkräfte, der mit dem Präsenzunterricht vereinbar ist. Es muss unser gemeinsames höchstes Ziel sein, die Gesundheit eines jeden Einzelnen zu schützen. Hygieneschutzmaßnahmen, die allgemein gelten, müssen erst recht in der Schule gelten”, betont der Verbandsvorsitzende Horst Audritz.

Bereits im Juni habe sich sein Verband nach ersten Erfahrungen mit den Schulöffnungen mit einem Schreiben an die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersach-sens gewandt – und von den Schulträgern die unverzügliche Beseitigung eklatanter Hygienemängel in den Schulen gefordert. Es sei deutlich geworden, dass viele Schulen die erforderlichen behördlichen Vorgaben zum Gesundheitsschutz nicht umsetzen konnten. „Erforderliche schulische Anlagen sind teilweise gar nicht oder nur höchst eingeschränkt nutzbar, sofern sie überhaupt vorhanden sind“, so Audritz. Vor allem müssten vor Ort Lösungen für die Einhaltung wirklich schützender Hygiene- und Abstandsregeln im Unterricht und außerhalb des Unterrichts umgesetzt werden. Besondere Probleme stellten dabei die ausreichende Belüftung der Unterrichtsräume wie die öffentliche Schülerbeförderung dar.

Dass die kommunalen Spitzenverbände bis heute nicht reagiert hätten, sei nicht nachvollziehbar. „Sofern die Schulträger hier nicht das umsetzen können, was erforderlich ist, ist das Land in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen“, stellt Audritz fest. „Uns fehlen bisher nicht nur die Transparenz zum Stand der Schutzmaßnahmen, sondern ebenso gezielte Kontrollmechanismen seitens des Ministeriums, ob erlassene Vorgaben auch erfüllt werden.“

Einen weiteren Lockdown an den Schulen gilt es zu verhindern

Die Probleme der Corona-Krise lösten sich nicht von selbst. Es sei notwendig, dass sie mit allen Betroffenen angegangen werden. „Wir fordern daher für die Zeit der Pandemie einen ständigen Krisenstab bzw. ein ständiges Expertengremium unter Beteiligung von Eltern- und Schülervertretung und Lehrervertretung, das fortlaufend über neue Erkenntnisse informiert und zur Beratung bei Entscheidungen herangezogen wird“, so Audritz. „Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen sind gefragt, wenn ein weiterer Lockdown an den Schulen verhindert werden soll.“

Eine der zu diskutierenden Fragen: Maske im Unterricht oder nur auf den Schulfluren? In Nordrhein-Westfalen müssen Schülerinnen und Schüler selbst im Unterricht Mund und Nase bedecken. Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sieht das anders. «Es gibt nach meiner festen Überzeugung sehr seriöse Argumente gegen die Maske im Klassenzimmer», sagt er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». An vielen Stellen sei man in der Schule darauf angewiesen, Mimik zu sehen.

«Nonverbale Kommunikation ist sehr wichtig in der Schule. Wie das mit Maske sinnvoll gehen soll, weiß ich nicht», argumentierte Tonne. «Bei sommerlichen Temperaturen fünf, sechs oder mehr Stunden mit Maske in einem Klassenraum zu sitzen und sich dabei auf den Unterricht zu konzentrieren ist – um das mal vorsichtig auszudrücken – eine große Herausforderung.» Er glaube, dass das Lernen mit Maske «schwierig bis unmöglich» sei. Unterricht mit Mund-Nasen-Schutz könne allenfalls eine «kurzfristige Notlösung» sein.

Schließung von Schulen ist als Option nicht vom Tisch

Die oppositionellen Grünen im Landtag sprachen von mangelnder Vorbereitung. Wenn der Kultusminister Masken im Unterricht verhindern wolle, müsse er Vorkehrungen für einen besseren Infektionsschutz an Schulen treffen, sagte Fraktionschefin Julia Willie Hamburg.

Schon vor den Sommerferien hatte das Kultusministerium neben dem Regelbetrieb auch zwei andere Szenarien durchdacht. Eins sieht vor, bei einem Anstieg der Infektionen wieder zu einer Mischung aus Unterricht in der Schule und zu Hause zurückzukehren. Die strengste Variante: Schließung von Schulen und Quarantäne. Minister Tonne hat sich während der Ferien mehrfach besorgt über die Zunahme von Covid-19-Fällen geäußert. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Unterschätzen Kultusminister die Gefahr durch Aerosole? Warum spätestens im Herbst viele Corona-Infektionen in Schulen drohen 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

14 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Depe
3 Jahre zuvor

Argumente gegen Maske und Abstand im Unterricht sind immer pädagogisch, Argumente dafür wären medizinisch. Ich meine, dass es da zur Zeit wegen der nicht vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten einer Akutinfektion und den möglichen Spätfolgen auch bei unbemerkten oder milden Verläufen eine klare Präferenz geben sollte. Agieren statt reagieren.

Rennachim
3 Jahre zuvor

Genau! An erster Stelle steht die Gesundheit und nicht die Bildung. Die kann nachgeholt werden, aber Langzeitschäden, die einen Menschen den Rest des Lebens beeinträchtigen sind nicht zu ändern.
Die Kultusminister müssen sich der Problematik endlich stellen. Den Tatsachen ins Auge sehen. Aerosole machen krank, auch in der Schule. Dauerbelüftung im Herbst und Winter unmöglich.
Übrigens können Kinder, auch in der Grundschule eine Maske tragen. Sie sind oftmals disziplinierter als die Erwachsenen. Die Akzeptanz ist auch ein Stück Überzeugungsarbeit der Eltern!
Wenn die Kultusminister Schule ohne Maske wollen, dann sollten Sie endlich entsprechende Belüftungssysteme einkaufen, die die Klassen sicher machen.

Osman
3 Jahre zuvor
Antwortet  Rennachim

Da gibt es eine Lösung, die ist aber leider wohl für die Schulen zu teuer?
https://de.trotec.com/produkte-services/maschinen-highperformance/corona-virus-loesungen/
Ob der Beitrag diesmal freigeschaltet wird? Es ist definitiv keine Schleichwerbung !!!
https://de.trotec.com/anwendungen/luftreinigung-staub-viren/keimfreie-raumluft-in-restaurants-und-kantinen/
Schulleitungen sind in der Mehrzahl technisch vollkommen uninformiert, sonst würden sie solche Lösungen noch vor Schulstart fordern!

Lanayah
3 Jahre zuvor
Antwortet  Osman

Die Lösung ist grundsätzlich nicht zu teuer. Es ist nur mal wieder eine Verteilungsfrage. Und für Beamte, die nicht für vernünftige Arbeitsbedingungen streiken können und Kinder, die noch nicht wählen dürfen wird so viel Geld nicht ausgegeben. Immerhin kosten die Dinger erheblich weniger als Beatmungsgeräte.

abc
3 Jahre zuvor

Empfehlung:
Frau Dr. med. Jördis Frommhold (Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien, Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie, Notfallmedizin an der Median Klinik Heiligendamm) spricht bei Markus Lanz (Sendung vom 19.08.2020) über Langzeitfolgen.
Auch jüngere Menschen sind betroffen, ebenso Personen ohne Vorerkrankungen!

„Auch Personen mit vermeintlich milden Verläufen, die ambulant behandelt wurden und nicht stationär aufgenommen wurden, entwickeln ein „Post-Covid-Sydrom“.“

https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-19-august-2020-100.html

Es ist unverantwortlich SuS und Lehrer*innen diesem Risiko durch Regelbetrieb mit vollen Klassen auszusetzen!

Gerhard Schoettke
3 Jahre zuvor

Ich bin auch der Meinung, dass im Bereich Bildung in den letzten Jahren sehr gespart wurde, vielleicht sollte man von Jahrzehnten reden. Und wer von den Eltern, Schülern und Lehrern würde eine bessere Ausstattung und kleinere Klassen nicht begrüßen. Alles gerne, aber nur mit täglichem Präsenzunterricht. Alles was man jetzt mit einem rollierenden System einführen würde, würde nur im weiteren Verlauf zu Sparmaßnahmen führen. Denn man könnte vielleicht Personal sparen….im Sparen wird jeder Minister kreativ. Was die steigenden Zahlen betrifft, das sind positive Tests, die meisten sind nicht krank, die Hospitalisierungen sinken, die Todeszahlen MIT oder AN Corona steigen nicht. Beobachten wir das doch mal 4 Wochen, ist übrigens in allen europäischen Ländern gleich. In Afrika sind die Todeszahlen erstaunlich nieder, vielleicht auf Grund der jungen Bevölkerung.

Leseratte
3 Jahre zuvor

Auch hier erkranken jetzt vor allem Jüngere. Urlaub in Risikogebieten , Party usw. wird wohl eher nicht in den Risikogruppen stattfinden. Daher geringere Zahl an Toten und Schwererkrankten. Je mehr das Virus aber durch die Jüngeren und die Maskenverweigerer verbreitet wird (neue Erkenntnisse gehen davon aus, dass man bereits 6 Tage vor Symptomen ansteckend ist) , umso größer wird die Gefahr auch wieder für die besonders Gefährdeten. Ist ja logisch. Und zur Schule: Da viele Lehrer über 60 sind, ist auch bei deren Erkrankung vermutlich mit teils schweren Verläufen zu rechnen. https://www.focus.de/gesundheit/news/fehlerhafte-studie-eth-forscher-zeigen-corona-infizierte-sind-schon-5-tage-vor-symptombeginn-ansteckend_id_12328192.html

Leider zeigen auch immer mehr Jüngere Folgeerkrankungen, und das sind keine Einzelfälle.

https://www.businessinsider.de/wissenschaft/gesundheit/das-ist-einfach-beaengstigend-fast-20-prozent-der-jungen-gesunden-coronavirus-patienten-in-den-usa-haben-sich-auch-nach-wochen-nicht-von-covid-19-erholt/

Hf
3 Jahre zuvor

das ein rollierendes System zu Einsparungen führt, ist leider ein Trugschluß. Der Unterricht wird deswegen ja nicht weniger, nur weil die Klassen kleiner werden, sondern er muss doppelt gehalten werden. Und die Arbeiten im Homeschooling müssen ja ach noch begutachtet werden.

Einsparungen gibt es nur dahingehend, dass nicht alle Unterrichseinheiten im Umfang der Stundentafel gegeben werden können. Die Auswrikungen muß aber für jeden Schultyp explizit betrachtet werden. Das kann sich für den ein oder anderen bermerkbar machen.

Mir wäre ein etwas langfristigere aber dafür sinnvolle Herangehensweise lieber. Es wird zwar (auch bei kleineren Klassen) keinen hundertprozentigen Schutz geben, aber man sollte halt das Gefühl haben, ja dass ist die Vorgehensweise mit der wird jetzt 6 Monate unterrichtet. Diese PLan A – Plan B – Plan C -Strategie ermöglichen keine vernünftige Planung, weil man ja immer damit gerechnet werden muß, dass morgen alles wieder ganz anders ist. Anpassungen sollten halt rechtzeitig (nicht zwei Tage vorher) kommen, und man muss ja auch nicht gleich wieder alle Tore öffnen, wenn sich die Lage etwas verbessert. Vielleicht muß man ja dann auch nicht gleich alle Tore wieder schließen, wenn sich die Lage verschlechtert.

mama07
3 Jahre zuvor

Masken schützen bewiesener Maßen nicht effektiv vor einer Verbreitung von Aerosolen in kleineren, geschlossenen Räumen und somit vor einer Infektion.
Da helfen nur kleinere Klassen, sowie effektive und damit teure Belüftungsanlagen!!!

Ron
3 Jahre zuvor

Als Vater in dessen Haushalt 3 Personen einschließlich des Kindes alle zur Risikogruppe gehören und in dem sich im letzten halben Jahr die Lebensumstände hinsichtlich der Vermeidung einer Infektion komplett geändert haben im Bezug auf soziale Kontakte,Lebensregeln usw. bis hin zum Verlust der Arbeit frage ich mich jetzt ob auch nur irgendetwas davon einen Sinn ergeben hat wenn mein Kind jetzt wieder ohne jeden Schutz am Regelunterricht teilnehmen soll. Die Verantwortung in die Hände von wenigen Lehrkräften und einem Haufen junger Heranwachsender zu legen sind fahrlässig und unreflektiert. Die Situation in der Schule ist nicht zumutbar ohne Schutz. Keiner kann Verlangen das Lehrer Verantwortung dafür tragen das sich die Kinder nicht infizieren und die Krankheit mit in die Haushalte bringen. Mal ganz davon abgesehen das die Schulen teilweise in einem Zustand sind in der es finanziell nicht möglich ist überhaupt nur für Seife auf WC’s oder Fenster die sich öffnen lassen zu sorgen. Wenn ich mein Kind einfach wieder so in die Schule lasse setzte ich es damit bewusst einem Risiko für seine Gesundheit aus und erfülle damit einen Straftatbestand. den das Kindeswohl ist in diesem Fall ja gefährdet. Mein 14 Jähriger Sohn selbst hat Angst in die Schule zu gehen da die Kinder sich schon vor der Schließung gegenseitig“aus Spaß“ ins Gesicht gehustet haben. Beide Augen zu verschließen und zu sehen was passiert ist ein Experiment am Lebenden Objekt. Wer übernimmt die Verantwortung wenn es schief geht? Übrigens die Leistungen meines Kindes haben sich im Home Unterricht noch verbessert weil er zum ersten Mal seinen persönlichen Bedürfnissen angepasst unterrichtet werden konnte.

Leseratte
3 Jahre zuvor

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115435/SARS-CoV-2-Asymptomatische-(juengere)-Menschen-verbreiten-Viren-laenger-als-angenommen

Volle Klassen ohne Maske und Abstand gleichen bezüglich Infektionsrisiko einer Wundertüte…

Leseratte
3 Jahre zuvor

„Die dritte neue Erkenntnis aus der Studie ist, dass die Infektion in der Kohorte relativ lange andauerte: Nach 14 Tagen waren erst 29,6 % der präsymptomatischen oder symptomatischen Patienten und 33,7 % der asymptomatischen Personen ohne Virusnachweis im Abstrich. Nach 21 Tagen war der Anteil auf 69,9 % beziehungsweise 75,2 % gestiegen.

Die derzeitige Quarantänedauer von 14 Tagen könnte deshalb (vor allem für jüngere) Infizierte zu kurz sein. Die Studienergebnisse unterstreichen deshalb die Notwendigkeit eines Abschlusstests. © rme/aerzteblatt.de

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115435/SARS-CoV-2-Asymptomatische-(juengere)-Menschen-verbreiten-Viren-laenger-als-angenommen

Und die Gesundheitsämter sind unter Druck, die Quarantäne auf ein Minimum zu verkürzen (der Ärztepräsident Reinhard hat gerade eine Verkürzung auf eine Woche gefordert) und auch so wenig Schüler und Lehrer wie möglich überhaupt in Quarantäne zu schicken.

quidproquo
3 Jahre zuvor

Meine Güte, bei all den Diskussionen wird mir sowas von übel. Hat irgendjemand Ahnung von UV-C Geräten oder Hepa 13/14 Luftfilter. Kein Geld da, Klassenzimmer, Arztpraxen usw. sicherer zu gestalten? Meiner Erfahrung nach mangelt es leider am Wissen und Willen, vernünftige Möglichkeiten zu eruieren. Die Reduzierung der Virenlast ist problemlos möglich und sinnvoll, wenn man etwas Geld und Hirn in die Hand nimmt. Aber das will man scheinbar nicht bzw. denkt nicht nach bevor man handelt. Gute Nacht Deutschlan!

Leseratte
3 Jahre zuvor