Schulöffnungen: Merkel schaltet sich ein – und bestellt Kultusminister zum Rapport

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Aktuell! Nach Treffen von Kultusministern mit Merkel: Jeder Lehrer in Deutschland soll schnell einen Dienst-Laptop bekommen – hier geht es zum Bericht.

BERLIN. Während Millionen Schüler ohne die bisherige Abstandsregel in ihren Klassenräumen sitzen, nimmt sich die Bundeskanzlerin nun persönlich des Themas Schulöffnungen an. Am Nachmittag hat sie sich mit der SPD-Chefin und Bildungspolitikern getroffen. Bekannt ist: Merkel hält große Stücke auf den Rat der Nationalakademie Leopoldina. Die hatte in der vergangenen Woche eine Stellungnahme herausgegeben – und unter anderem auf kleine feste Lerngruppen und eine Maskenpflicht im Unterricht gedrängt. 

Informiert sich „informell“: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: Shutterstock

Die Schwierigkeiten des Schulbetriebs unter Corona-Bedingungen waren am Donnerstag Thema eines Spitzengesprächs im Kanzleramt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und mehrere Kultusminister aus den Ländern kamen am späten Nachmittag zu einem «informellen Austausch» zusammen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert zuvor angekündigt hatte.

Konkrete Beschlüsse seien nicht zu erwarten. Seibert verwies auf die eigene Zuständigkeit der Bundesländer für Schulen und Bildung. Beraten werden sollte Seibert zufolge auch über «digitale Bildungsangebote», «die verlässlich und zeitgemäß Bildung vermitteln können». Das Treffen gehe auf eine Verabredung zwischen Esken und der Bundeskanzlerin zurück.

Die SPD-Chefin schrieb am Donnerstag bei Twitter: «Worum es mir heute beim Treffen mit Kanzlerin und KultusministerInnen geht? Wir haben 2020 und es wird Zeit, dass man das auch im Klassenzimmer merkt.»

Auf absehbare Zeit Mischung aus Präsenzunterricht und digitalem Lernen

Schon jetzt sei klar, «dass der Unterricht auf absehbare Zeit aus einer Mischung von Präsenzunterricht und digitalem Lernen von zu Hause bestehen wird», erklärte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) dem «Handelsblatt» zufolge in einem internen Schreiben an die CDU/CSU-Abgeordneten des Bundestages. Damit drehe sich die Diskussion erneut um die digitale Ausstattung von Schulen, Lehrern und Schülern. Brinkhaus rief die Länder vor dem Treffen im Kanzleramt dazu auf, bis Ende des Jahres nach Möglichkeit alle Lehrer mit einem Laptop und entsprechender Software auszustatten. Zudem sei für die Schulen auch ein IT-Manager nötig.

Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte am Donnerstag auf Nachfrage zu seinen Erwartungen: «Das ist kein Beschlussgremium.» Es gehe um einen Meinungsaustausch und darum, sich gemeinsam einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern habe in den vergangenen Wochen und Monaten «hervorragend funktioniert». Es werde da immer wieder versucht, einen Gegensatz zu konstruieren. «Ich finde es gut, dass die Kanzlerin hier persönlich ein Zeichen dafür setzt, dass diese Abstimmung zwischen Bund und Ländern auch ihr weiter sehr wichtig ist.»

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Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte vor dem Treffen gleichwohl konkrete Ergebnisse «Dass Bund und Länder sich zusammenfinden, um die Herausforderungen von Bildung in Corona-Zeiten zu diskutieren, ist zwar gut», sagte der Verbandsvorsitzende Udo Beckmann vor dem für Donnerstagnachmittag geplanten Gespräch im Kanzleramt. «Besser wäre, wenn hinterher nicht nur von einem konstruktiven Austausch gesprochen würde, sondern konkrete Maßnahmen der Verbesserung angepackt werden», fügte er hinzu.

Beckmann: Großer Wumms in der Bildung ist nötig

Beckmann verlangte «umfassende Investitionen». «Zu Recht wird die Wirtschaft gerade mit Wumms gerettet. Wir erwarten aber, dass endlich mit ebenso viel Wumms in Bildung investiert wird, damit Bildungsgerechtigkeit in Deutschland keine Worthülse bleibt.» Die Probleme lägen längst auf dem Tisch. Es gehe etwa um «verschlafene Digitalisierung», «Uneinigkeit» und einen «Hygienevorgaben-Dschungel».

Die Vorsitzende der GEW, Marlis Tepe, sagte vor dem Treffen, die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig der persönliche Kontakt zwischen Lehrkräften und Schülern sei und dass Bildungsungleichheit verschärft worden sei. «Die Länder haben mit der Entscheidung, im neuen Schuljahr auf Abstandsregeln im Unterricht zu verzichten, allerdings sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler einer unnötigen Gefährdung ausgesetzt.» Jede Schule brauche jetzt eine eigene Gefährdungsbeurteilung, mit der die Gesundheit aller geschützt und das Infektionsrisiko minimiert werden könne.

Leopoldina fordert kleine feste Lerngruppen

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding, kritisierte vor dem Treffen, dieses sei vernünftig, komme aber fünf Monate zu spät. «Es ist vor allem die fehlende
digitale Ausstattung, die während der Schulschließungen Tausenden Schülern den Zugang zu Bildung verwehrt hat.» Dafür trage auch die Bundesregierung die Verantwortung.

Der Nationale Wissenschaftsrat Leopoldina hat den Planungen der Kultusminister widersprochen, an den weiterführenden Schulen Unterricht nach dem „Kohortenprinzip“ stattfinden zu lassen. Statt die Schüler in voller Jahrgangsstärke zusammenzubringen, müssten kleine feste Lerngruppen gebildet werden, in denen auch eine Maskenpflicht gelten müsse, um dem Infektionsrisiko Rechnung zu tragen, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme. Das Problem: Damit wäre der angestrebte Normalbetrieb zumindest in den weiterführenden Schulen praktisch kaum mehr möglich. SPD-Chefin Esken hatte sich deshalb bereits für Projektunterricht in festen Lerngruppen stark gemacht. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Leopoldina hält geplanten Normalbetrieb an weiterführenden Schulen für zu riskant – sie fordert kleine feste Lerngruppen

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7 Kommentare
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xy
3 Jahre zuvor

Merkel hat als Physikerin sicher einen besseren Einblick als viele Kultusminister, die gerade einen verheerenden Eindruck erwecken und alle Risiken ausblenden. Die augenblickliche Lage ist fatal für alle Seiten. Schulen schließen täglich. Das alles sind weitere Infektionen mit großer Verbreitungsgefahr, hoffentlich ohne Spätfolgen.
Es muss Lösungen für die Risikogruppen geben. In einem zivilisierten Land sollte man weder Schüler, noch Lehrer oder Kitamitarbeiter einem unnötigen Risiko aussetzen. Schüler, die mit Eltern aus der Risikogruppe zusammen leben, stehen unter einem immensen Druck. Es ist zynisch diese Schüler in die Schule zu zwingen. Es ist auch zynisch, Lehrer mit Vorerkrankungen oder mit kranken Angehörigen ungeschützt in einen Massenbetrieb zu schicken. Merkel hat einmal gesagt, dass sie die Alten und Schwachen schützen will. Jetzt ist die Gelegenheit dazu.
Nutzen wir die Krise doch als Chance zur Erneuerung. Kein Weiter so!

Karin Gierden
3 Jahre zuvor
Antwortet  xy

Ich befürworte Ihre Meinung.
Ich gebe Ihnen im vollem Umfang Recht mit Ihrer öffentlichen Darstellung.

Maurice Gierden
3 Jahre zuvor

Alle Schüler und Lehrer, sowie Kita Kinder und Erzieher zurück in den Normalbetrieb zu schicken ist unverantwortlich. Seit Tagen gibt es in Deutschland mehr als tausend Neuinfektionen und es werden sicher täglich mehr. Zwanzig und mehr Schüler ohne Maske in einem Klassenraum zu setzen ist gefährlich und mehr als fragwürdig. Kein Kultusministerium kann dies mit reinem Gewissen verantworten . Sie spielen mit dem Leben von tausenden Menschen . Sicher darf die Wirtschaft nicht leiden , aber tausende Menschen solch einer Gefahr auszusetzen ist strafbar. Besser wäre es gewesen, wenn die Bürger Deutschlands , die trotz Warnungen nicht ins Ausland Urlaub zu machen , zu Hause zu bleiben. Man könnte sich auch zu Hause mal bräunen . Wie viele bringen wegen Unvernunft das Virus wieder aus dem Urlaub mit . Wie viele aber auch im eigenen Land feiern , als gäbe es kein Corona . Sicher sollte niemand in Historie verfallen , aber niemand möchte bestimmt , das auch in Deutschland Kühlcontainer oder Massengräber für die Coronatoten hingestellt und ausgehoben werden müssten , wie in Italien und der USA.

kanndochnichtwahrsein
3 Jahre zuvor

Abstandsregeln auch und gerade in der Schule – alles andere ist mehr als unvernünftig!
Lieber effektiv in kleinen Gruppen lernen, lieber verlässliche Betreuung in den unteren Klassen für die, die es brauchen, als alle einer Gefahr auszusetzen, die bisher niemand abschließend einschätzen, geschweige denn abschließend bewerten kann.

Liebe Frau Merkel,

ich glaube, es ist an der Zeit, endlich „Bildung ist Ländersache“ in Frage zu stellen.

Infektionen sind bekanntlich nicht Ländersache und die respektieren auch keine Ländergrenzen, nicht mal Staatengrenzen.
Lehrer und Schüler müssen jetzt durch Abstand geschützt werden, so wie alle anderen Menschen überall sonst auch.
Dann glauben uns die Kids vielleicht auch, dass sie auf der Straße, hinter der nächsten Ecke, im Bus und im Supermarkt Abstand halten sollen.
Bei der derzeitigen Regelung müssen die uns Lehrer ja für schizophren halten.
Und es ist sehr schwer, als Lehrer den Schülern klarzumachen, dass nicht die Lehrer das entscheiden, ihnen gleichzeitig auch noch zu vermitteln, dass die, die die Abschaffung der Maskenpflicht in den Schulen entscheiden, sicher ihr Bestes taten und wollten…(ich darf ja auch nichts Negatives gegen die Beschlüsse meines Arbeitgebers verlauten lassen …)
Ich glaube nicht daran, meine Schüler vermutlich auch nicht.
Im Moment zweifle ich daran, dass es mir gelingt, den Schülern den Sinn hinter unserem Handeln glaubhaft zu machen…
Schade.
Schule an sich verliert damit weiter Vertrauen in der Bevölkerung.
Vermutlich geht damit auch der letzte Rest Achtung vor Lehrkräften verloren.
Am Ende werden immer wir Lehrer am unteren Ende der Kette von Schülern und Eltern verantwortlich gemacht.

Barbora Emilija K.
3 Jahre zuvor

Ich finde, Frau Bundeskanzlerin sollte wirklich mit der Faust auf den Tisch hauen (im übertragenen Sinne), damit bei einigen Politikern endlich mal klingelt in der Schüssel. PS heute mit meinem Hausarzt gesprochen. Meine Bedenken geäußert. Er sagte, er würde nicht in der Schule unter diesen Umständen sein.

Gerhard Schoettke
3 Jahre zuvor

Man hätte vor 5 Monaten in allen Ländern anfangen können, die Schulen zu Digitalisieren, vernünftiges W-LAN, vernünftige und genügend Endgeräte für die Lehrer. Einigung in jedem Land auf eine digitale Schulplattform. Ich hoffe, dass jeder Lehrer, Lehrerin die hier schreiben digitale Kompetenzen haben, um Streamingunterricht und Videounterricht zu führen. Dann hätten diese digitalen Kompetenzen, den Schülern vermittelt werden müssen – von den Lehrern. Selbstverständlich hätte man in diesem Fall die digitalen Möglichkeiten prüfen müssen. Wenn wir diese Grundlagen haben, dann ist Homeschooling möglich. Vorher nicht. Arbeitsblätter herunterladen, per Email schicken, verteilen, Wochenpläne erstellen reicht nicht. Auch nicht die Aussage, ich habe meine Schüler nicht erreicht ist zulässig. Ich habe mir als IT – Fachmann anhören müssen, da haben manche Eltern keine Zeit. Es gab noch ein paar andere nette Aussagen der Lehrer meiner Söhne. Im Moment gibt es nur die alternativlose Form des guten alten Präsenzunterricht ohne Abstand und Maske im Unterricht grenzt meiner Meinung nach an Misshandlung, vor Allem bei den Jugendlichen bis 14. Außerdem sind schon viele Länder mit Präsenz ohne Abstand und Masken ins neue Schuljahr gestartet…außerdem sind unsere Infektionszahlen keine Kranken, sondern z.T. symptomlos…..

Palim
3 Jahre zuvor

Wir haben angefangen und zu Beginn des Distanzlernens in allen Klassen abgefragt, welche Möglichkeiten die Familien haben. Das ist in den Klassen sehr unterschiedlich. Einige Familien erreicht man gut, andere nicht, in einigen Klassen können etwa 80% auf die über die Osterferien implementierte Plattform zugreifen, in anderen Klassen nur einzelne Kinder: keine Geräte, kein WLAN, keine Kenntnisse.
Wenn der Bund nun Gelder zur Verfügung stellt, können davon hoffentlich auch ein paar Leute abgestellt werden, die den Rahmen für DSGVO-konformen Unterricht festlegen. Setzt die Beauftragten für Datenschutz gleich mit an den Tisch, damit sie das ganze nicht später kassieren.