Studie: Sind Lehrer mit Migrationshintergrund die besseren Deutschlehrer?

0

ESSEN. Angesichts ihrer eigenen Erfahrung im Sprachenlernen scheinen Lehrer mit zwei Muttersprachen außergewöhnlich gut für den Sprachunterricht gerüstet zu sein. Darauf deuten die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Die Lesefertigkeiten ihrer Schüler entwickeln sich demnach in der Regel besser als bei anderen Lehrkräften.

Zweisprachige Lehrer mit Migrationshintergrund scheinen Sprachen tendenziell besser vermitteln zu können als andere Lehrkräfte. Die Lesefertigkeiten ihrer Schüler entwickeln sich signifikant besser als bei anderen Lehrern. Dies ist das Kernergebnis einer Studie von Wissenschaftlern um Dr. Lisa Sofie Höckel vom Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Für Deutschlehrer scheint es ein Vorteil zu sein, die Sprache nicht quasi-instinktiv erlernt zu haben. Foto: Gundula Vogel / Pixabay (P. L.)

Haben Lehrer mit Migrationshintergrund nur eine Muttersprache, steigerten sich die Lesefertigkeiten bei den Schülern allerdings nur, wenn diese selbst aus einem Haushalt mit Migrationsgeschichte kamen. Auf die Lesefertigkeit von Kindern ohne Migrationshintergrund konnte in diesem Fall kein signifikanter Einfluss festgestellt werden. Negative Effekte für einheimische Schüler hätten sich aber auch nicht gezeigt.

Für die Studie nutzten die Forscher Daten der Sekundarstufe I (Klasse 5-9) des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Anhand des Längsschnitts analysierten sie, ob der Leistungszuwachs der Schulkinder in Schuljahren größer war, in denen der Deutschunterricht von einer Lehrkraft mit Migrationshintergrund gegeben wurde im Vergleich zu Schuljahren, in denen der Deutschlehrer keinen Migrationshintergrund hatte.

Verglichen mit anderen Einflussfaktoren auf die Lesefertigkeit zeigte sich der Effekt des Einsatzes von Lehrkräften mit Migrationshintergrund beachtlich, so die Wissenschaftler: Er sei etwa doppelt so groß wie der Geschlechtereffekt – also der durchschnittliche Vorsprung von Mädchen gegenüber Jungen. Auch sei der Effekt deutlich größer als der Unterschied in der Lesefertigkeit zwischen Schulkindern mit und ohne Migrationshintergrund.

Anzeige

Bei der Suche nach Erklärungen greift Lisa Sofie Höckel unter anderem auf das Lernmodel der bewussten Kompetenz zurück. Lehrer ausländischer Herkunft seien oft mit mehr als einer Sprache aufgewachsen. Dieser Umgang mit Sprachen könnte, so vermutet Lisa Sofie Höfel, wichtige Auswirkungen auf ihre Fähigkeiten im Sprachunterricht haben. Die Erfahrung des Erlernens von Deutsch als Zweitsprache führe zu einer bewussten Kompetenz. Dieser Umstand, wie auch der frühe Umgang mit mehr als einer Sprache könne die Art und Weise, wie spätere Lehrer Sprachen verstehen und unterrichten, beeinflussen.

Lehrer muttersprachlicher Herkunft hätten dagegen per definitionem nur Deutsch als Muttersprache. Ihre „unbewusste Kompetenz“ könnte es ihnen dann schwerer machen, den Schülern eine Fertigkeit zu erklären, die ihnen selbst weitgehend instinktiv geworden ist

Im Hinblick auf die Schüler legten die Ergebnisse nahe, dass Lehrkräfte mit Migrationshintergrund eine Vorbildfunktion für entsprechende Schüler einnähmen. Die Herkunftsländer von Schülern und Lehrern müssten dabei keineswegs identisch sein.

Mögliche Folgerungen aus ihrer Studie umreißt Höckel folgendermaßen: „Besonders für Kinder mit Migrationshintergrund sind gute Sprachfähigkeiten für die berufliche Zukunft entscheidend. Die Studie zeigt, dass sich Lehrkräfte mit Migrationshintergrund positiv auf die Leseleistungen der Schüler auswirken. Bisher sind sie an deutschen Schulen aber deutlich unterrepräsentiert.“ Insbesondere im Hinblick auf die Vorteile der Zweisprachigkeit im Bildungswesen seien noch weitere Forschung nötig, um das Wissen und die Erfahrung zweisprachiger Lehrer besser nutzen zu können, um Sprachunterrichtsstile zu entwickeln, die das Sprachverständnis von Schülern sowohl einheimischer als auch ausländischer Herkunft verbessern. (zab, pm)

Die Studie ist erschienen als Ruhr Economic Paper #862 „Speaking the Same Language – The Effect of Foreign Origin Teachers on Students‘ Language Skills”.
• Sie ist kostenlos als Download verfügbar.

Unter Migrantenkindern steigt der Gymnasiasten-Anteil von Generation zu Generation

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments