Tonne: „Keiner muss Angst haben, zur Schule zu kommen“ – wenn…

14

HANNOVER. Erstmals seit Mitte März kommen am morgigen Donnerstag in Niedersachsen wieder vollständige Klassen zum Unterricht zusammen. Trotz steigender Infektionszahlen hält Kultusminister Tonne die Situation für beherrschbar. Dabei ist Corona nicht die einzige Herausforderung.

Die Situation sei beherrschbar, «wenn sich alle an die Regeln halten und das Virus nicht von außen eingeschleppt wird»: Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Foto: Foto-AG Melle, derivative work Lämpel is licensed under CC BY 3.0

Keine Masken im Unterricht, voll besetzte Klassen und eine Reihe von Hygieneregeln: Am Donnerstag beginnt für mehr als eine Million Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen das neue Schuljahr. Trotz bundesweit steigender Infektionszahlen will das Kultusministerium so viel Normalität wie möglich erreichen. Die Schulen starten im «eingeschränkten Regelbetrieb». Dies bedeutet, dass innerhalb von definierten Gruppen (Kohorten) das Abstandsgebot mindestens von 1,50 Metern nicht mehr gilt. Sollte ein Schüler innerhalb der Gruppe erkranken, müsse nur diese Gruppe in Quarantäne gehen und nicht die ganze Schule geschlossen werden – so die Theorie.

Die Situation sei beherrschbar, «wenn sich alle an die Regeln halten und das Virus nicht von außen eingeschleppt wird», sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne am Mittwoch. «Keiner muss Angst haben, zur Schule zu gehen.» Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten dürften ohne ein negatives Corona-Testergebnis die Schule nicht betreten, betonte der SPD-Politiker. Vom Robert Koch-Institut als Corona-Risikogebiet eingestuft sind unter anderem Spanien mit Ausnahme der Kanaren sowie die Türkei. Die Schulleitungen hätten nicht die Verantwortung und die rechtliche Handhabe, Reiserückkehrer zu kontrollieren, sagte Tonne. Allerdings könnten sie bei Verdachtsfällen die zuständigen Gesundheitsämter informieren.

Absage an Maskenpflicht im Unterricht: Anders als in Nordrhein-Westfalen müssen niedersächsische Schülerinnen und Schüler in den Klassenräumen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen. «Zum jetzigen Zeitpunkt halten wir eine Maske im Unterricht als präventive Maßnahme für nicht erforderlich», sagte Tonne. Zum Beispiel beim Lernen von Fremdsprachen sei es unerlässlich, auch die Mimik zu sehen. Masken sollen etwa auf engen Fluren im Gebäude getragen werden. Lehrern stellte Tonne freiwillige Corona-Tests in Aussicht.

Anzeige

Aus Sicht der FDP hat die rot-schwarze Landesregierung die Schulen «denkbar schlecht» vorbereitet. «Nötig wäre eine 14-tägige Schulquarantäne für alle Urlaubsheimkehrer ohne negativen Test und endlich eine Teststrategie, die regelmäßige und präventive Tests für das Schulpersonal vorsieht», sagte der Schulexperte der FDP-Landtagsfraktion, Björn Försterling.

Fehlende Lehrer: Anders als die Bildungsgewerkschaft GEW spricht der Kultusminister nicht von Personalnot. Von rund 2300 zum Schuljahr 2020/21 ausgeschriebenen Stellen konnten bisher 1977 Stellen besetzt werden (Stand 25.8.). 1600 Lehrkräfte schieden aus dem Dienst aus. Die Entwicklung an den Grundschulen sei positiv, sagte Tonne. Allerdings sei die Besetzungsquote von 65 bis 70 Prozent an den Haupt-, Real- und Oberschulen «nicht zufriedenstellend». Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte befürchtet dort Unterrichtsausfall und weniger Ganztagsbetreuung. «Wir warnen davor, dass hier eine große Schülerschaft in ihrer Entwicklung benachteiligt wird», sagte Verbandschef Torsten Neumann. FDP und Grüne warfen dem Minister vor, die Zahlen zu beschönigen. «Es fehlen unverändert Lehrkräfte», sagte Julia Willie Hamburg, Fraktionschefin der Grünen im Landtag.

Corona-Risikogruppen: Das Kultusministerium rechnet damit, dass etwa sechs bis acht Prozent der Lehrkräfte keinen Präsenzunterricht geben können, weil sie zur Corona-Risikogruppe gehören. «Sie sind nicht krank und haben nicht frei», sagte Tonne. Vielmehr hätten sie Aufgaben von zu Hause aus zu erfüllen – etwa die Betreuung von Schülern, die ebenfalls zur Risikogruppe gehören und deshalb zu Hause unterrichtet werden. Wie viele Schüler dies sind, konnte der Minister nicht sagen.

Lernen zu Hause: Beim Lernen mit digitalen Medien sieht Tonne die niedersächsischen Schulen auf einem guten Weg. 39.000 der rund 70.000 Lehrkräfte hätten sich digital fortgebildet, davon 3700 in den Sommerferien. Sollte sich die Infektionslage deutlich verschlechtern, entscheiden die örtlichen Gesundheitsämter, ob die Schulen in der jeweiligen Region zu einer Kombination aus Präsenzunterricht und Unterricht zu Hause zurückkehren oder ob wieder komplett zu Hause gelernt werden muss. Niemand müsse sich wegen des Coronavirus Sorgen um die Bildungskarriere der Kinder und Jugendlichen machen, sagte der Minister. «Wir werden das Schuljahr nutzen, um Lücken zu schließen und Defizite zu kompensieren.» dpa

Seit Schuljahresbeginn: Mehr als 500 Schulen und Kitas in Deutschland von Corona-Infektionen betroffen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

14 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Lanayah
3 Jahre zuvor

Natürlich ist die Situation beherrschbar, wenn das Virus nicht von aussen eingeschleppt wird. Nur genau das ist leider nicht beherrschbar. „Keiner muss Angst haben“, scheint wohl eher ein Mantra zu sein. Jedenfalls ist konkret nichts passiert um einem diese Angst zu nehmen.

Alla
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lanayah

Damit das Virus nicht von außen eingeschleppt wird, würde ich vorschlagen, dass alle SuS, LuL, Betreuer, Sozialarbeiter, Cafeteriapersonal usw für die nächsten Monate die Schule nicht mehr verlässt oder betritt. Kein Vermischen von innen und außen!
Alle bleiben IN der Schule und die Türen werden versiegelt. (Ironie off)

Ava
3 Jahre zuvor

Es besteht nirgends ein Risiko, wenn das Virus nicht eingeschleppt wird. Nicht in der Schule, nicht in Krankenhäusern, nicht in Sportvereinen. Und genau DAS ist das Problem!
Es ist das Wesen einer Pandemie, dass sich die Krankheit überall verbreitet. Ein Virus, das es geschafft hat, innerhalb von ein paar Monaten von einem Tiermarkt in China bis in Skigebiete in Tirol, Einkaufszentren in New York und auf die entlegensten Inseln zu kommen, wird wohl kaum vor niedersächsischen Schulen Halt machen-zumal diese nicht die Maßnahmen durchführen, die überall sonst angewandt werden, um Infektionen zu verhindern.
Insofern kann man “ Keiner muss Angst haben,zur Schule zu kommen.“ entweder als frommen Wunsch oder als bewusste Irreführung von Schülern und Lehren sehen. Mit der Realität, in der die meisten Menschen eine solche Infektion sehr wohl fürchten, hat das wenig zu tun.

Illy
3 Jahre zuvor

… und es bleibt dabei, was Tonne spricht ist für ebensolche…..

Hf
3 Jahre zuvor

Das ist halt die Umkehrung des Mantras vom Frühjahr. Um den „Lockdown“ in der Bevölkerung durchzusetzen, wurde massiv auf Angst und entsprechende Szenarien gesetzt. Das hat ja auch funktioniert, aber es war damals schon klar, dass sich hier in der Bevölkerung etwas im Umgang mit dem Virus minifistiert hat, dass jetzt halt auch nicht einfach wieder ausgeschaltet werden kann.
Das die Verteilung eines solchen Virus in der heutigen Zeit so stattfindet ist ja kein Geheimnis. Unter Youtube gibt es ein sehr intressantes Video zum Thema „Netzwerkforschung“ – Vernetzt – In sechs Schritten um die Welt.
Ich kenne die Sendung jetzt gut 9-Jahre. Zum aktuellen Thema muss man die ersten Minuten überspringen. Es gibt einen Part über die Verteilung von Viren über die Flulinien, Strategansätze bezüglich Impfstrategien, aber leider auch die Feststellung, dass wir tun und lassen können, was wir wollen, wir werden das Virus nicht mehr loswerden.
Die einzige Möglichkeit besteht vermutlich darin, dass das Virus sich selbst killt oder so mutiert, dass es wirklich zu der „harmlosen“ Grippe wird.
Als müssen wir lernen, mit dem ganzen rational umzugehen, denn den 100% Schutz wird es nie geben. Und ein „bischen“ Angst vor dem Virus kann auch nicht schaden, weil dann hält sich wenigstens der Großteil an bestimmte Hygieneregeln und geht „wachsam“ durchs leben.

Marie
3 Jahre zuvor
Antwortet  Hf

ICH halte mich im privaten Leben an jegliche Hygieneregel. Es wäre nur schön, wenn sich die Länder mit ihren „ Konzepten“ auch mal an die Regeln halten würden. Dann wäre nämlich die Angst, sich in der Schule zu infizieren, tatsächlich ein wenig kleiner.

Emma
3 Jahre zuvor

Schlimm. Ich bin echt traurig, dass Herr Tonne offenbar nicht richtig begreift, das Corona nicht wegzudiskutieren ist. Wir wissen nicht, wie es sich dauerhaft auf die Gesundheit auswirkt und brauchen Zeit und Studien, um dies alles zu erfassen. In dieser Zeit sollten Vorsicht und Zurückhaltung dominieren, wenn nicht für sich selbst, dann für unsere Risikopatienten. Halbe Klassen waren bei uns eine echte Option.

Apropos: Wie lange dürfen Schulkinder mit Attest zuhause beschult werden? Muss das Attest alle paar Wochen erneuert werden oder gilt dies für das ganze Schuljahr? Weiß da ein Kollege etwas? Obwohl Herr Tonne ja keine Risiken für vorerkrankte Schüler sieht, haben sich ebensolche doch krankschreiben lassen, was ich mutig finde und sehr begrüße.

KARIN
3 Jahre zuvor

Es werden sich hoffentlich viele ältere Kolleginnen/ Kollegen für einen früheren Eintritt in die Pension entscheiden. Ich selber habe leider meiner Schule trotz der Zugehörigkeit zur Risikogruppe für das kommende Schuljahr mein Kommen zugesagt. Ich bin erst ab 1.Oktober wieder im Präsenzunterricht. Dies gibt mir ein wenig Sicherheit, da bis dahin auch die Reisrückkehrer durch sind! Da meine Fachrichtung letztes Schuljahr schon 2 Fachlehrer aus Altersgründen verloren hat, besteht meine Fachgruppe genau aus 5 Personen und mir, sofern ich wiederkomme. Diese Fachgruppe hat immer Prüfungsklassen in ihren Fächern aber keine/ kaum Nachwuchskräfte und dies schon seit Jahrzehnten, es wurde keine Ausbildung angeboten oder wegen mangelndem Interresse nicht durchgeführt. Meine Kolleginnen sind schon letztes Schuljahr wirklich auf dem Zahnfleisch gegangen,so dass ich meine erneute Möglichkeit, ein Attest für weitere 3 Monate mir ausstellen zulassen ( kein Präsenzunterricht! Aber genug andere Tätigkeiten um sehr gut beschäftigt zu sein) nicht wahrnehmen werde. Ich kann meine Fachgruppe nicht im Stich lassen, da dies sehr viel Überstunden für jeden bedeuteten würde, da mein Unterricht erteilt werden muss, da Prüfungsfächer. Mein Facharzt war entsetzt, da er selber einen Kollegen mit schweren Folgen einer durchlaufenen Infektion im Bekanntenkreis hat. Aussetzer, keine langen Konzentrationszeiten, Schwäche usw. Dieser Kollege arbeitet jetzt mit 62 Jahren nicht mehr! Ich komme also,wider besseren Wissens, nur meiner Kolleginnen wegen, zurück. Mit ganz schlechtem Gewissen meiner Gesundheit gegenüber! Auch meinen Kindern gegenüber, welche sehr in Sorge sind und mich überhaupt nicht verstehen können. Diese frotzeln , auf deinem Grabstein wird stehen —- Im Dienst gestorben, wie es sich für einen Beamten gehört ! ( Ironisch gemeint!) Ich lang mir auch an den Kopf, was ich da mache und habe beständig, jetzt schon, Bauchweh wegen meiner Entscheidung!

Jonas Kruse
3 Jahre zuvor

Anderes als der jetzige Präsenzunterricht passt doch überhaupt nicht zur Gesamtsituation. Das nieders. Verwaltungsgericht in Lüneburg hat die normale Prostitution und die Straßenprostitution gestern wieder erlaubt.

Stelle mir das gerade bildlich vor: Kind sitzt morgens zuhause wegen geschlossener Schule oder Hybridunterricht …. ein Elternteil aber kommt heute vom „Einkaufen“ später nach Hause.

FunkelfunkelkleenerStern
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jonas Kruse

Okay, jetzt ziehen Sie hier eine Parallele zwischen Schule und Bordellen. Und ich dachte schon, noch tiefer kann diese würdelose Diskussion nicht abgleiten. Wenn dieses Forum hier auch Tür und Tor für solch hirn-, substanz- und anstandslose Kommentare öffnet, bin ich raus…

Rotstiftprofi
3 Jahre zuvor

Die Wiederaufnahmeerlaubnis der Prostitution in Niedersachsen ist aber an die Einhaltung strengster Hygieneauflagen gebunden – und jetzt raten Sie mal, wo da der Unterschied zwischen Bordell und Schule besteht…

Jonas Kruse
3 Jahre zuvor

Die Schulen unserer Region haben die strengstmöglichen Hygienevorschriften, die aber dennoch glückliche Kinder ermöglichen: Kinder im Klassenverband in ihrer Schule. Das Videofundstück der Woche zeigt ja ganz prima die weltweite Freude aller Kinder über ihren Schulbeginn.

Wie man im Lustwohnwagen am Straßenrand Hygienevorschriften kontrollieren will, übersteigt zudem mein Vorstellungsvermögen. Das müsste der Rotstiftprofi bitte noch mal näher ausführen.

Hier sinkt auch nicht das Diskussionsniveau, sondern hier wird nur versucht, die Gesamtsituation zu berücksichtigen. Und so manche Forderung an Schule ignoriert nicht nur die Interessen der gerade wieder fröhlichen Kinder, sie will eben zudem so gar nicht zu anderen Lockerungen passen.

Silvia 3112
3 Jahre zuvor

Ich finde es grob fahrlässig Kinder die einer Risikogruppe angehören in die Schule zu zwingen oder wie bei mir Risikopatient mit COPD und alleinerziehend zu sagen man solle doch klagen weil der Antrag auf Distanzunterricht abgelehnt wurde.Dann scheint Corona ja doch nicht so gefährlich zu sein wie man behauptet wenn man so die Gesundheit/Leben der Menschen aufs Spiel setzt. Für mich ist das russisches Roulette was hier gerade passiert.
Traurig aber leider wahr !!!

Michael
3 Jahre zuvor

„Die Situation sei beherrschbar, «wenn sich alle an die Regeln halten und das Virus nicht von außen eingeschleppt wird»“

Ein Teil dieser Antwort könnte die Bevölkerung verunsichern.